Kurzinformation über den „Mährischen Ausgleich“

Literatur:
„Nationale Autonomie im Vielvölkerstaat. Der Mährische Ausgleich“
Schriftenreihe der Sudetendeutschen Stiftung, München 1977.
Verfasser Horst Glassl
90 Seiten A5, broschiert.
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Im Buch wird die Vorgeschichte einschließlich der Versuche zum Ausgleich der widerstrebenden nationalen Forderungen in Böhmen dargestellt und der Weg zum Mährischen Ausgleich beschrieben.

Der Kern des „Mährischen Ausgleiches“ wird gebildet von 4 Gesetzen, die im Jahre 1905 für die Markgrafschaft Mähren „einschließlich ihrer Enklaven in Schlesien“ in Kraft gesetzt wurden:

Das erste Gesetz (1905-11-27) bestimmt eine neue Wahlordnung: die Verteilung der Zahl der Landtagsabgeordneten auf die verschiedenen Wahlgruppen:
  2 Kleriker (der Fürsterzbischof von Olmütz und der Bischof von Brünn),
30 Abgeordnete des Großgrundbesitzes,
46 Abgeordnete der Städte und der Handwerks- und Gewerbekammern
53 Abgeordnete der übrigen Gemeinden  und
20 Abgeordnete der allgemeinen Wählerklasse.
Weiters wird über die nationale Zugehörigkeit bestimmt, daß die
46 Abgeordneten 20 Tschechen [Böhmen] und 20 Deutsche, 3 Abgeordnete der Kammern in Olmütz und 3 Abgeordnete der Kammern in Brünn
53 Abgeordneten 39 Tschechen [Böhmen] und 14 Deutsche
20 Abgeordneten 14 Tschechen [Böhmen] und   6 Deutsche
sein sollten.
Die Wahl der nationalen Abgeordneten erfolgt in national getrennten Bezirken. (Wahlkreiseinteilung siehe unten! ML 2005-10-02)
Es folgt eine Menge einzelner Bestimmungen über die Rechte und Pflichten der Abgeordneten und des Landtages überhaupt. Diese weisen keine besonderen nationalen Eigentümlichkeiten auf, wenn sie auch nicht ohne weiteres auf heutige Verfassungen übertragbar sind.

Das zweite Gesetz vom gleichen Tage bestimmt im wesentlichen alle Einzelheiten des Wahlverfahrens.

Das dritte Gesetz vom gleichen Tage trifft im wesentlichen Bestimmungen über die Amtssprache: Jedes Gremium ist berechtigt, seine Amtssprache selbst zu wählen. Zusätzlich wird bestimmt, daß auch alle anderssprachigen Eingaben entgegenzunehmen und – nach kostenfreier Übersetzung durch den Landesausschuß – zu behandeln und in der Sprache der Eingabe zu beantworten sind.
Ferner wird festgelegt, daß jedes Mitglied von Gemeindevertretungen in seiner Muttersprache reden darf.

Das vierte Gesetz vom gleichen Tage trifft Bestimmungen zum Schulwesen: Für die Schulen sind getrennte nationale Schulbezirke zu bilden, die Ortsschulräte sind ebenfalls national getrennt genauso wie die Bezirks- und Landesschulräte. Geschäftssprache in den Orts- und Bezirksschulbehörden ist getrennt, in den Landesbehörden gelten beide Landessprachen.

Das wesentliche Merkmal des „Mährischen Ausgleichs“ ist, daß zumindest in der staatlichen Verwaltung der Platz beider Sprachen verankert werden konnte, so daß der alltägliche Streit hätte abklingen und abkühlen können.
Offensichtlich war es – global betrachtet – dafür schon zu spät. Das Mährische Beispiel konnte nicht auf Böhmen und erst recht nicht auf die südlicheren Gefilde des Habsburgerreiches übertragen werden. Aus nationalen Rivalitäten entstand nationalistischer Haß. Dieser führte zum Kaisermord von Sarajewo und löste einen Weltenbrand aus, in dem nicht nur gute Kräfte ans Licht kamen.

ML 2002-09-02

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Siehe auch eine wichtige ergänzende Nachricht! (2004-07-13)

Beschreibung und Kommentar von Reinhard Pozorny im Brünner Heimatboten 1975

Kurzbericht über Intereg-Tagung in Brixen im Oktober 2005