Das Münchener Abkommen.

Das „Münchener Abkommen“, geschlossen am 29. September 1938 zwischen den Deutschen Reich, England, Frankreich und Italien, behandelt die Art und Weise der Angliederung der deutsch besiedelten Gebiete in Böhmen und Mähren/Schlesien (also der „Sudetendeutschen Gebiete“) an das Deutsche Reich.

Es regelt die vorher durch verschiedene englisch-französische Noten und deren Annahme durch die Prager Regierung vereinbarte Angliederung der deutsch besiedelten Randgebiete Böhmens und Mährens an das Deutsche Reich in genau der Art, wie sie bereits am 10. März 1919 von Professor Coolidge an die US-Delegation der Pariser Friedenskonferenzen vorgeschlagen worden war.

Eine kurze Zusammenfassung der Problematik ist hier zu lesen.

Keesings Archiv der Gegenwart gibt eine Zusammenstellung wichtiger Ereignisse der Vorgeschichte (nicht alle weiteren Texte hinterlegt!).

Beurteilung der Vorgeschichte durch die Kommunisten in der Tschecho-Slowakei.

Diesem Abkommen ging ein heftiger Streit voraus, in dem die damalige Tschecho-Slowakei gegenüber Frankreich und England (zwar unter Protest) der Räumung dieser Landesteile zustimmte. Wortlaut der Annahmeerklärung
Betroffen waren die Landkreise mit deutscher Bevölkerungsmehrheit nach den bekannten Daten aus Erhebungen etwa 4 Jahre zuvor. Später wurde noch um die Grenzziehung auf Gemeindeebene gerungen. Einzelne Schritte dieser Verhandlungen und Vereinbarungen werden hier später ebenfalls dokumentiert.

Siehe auch: Daniela Horak. Diese Journalistin hat sehr einsichtig Stellung bezogen!

Zur Vorgeschichte bitte auch unbedingt lesen:
Benešs Brief 1938-09-15 an seinen Minister Necas zu Verhandlungen in Paris und London über Abtretung eines kleinen Teiles (ca 15 %) der sudetendeutschen Siedlungsgebiete unter der Bedingung, daß 1,5 bis 2 Millionen Sudetendeutsche (ca 60 %) die Tschecho-Slowakei verlassen.

(Vom Text des Abkommens existieren mehrere Fassungen, die sich in Nebensächlichkeiten (wie z.B. der Benennung der Staaten Deutschland/Deutsches Reich, England/Vereinigtes Königreich/Großbritannien) unterscheiden. Ich werde versuchen, einen amtlichen Text herauszufinden und werde hier entsprechend nachbessern. Für den Inhalt des Abkommens haben solche Kleinigkeiten aber keinerlei Bedeutung! Die Daten im Text waren ohne Jahresangabe geschrieben, ich habe zur Verdeutlichung die Jahreszahl 1938 jeweils eingefügt.

Daß in den amtlichen Texten in allen vier Sprachen von „Räumung“ der Sudetendeutschen Gebiete die Rede ist, läßt darauf schließen, daß England, Frankreich und Italien diese Landesteile immer noch als gewaltsam besetzt betrachteten. Ihre Erinnerung an die Eroberung des Sudetenlandes durch tschechisches Militär in den drei Monaten von 28. Oktober 1918 bis zum Ende des Januar 1919 war wohl noch nicht verblaßt – im Gegensatz zu uns Nachgeborenen, die davon im Geschichtsunterricht rein gar nichts erfahren hatten! – Siehe Dokumentation über die Eroberung des Sudetenlandes durch tschechisches Militär 1918/1919!

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Geheime Reichssache!                                    München, den 29. September 1938

Abkommen zwischen Deutschland, dem vereinigten Königreich, Frankreich und Italien, getroffen in München am 29. September 1938.

Deutschland, das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien sind unter Berücksichtigung des Abkommens, das hinsichtlich der Abtretung des sudetendeutschen Gebiets bereits grundsätzlich erzielt wurde, über folgende Bedingungen und Modalitäten dieser Abtretung und über die danach zu ergreifenden Maßnahmen übereingekommen und erklären sich durch dieses Abkommen einzeln verantwortlich für die zur Sicherung seiner Erfüllung notwendigen Schritte.

1.)  Die Räumung beginnt am 1. Oktober 1938.

2.)  Das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien vereinbaren, daß die Räumung des Gebiets bis zum 10. Oktober 1938 vollzogen wird, und zwar ohne Zerstörung irgendwelcher bestehender Einrichtungen, und daß die tschecho-slowakische Regierung die Verantwortung dafür trägt, daß die Räumung ohne Beschädigung der bezeichneten Einrichtungen durchgeführt wird.

3.)  Die Modalitäten der Räumung werden im Einzelnen durch einen internationalen Ausschuß festgelegt, der sich aus Vertretern Deutschlands, des Vereinigten Königreichs, Frankreichs, Italiens und der Tschecho-Slowakei zusammensetzt.

4.)  Die etappenweise Besetzung des vorwiegend deutschen Gebietes durch deutsche Truppen beginnt am 1. Oktober. Die vier auf der anliegenden Karte bezeichneten Gebietsabschnitte werden in folgender Reihenfolge durch deutsche Truppen besetzt:
Der mit I bezeichnete Gebietsabschnitt [Böhmerwald] am 1. und 2. Oktober 1938, der mit II bezeichnete Gebietsabschnitt [Nordböhmen von Tetschen bis nördlich Gablonz] am 2. und 3. Oktober 1938, der mit III bezeichnete Gebietsabschnitt [Egerland und westliches Erzgebirge] am 3., 4. und 5. Oktober 1938, der mit IV bezeichnete Gebietsabschnitt [Nordmähren nordöstlich von Mährisch Schönberg bis Jägerndorf] am 6. und 7. Oktober 1938.
Das restliche Gebiet vorwiegend deutschen Charakters wird unverzüglich von dem oben erwähnten internationalen Ausschuß festgestellt und bis zum 10. Oktober 1938 durch deutsche Truppen besetzt werden.

5.)  Der in §3 erwähnte internationaler Ausschuß wird die Gebiete bestimmen, in denen eine Volksabstimmung stattfinden soll. Diese Gebiete werden bis zum Abschluß der Volksabstimmung durch internationale Formationen besetzt werden. Der gleiche Ausschuß wird die Modalitäten festlegen, unter denen die Volksabstimmung durchgeführt werden soll, wobei die Modalitäten der Saar-Abstimmung als Grundlage zu betrachten sind. Der Ausschuß wird ebenfalls den Tag festsetzen, an dem die Volksabstimmung stattfindet; dieser Tag darf jedoch nicht später als Ende November 1938 liegen.

6.)  Die endgültige Festlegung der Grenzen wird durch den internationalen Ausschuß vorgenommen werden. Dieser Ausschuß ist berechtigt, den vier Mächten Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Italien in bestimmten Ausnahmefällen geringfügige Abweichungen von der streng ethnographischen Bestimmung der ohne Volksabstimmung zu übertragenden Zonen zu empfehlen.

7.)  Es wird ein Optionsrecht für den Übertritt in die abgetretenen Gebiete und für den Austritt aus ihnen vorgesehen. Die Option muß innerhalb von sechs Monaten vom Zeitpunkt des Abschlusses dieses Abkommens an ausgeübt werden. Ein deutsch-tschecho-slowakischer Ausschuß wird die Einzelheiten der Option bestimmen, Verfahren zur Erleichterung des Austausches der Bevölkerung erwägen und grundsätzliche Fragen klären, die sich aus dem Austausch ergeben.

8.)  Die tschecho-slowakische Regierung wird innerhalb einer Frist von vier Wochen vom Tage des Abschlusses dieses Abkommens an alle Sudetendeutschen aus ihren militärischen und polizeilichen Verbänden entlassen, die diese Entlassung wünschen. Innerhalb derselben Frist wird die tschecho-slowakische Regierung sudetendeutsche Gefangene entlassen, die wegen politischer Delikte Freiheitsstrafen verbüßen.   

Adolf Hitler
Neville Chamberlain
Mussolini
Ed. Daladier

 

Zusatz zu dem Abkommen

München, den 29. September 1938

Seiner Majestät Regierung im Vereinigten Königreich und die französische Regierung haben sich vorstehendem Abkommen angeschlossen auf der Grundlage, daß sie zu dem Angebot stehen, welches in Paragraph 6 der englisch-französischen Vorschläge vom 19. September 1938 enthalten ist, betreffend eine internationale Garantie der neuen Grenzen des tschecho-slowakischen Staates gegen einen unprovozierten Angriff.
Sobald die Frage der polnischen und ungarischen Minderheiten in der Tschecho-Slowakei geregelt ist, werden Deutschland und Italien ihrerseits der Tschecho-Slowakei eine Garantie geben.

Adolf Hitler
Neville Chamberlain
Mussolini
Ed. Daladier

 

Zusätzliche Erklärung

München, den 29. September 1938

Die Regierungschefs der vier Mächte erklären, daß das Problem der polnischen und ungarischen Minderheiten in der Tschecho-Slowakei, sofern es nicht innerhalb von drei Monaten durch eine Vereinbarung unter den betreffenden Regierungen geregelt wird, den Gegenstand einer weiteren Zusammenkunft der hier anwesenden Regierungschefs der vier Mächte bilden wird.

Adolf Hitler
Neville Chamberlain
Mussolini
Ed. Daladier

 

Zusätzliche Erklärung

München, den 29. September 1938

Die vier anwesenden Regierungschefs sind sich darüber einig, daß der in dem heutigen Abkommen vorgesehene Ausschuß sich aus dem Staatssekretär des Auswärtigen Amts, den in Berlin beglaubigten Botschaftern Englands, Frankreichs und Italiens und einem von der tschecho-slowakischen Regierung zu ernennenden Mitglied zusammensetzt.

Adolf Hitler
Neville Chamberlain
Mussolini
Ed. Daladier

 

Zusätzliche Erklärung

München, den 29. September 1938

Alle Fragen, die sich aus der Gebietsübergabe ergeben, gelten als zur Zuständigkeit des internationalen Ausschusses gehörig.

Adolf Hitler
Neville Chamberlain
Mussolini
Ed. Daladier

 

Der internationale Ausschuß, der am 30. September 1938 seine erste Sitzung abhielt, wählte Staatssekretär Freiherr Ernst von Weizsäcker (Vater des späteren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker) zum Vorsitzenden und bildete drei Unterkommissionen, und zwar für militärische Fragen, für wirtschaftliche und finanzielle Fragen und für die Organisation der Volksabstimmung und die Festlegung der Grenze.

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Am 24. Oktober 1938 meldete die Zürcher Zeitung einen Ausspruch des Herrn Winston Churchill:
„Den Sudetendeutschen ist durch das Münchener Abkommen Recht widerfahren.“
(Wiedergegeben nach Seite 61 in „Die Tschecho-Slowakei: Das Ende einer Fehlkonstruktion“: Hellmut Diwald: „Die Revision eines Unrechts“)