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Wegen Causa Kinsky will Spidla die Verfassung ändern
lautet die Überschrift des Leitartikels von Lidove Noviny 2003-07-04:

Premier Spidla will in die tschechische Verfassung eingreifen. Der Premier und seine Kollegen wollen auf diese Weise auf die Entwicklung um den Restitutionsprozeß des Franz Aldalbert Kinsky reagieren. Kinsky versucht, seine Rechte an dem zum Ende des Krieges konfiszierten Eigentum zu behaupten und hat bereits fünf Streitfälle gewonnen. Eine Rolle in den Überlegungen zu der Verfassungsänderung spielen auch die zunehmenden Forderungen zur Entschädigung einiger Sudetendeutscher Vertriebener.

Premier Spidla hat bereits Experten beauftragt, so schnell wie möglich eine Verfassungsnovelle auszuarbeiten, die „fehlerhaften Interpretationen“ von Gesetzen zuvorkommen soll, die sich mit Restitutionen und Nachkriegsdekreten befassen. »Unter anderem habe ich den Innenminister um einen Ansatz zu einer Vereinheitlichung der Rechtsanschauung in diesen Fragen gebeten«, so Spidla.

Eine neue Aufgabe bekam auch der Finanzminister. »Ich habe ihn um eine Novellierung des Gesetzes zur Arbeit des Amtes zur Vertretung der Staatsangelegeneiten in Eigentumsfragen gebeten«, führt der Premier weiter aus. Es sieht so aus, als müßten die Rechte dieser Institution auch auf Gemeinden erweitert werden. Insbesondere der Kultusminister Dostal wirft den Gemeinden vor, sie hätten gegen Kinsky nicht "„usreichend gekämpft“.

Spidla gibt zu, daß wg. der Beneš-Dekrete möglicherweise die Verfassung geändert werden muß. Es wäre angebracht, über eine Verfassungsänderung zu diskutieren, so Spidla. Dies ist allerdings eine offene Angelegenheit.

Einer Verfassungsänderung stehen andere Politiker sehr zurückhaltend gegeüeber. Hier sind gute Rechtsanalysen erforderlich, die einen wirksamen und letzten Schritt ermöglichen, sagte zu dieser ganzen Sache der stellvertretende Vorsitzende der ODS Petr Necas.

Premier Spidla will die weitere Vorgehensweise bei Eigentumsstreitigkeiten nicht nur mit Rechtsanwälten, aber auch mit Politikern klären. Dazu will er heute mit den Vorsitzenden aller politischen Parteien zusammenkomen und auch mit den Vorsitzenden der Abgeordnetenclubs.

Eigener Bericht der Böhmen-Korrespondentin von MITTELEUROPA 2003-07-04

Frage:
Wie soll die Verfassung geändert werden? Sollen die Gerichte ihre Unabhängigkeit verlieren und weisungsgebunden politische Urteile fällen?
ML.

 

Dazu ein Kommentar von Martin Zverina, Chefredakteur von Lidove Noviny
Unsere Verfassung – nur ein Putzlumpen?
Der Premier will ein Gespräch mit den Repräsentanten aller anderen politischen Parteien über eine Verfassungsänderung führen. Die Art, wie Gerichte über Restitutionen und Nachkriegsdekrete entscheiden, mißfällt ihm sehr.
Die Motivierung, mit der der Premier diesen Grundsatzschritt ankündigt, also die Absicht, „Fehlinterpretationen von Gesetzen entgegenzuwirken“, hört sich in der Tat sehr bedrohlich an. Wenn Politiker beginnen, sich in die Arbeit von Gerichten einzumischen, entsteht immer eine bedenkliche Situation. Zum Glück sind die Reaktionen anderer Seiten nüchtern, und sie sehen auch nicht so aus, als würden sie die Hysterie des Premiers und des Kultusministers teilen.
Ehrlich gesagt, gefällt dem Premier insbesondere die Entscheidung des Gerichtes in Wildenschwert / Usti nad Orlici nicht. Dieses hat Franz Adalbert Kinsky das Eigentum über eineinhalb Hektar Waldgrundstückes zugesprochen. Dabei hat der Adelige eigentlich nur um die Feststellung des Eigentumsanspruchs angefragt. Es ging ihm in diesem Fall weder um Restitution noch um die Gültigkeit der Nachkriegsdekrete.
Sollte die Absicht des Premiers bestehen bleiben und sollten Politiker wirklich versuchen, Gerichten eine „Fehlinterpretation“ zu verwehren, bekommt unsere Verfassung den Ruf eines Schmutzlappens, mit dem eine jede politische Garnitur gerade das Loch im Boot stopfen will, welches sie im Augenblick als das größte ansieht.
Aus dieser Perspektive wäre allerdings unser Beitritt zu Europäischen Union ein strategischer Fehler. Diese Gemeinschaft, sie pflegt die Unabhängigkeit von Gerichten zu ehren.

Eigener Bericht der Böhmen-Korrespondentin von MITTELEUROPA 2003-07-04

Kommentar:
Solange sich in Tschechien auch solche Stimmen Gehör verschaffen können, bleibt ein Funken Hoffnung für eine gemeinsame Zukunft von Tschechen und Deutschen!
ML

===========Radio Prag 2003-07-04===============
Tschechien will Nachkriegs-Enteignungen juristisch absichern
Wegen eines Streits um Nachkriegs-Enteignungen will Tschechien das durch die sog. Beneš-Dekrete erworbene Eigentum juristisch für grundsätzlich unantastbar erklären lassen. Vertreter aller Parteien beauftragten bei einem Treffen am Freitag in Prag Justizminister Pavel Rychetsky, beim tschechischen Höchsten Gericht eine Richtlinie für Rückgabefälle zu beantragen. Spekulationen über eine Änderung der Verfassung nannte Regierungschef Vladimir Spidla „verfrüht“. Vermutlich in der nächsten Woche werden die Politiker erneut zu Beratungen bei Präsident Vaclav Klaus zusammenkommen.
Grund für die Aktivität ist eine Klagewelle des in Argentinien lebenden Frantisek Oldrich Kinsky. Der 66jährige will Immobilien und Grundstücke im Wert von etwa 1,3 Milliarden Euro zurückbekommen, die 1945 auf Grund der Dekrete konfisziert worden waren. Der Adlige hat 157 Klagen eingereicht, von denen er bereits einige gewonnen hat. Diese Urteile hatten Parteienvertreter als „Bruch der Dekrete“ bezeichnet und einen gesetzlichen Schutz der Enteignungen gefordert. 
Namhafte tschechische Juristen sehen in der politischen Initiative dagegen eine unzulässige Bevormundung unabhängiger Gerichte. Der Vizepräsident des Höchsten Gerichts, Pavel Kucera, sagte am Freitag der Nachrichtenagentur CTK, es läge nun an dem Justizminister, wie er seinen Antrag an das Höchste Gericht formuliere.
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Mein Eindruck: Raubsicherungspolitik um jeden Preis.
Eduard Beneš lieferte in seinem Haß auf alles Deutsche sein eigenes tschechisches Volk – und die Slowaken auch gleich dabei – den Sowjetkommunisten aus und stürzte das reiche Böhmen – trotz des Raubes der Sudetendeutschen Reichtümer – in unermeßliches Leid und hundertjährige Armut.
Wollen Spidla und seine Genossen in der tschechischen Regierung diesen Kampf gegen die Deutschen fortsetzen und wollen sie dafür sogar die so hochgelobten demokratischen Prinzipien einer unabhängigen Gerichtsbarkeit opfern? Wollen sie ihr tschechisches Volk in weitere hundert dunkle Jahre führen? Wie blind kann Deutschenhaß eigentlich machen?
ML 2003-07-04

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