Zur Vorgeschichte bitte unbedingt auch lesen:
Benes Brief an Necas mit seiner Bereitschaft zu einer
Teilabtretung der Sudetengebiete.
Bene nimmt an die Tschechoslowakei beugt sich dem Druck der englischen und französischen Regierungen:
Keesings's
Archiv der Gegenwart teilt unter dem Datum 21. September 1938 mit:
Seite 3730 A (Die eingeklammerten Zahlen mit Buchstaben sind Verweisstellen zu
Keesings Archiv der Gegenwart)
ENGLAND, FRANKREICH. Außenpolitik. TSCHECHO-SLOWAKEI. Nationalitäten.
Die englisch-französischen Vorschläge zur tschecho-slowakischen Krise, die
anläßlich der Londoner Ministerkonferenz (3728 D) auf Grundlage der Berchtesgadener
Besprechungen zwischen Chamberlain und Hitler (3723 E) vereinbart und am 19. September von
den Kabinetten in Paris und London gebilligt wurden, hatten nach den Informationen der
Presse folgenden Inhalt:
1.
Abtretung der Gebiete mit mehr als 50 % deutscher Bevölkerung der Tschecho-Slowakei ohne
Volksabstimmung.
Grenzfestsetzung durch eine internationale Kommission auf Grund der Ergebnisse der letzten
Gemeindewahlen und Möglichkeit eines Bevölkerungsaustausches.
2.
weitgehende Autonomie nach den letzten Vorschlägen der Prager Regierung (3716 A) für
gemischtsprachige Gebiete.
3.
Neutralisierung der Tschecho-Slowakei; Aufgabe der Hilfeleistungspakte mit Frankreich und
der Sowjetunion.
4.
Garantie der neuen Tschecho-Slowakei durch die Nachbarstaaten sowie England, Frankreich
und Italien. Die Zustimmung zu diesen von den englischen Staatsmännern vertretenen
Vorschlägen kam erst nach großen Schwierigkeiten und nach Feststellung von englischer
Seite zustande, daß England die bestehende Paktverpflichtung Frankreichs gegenüber der
Tschecho-Slowakei respektieren, aber nur dann militärische Hilfe leisten werde, wenn die
Integrität Frankreichs bedroht wäre.
Die Vorschläge wurden am 19. September 1938 der tschecho-slowakischen Regierung übermittelt. Die Prager Regierung gab am 20. September zunächst eine ausweichende Antwort, in der sie sich auf strategische, wirtschaftliche und verkehrstechnische Schwierigkeiten berief und unter Hinweis auf den noch in Kraft befindlichen deutsch-tschechischen Schiedsvertrag vom Jahre 1925 und auf Versicherungen des Generalfeldmarschalls Göring, die dieser nach dem Anschluß Österreichs dem britischen Botschafter in Berlin hinsichtlich der Tschecho-Slowakei gegeben hatte (3491 C), die Austragung der Angelegenheit durch den Ständigen Internationalen Gerichtshof im Haag vorschlug. Nach wiederholten Demarchen der französischen und englischen Regierung nahm die tschecho-slowakische Regierung die Vorschläge am 21. September 1938 abends vorbehaltlos an. Das amtliche Communiqué lautete wie folgt:
Die tschecho-slowakische Regierung hat sich unter dem
unwiderstehlichen Druck der britischen und der französischen Regierung gezwungen gesehen,
schmerzerfüllt die in London ausgearbeiteten Vorschläge anzunehmen.
(Hervorhebungen geändert ML 2001-04-15)
Unter dem Vorsitz von Präsident Dr. Edvard Bene hielt die tschechoslowakische Regierung am 30. September 1938 eine Sitzung ab, in der das Münchener Abkommen angenommen wurde. In dem offiziellen Bericht heißt es:
Nach reiflicher Erwägung und Prüfung aller dringlichen Empfehlungen, die der Regierung durch die französische und britische Regierung übermittelt wurden, und im vollen Bewußtsein der historischen Verantwortung hat sich die tschechoslowakische Regierung unter voller Zustimmung der verantwortlichen Faktoren der politischen Parteien dazu entschlossen, die Münchener Beschlüsse der vier Großmächte anzunehmen. Sie hat dies im Bewußtsein getan, daß die Nation erhalten werden muß und daß eine andere Entscheidung heute nicht möglich ist.
Wiedergegeben nach Seite 29 in Die
Tschechoslowakei: Das Ende einer Fehlkonstruktion (Richard W. Eichler:
Die entlaufene Braut, Seite 24)
Keesing's Archiv der Gegenwart gibt auf Seite 3745 C einen inhaltlich
gleichbedeutenden, aber anderen Wortlaut wieder. ML 2001-04-15