Prag/Brünn: (Zitiert nach dem Ostpreußenblatt 1993-01-16)

Ein Land sucht seinen Namen
Umgangssprachliche Bezeichnung der CR ist noch immer umstritten.
Daß Deutschland immer Deutschland heißen würde, unabhängig von seiner offiziellen Staatsbezeichnung, darüber bestand auch kurz nach dem Zusammenbruch der DDR und der sich abzeichnenden Vereinigung kein Zweifel im Lande. Lediglich die offizielle Staatsbezeichnung erregte damals kurze Zeit die Gemüter der Menschen – Deutsche Republik, Deutscher Bund, Deutsches Reich oder auch einfach nur Deutschland? – bis ihnen Technokraten und Rheinrepublik-Nostalgiker in ihrer gewohnten "Mies-wie-gehabt"-Manier die Arbeit abnahmen. So einfach werden es die Tschechen in ihrem neuen Staat wohl nicht haben. Die dortigen Technokraten haben die Arbeit zwar schon hinter sich, bevor sie begonnen hat – die offizielle Bezeichnung des Staates stand schon zu Zeiten der Föderation mit der Slowakei: Tschechische Republik, kurz CR. Ihnen fehlt eigentlich nur das neue Autokennzeichen, da "CR" schon von Costa Rica besetzt ist. Eine viel bohrendere und gänzlich ungelöste Frage jedoch ist der Rufname des neuen Staates. Einigen kritischen Geistern nämlich ist jetzt eingefallen, daß das schlichte "Tschechei" belastet sein soll: Schon zur Habsburger Zeit wurde es angeblich herablassend gebraucht und habe seinen Todesstoß endgültig mit der Hitler-Sentenz von der "Erledigung der Rest-Tschechei" erhalten.

In Prag hat man sich daher bereits daran gewöhnt, einfach von Böhmen zu sprechen und das Ganze zu meinen. Das wiedererwachte Selbstbewußtsein der Mährer treibt diese zu einem klaren Nein zu dieser Anmaßung, wie sie in Brünn gedeutet wird.

Wenn aber "Tschechei" als Kompromiß nicht akzeptabel sein sollte, dann dürfte das vom Reichsprotektorat vorverdaute "Böhmen und Mähren" schon erst recht als Unwort erscheinen. Und "Böhmische Länder", wenn auch historisch korrekt, läßt wieder einmal Mähren als Appendix erscheinen.

In Österreich hat man die Lösung offenbar schon gefunden: Dort ist allenthalben von "Tschechien" die Rede. Ein Wort, das allerdings sowohl in seiner deutschen wie in seiner tschechischen Fassung schon klanglich einen etwas mickerigen Eindruck hinterläßt. So bleibt denn wohl nur das, was im deutsch-tschechischen Grenzgebiet sowieso längst ohne historische Vorbehalte von Mund zu Mund geht: "Tschechei" –  und nichts weiter.
Jan Bremer

Übrigens ist der Name "Tschechien" nicht ganz neu: bereits bei Hanus Kuffners Pamphlet "Unser Staat und der Weltfrieden" taucht in der deutschen Fassung auf den Landkarten das Wort "Tschechien" auf – bereits (in der deutschen Ausgabe) 1922!
ML 2001-01-13