Gesetz über die Förderung der Auslands-Ungarn

Ungarisches Parlament verabschiedet Gesetz zur Förderung der Auslandsungarn
Nachbarländer sehen ihre staatliche Souveränität verletzt
Von Keno Verseck
Köln, den 20.6.2001 (DW-radio)

"Mit großer Mehrheit hat am Dienstag (19.6.) das ungarische Parlament ein umstrittenes Gesetz zur Förderung der Auslandsungarn verabschiedet.
Das Gesetz gewährt den in Ungarns Nachbarländern lebenden ungarischen Minderheiten eine Reihe von Sonderrechten in Ungarn. Für das so genannte Statusgesetz stimmten 306 Abgeordnete, 17 waren dagegen, 8 enthielten sich. Mit Ausnahme des liberalen Bundes Freier Demokraten sprachen sich alle Parlamentsparteien für das Gesetz aus – neben den Parteien der nationalkonservativen Regierungskoalition unter Führung der Ungarischen Bürgerpartei (MPP) auch die Sozialisten (MSZP, phon.: MßP) sowie die Rechtsextremisten (MIÉP).
Aus Ungarns Nachbarländern Rumänien und der Slowakei sowie von Seiten der Europäischen Union kam zum Teil scharfe Kritik an dem Gesetz.

Das Statusgesetz, das ab 1. Januar nächsten Jahres in Kraft tritt und für das noch eine Reihe von Ausführungsbestimmungen erarbeitet werden muß, gilt für die ungarischen Minderheiten in den Ländern Slowenien, Kroatien, Jugoslawien, Slowakei, Ukraine und Rumänien. Zusammen machen sie schätzungsweise zwischen 2,8 und 3,2 Millionen Menschen aus.
Darunter sind 1,6 Millionen im rumänischen Siebenbürgen, 600 000 in der Südslowakei, 300 000 in der serbischen Vojvodina, 200 000 in der Westukraine, 25 000 in Kroatien und 8 500 in Slowenien. Das Gesetz sieht zahlreiche Rechte für die Auslandsungarn vor, darunter eine schnelle, unbürokratische Einreise nach Ungarn, ein dreimonatiges Arbeitsrecht pro Jahr sowie Vergünstigungen im Kultur-, Gesundheits-, Bildungs- und öffentlichen Transportbereich.
Diese Privilegien sind strikt an die Zugehörigkeit zum Ungarntum gebunden. Minderheiten-Ungarn bekommen deshalb einen sogenannten 'Nationalbürger-Ausweis', der einem fälschungssicheren Personalausweis gleichen soll. Für die Vergabe dieser Ausweise werden in Ungarns Nachbarländern informelle Gremien ins Leben gerufen, denen ungarische Minderheiten-Politiker, Kirchenvertreter und andere öffentliche Personen der Minderheiten-Ungarn angehören. Vor einer solchen Kommission müssen sich Antragsteller unter anderem zum Ungarntum bekennen und ungarische Sprachkenntnisse unter Beweis stellen. Aufgrund einer schriftlichen Empfehlung der betreffenden Kommission wird der jeweils fünf Jahre gültige Nationalbürger-Ausweis von ungarischen Behörden ausgestellt. Nichtungarische Ehegatten oder Kinder aus Mischehen erhalten einen 'Nationalbürger-Zugehörigenausweis'.
Umstritten ist das Gesetz vor allem in Ungarns Nachbarländern, aber auch in der Europäischen Union und der OSZE. Vor allem die Regierungen Rumäniens und der Slowakei haben scharfe Kritik an dem Gesetz angemeldet und sehen es als 'uneuropäisch'. Insbesondere die Ungarn Rumäniens werden es wahrscheinlich sein, die aufgrund der schlechten ökonomischen Lage in ihrem Land das Gesetz in Anspruch nehmen werden.
Rumänien und die Slowakei sehen zum einen ihre staatliche Souveränität verletzt.
Ungarn habe ohne Konsultationen ein Gesetz verabschiedet, das sich auf die Bürger eines anderen Landes beziehe, kritisierte Rumäniens Außenminister Mircea Geoana (phon.: Mirtscha Dshoane) am Dienstag in äußerst scharfem Ton.
Rumänien und die Slowakei kritisieren auch, daß Ungarn auf ihrem Territorium Gremien im Zusammenhang mit der Vergabe des Nationalbürger-Ausweises bilden würden, informelle zwar, aber dennoch solche, die im Auftrag ungarischer Behörden arbeiten. Zum anderen kritisieren die beiden Länder, daß Ungarn rumänische und slowakische Bürger in zwei Klassen teile und damit geltende Diskriminierungsverbote unterlaufe, etwa der EU, der Ungarn beitreten wolle.
So ist in diesem Zusammenhang noch völlig unklar, wie zukünftige Visumsregelungen aussehen werden. Ungarn muß und wird als Vorbedingung für einen Beitritt zum Schengen-Abkommen der EU in den nächsten Jahren den Visumszwang für Länder wie Rumänien einführen. Den Inhabern des Nationalbürger-Ausweises will es zugleich eine unbürokratische, möglicherweise auf einem Dauervisum basierende Einreise gewähren. Wie das Problem gehandhabt werden soll, hat die ungarische Regierung bisher offen gelassen.
Kritik in Bezug auf Diskriminierung von Bürgern in Ungarns Nachbarländern haben auch Vertreter der EU und der OSZE in den vergangenen Wochen mehrfach geäußert und Ungarn dazu aufgefordert, mit den Nachbarländern Konsultationen über die Anwendung des Statusgesetzes zu beginnen. Die ungarische Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban hat zwar ihre Bereitschaft zu solchen Konsultationen erklärt, jedoch kaum Schritte in diese Richtung unternommen. Bei bisherigen Treffen mit Regierungspolitikern ungarischer Nachbarländer wiederholten ungarische Regierungspolitiker jedes Mal stereotyp, das Gesetz sei eine innerungarische Angelegenheit und biete keinen Anlaß zur Sorge für die Nachbarländer.
Tatsächlich hat die ungarische Regierung in den letzten Wochen mehrfach dazu beigetragen, die Situation zu verschärfen, etwa durch undiplomatische Äußerungen, die in den Nachbarländern für Unruhe sorgten. Diesen Äußerungen zufolge sei das Statusgesetz als 'Reparation für Trianon' zu betrachten. Durch den Vertrag von Trianon hatte Ungarn 1920 zwei Drittel seines Territoriums verloren. Auch eine Äußerung des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban sorgte für Aufsehen. Orban hatte gesagt, Ungarn brauche in den kommenden Jahrzehnten mehrere Millionen Einwanderer als Arbeitskräfte. Kritiker des Statusgesetzs mutmaßen, daß die nationalkonservative ungarische Regierung mit dem Gesetz ungarischstämmige Einwanderer ins Land holen und sich damit zukünftig eine Wählerbasis sichern will." (TS)

mitgeteilt über die RomaniaDE - http://sibiweb.de/romaniade
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