======Radio Prag 2003-07-03================
Klaus plant Treffen von Spitzenpolitikern zu Fragen der Vergangenheit
Der tschechische Präsident Vaclav Klaus will laut Auskunft seines Sprechers ein Treffen von tschechischen Spitzenpolitikern einberufen, das sich mit bilateralen Fragen der Vergangenheit beschäftigen soll, die vor allem die tschechisch-deutschen Beziehungen betreffen. An der Gesprächsrunde sollen Premierminister Vladimir Spidla, der Vorsitzende des Senats, Petr Pithart und der Chef des Abgeordnetenhauses, Lubomir Zaoralek teilnehmen. Die politischen Diskussionen in Tschechien waren in letzter Zeit immer wieder von Fragen der tschechisch-deutschen Vergangenheit geprägt gewesen. Hierzu zählen unter anderem die Forderungen des bayrischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber nach einer Entschädigung für vertriebene Sudetendeutsche oder die jüngsten eigentumsrechtlichen Gerichtsentscheidungen rund um die Erbansprüche der Familie Kinsky. Ein Termin für das von Klaus einberufene Treffen steht noch nicht fest.

=======Radio Prag 2003-07-03================
Spidla strebt Verfassungsänderung zu Restitutionsfragen an
Premierminister Vladimir Spidla hat eine Expertengruppe damit beauftragt, unverzüglich eine Verfassungsnovelle auszuarbeiten, die fehlerhafte Gesetzesinterpretationen im Zusammenhang mit Restitutionsfragen und den sogenannten Benes-Dekreten verhindern soll. Gleichzeitig forderte Spidla Justizminister Pavel Rychetsky dazu auf, auf diesem Gebiet eine Vereinheitlichung der legislativen Bestimmungen anzuregen. Ähnlich wie Staatsoberhaupt Vaclav Klaus will außerdem auch Spidla ein Treffen von Spitzenpolitikern zum Thema Restitutionsfragen einberufen. An diesem sollen sich die Vorsitzenden der Parlamentsparteien und die jeweiligen Fraktionschefs beteiligen. Inhalt der Gespräche soll die weitere Vorgehensweise in der Abgeordnetenkammer sein.

=======Eigener Bericht der Böhmen-Korrespondetin für MITTELEUROPA 2003-07-03============
Die tschechische Presse berichtet in den Hauptseiten über den Restitutionsfall Franz Adalbert Kinsky. Das Gericht in Wildenschwert / Usti nad Orlici hat entschieden, daß Kinsky 1,5 ha Grundstücke des ehemaligen Eigentums der Adelsfamile vom tschechischen Staat zurückerhält. Kinsky führt darüberhinaus 157 Klageverfahren auf Herausgabe des einstmaligen Eigentums der Adelsfamilie in der Tschechischen Republik. Dazu gehören Waldgrundstücke in Kladno (Mittelböhmen), Rakonitz / Rakovnik (Nordböhmen) und Leitomischl / Litomysl (Ostböhmen), als auch das Palais Kinsky in Prag, in dem heute die Nationalgalerie untergebracht ist.

Die Logik des Anspruchs von Kinsky berühren die  Festlegungen der Beneš-Dekrete nicht. Kinsky, Geburtsjahr 1936, hat den Besitz der Familie nach einer Festlegung seines Urgroßvaters erworben. Nach einer gültigen Gesezgebung aus 1811 war es möglich, den Besitz einem noch nicht geboreren Nachkommen zu vererben. Dieses Gesetz sollte zu seiner Zeit das Verschwenden ererbten Eigentums durch die direkten Nachkommen ausschließen. Somit war nicht der Vater von Kinsky, der in der Tat der Henlein-Bewegung angehörte, der rechtmäßige Besitzer, sondern der damalige Urenkel des Erblassers, Franz Adalbert Kinsky.

Kinsky, zur Zeit der Konfiskation sudetendeutschen Eigentums 1945 noch ein Kind und demnach jeglicher Zusammenarbeit mit den Nazis nicht fähig, hat den o.g. Prozeß gewonnen.

Diese Gerichtsentscheidung ist Grund zu panikartigen Reaktion der tschechischen Regierung. Der Kultusminister Dostal hat ein Gipfelgespräch einberufen, auch Spidla äußert sich zu dem Thema. Die Regierungmitglieder versuchen, einen Einfluß auf die Verfassungshüter auszuüben, um ähnliche Vorfälle zu unterbinden. Der Kultusminister sagt, er wolle sich wehren, damit es auf gar keinen Fall möglich sei, Eigentumsverhätnisse, die nach dem Krieg entstanden sind, zu ändern.

Petruska Sustrova, die Kommentatorin der Lidove Noviny: »Die tschechischen Politiker sollten wissen, daß ein rechtmäßiges Urteil der Justiz bindend ist und das Zusammentreffen der Politiker den Verdacht nahelegt, sie wollten die Unabhängigkeit der Gerichte unterbinden.«

Siehe auch den vergleichbaren Fall DesFours-Walderode!
Und auch Colloredo-Mansfeld!

Fortsetzung