Ein Disput aus dem Forum Mitteleuropa, der besseren Lesbarkeit hier wiedergegeben:
nojo schrieb 2002-07-22:
Potsdamer Konferenz der Siegermächte hat u.a. bestimmt, daß die deutsche Nation für
verursachten Schäden Rechnung tragen müsse. Konferenz in Paris hat dann die Modalitäten
ausgearbeitet. Die beteiligten Staaten der Antihitlerkoalition haben u.a. bestimmt, daß
auch deutsches Eigentum auf ihrem Territorium zu konfiszieren ist. Nach tschechischen
Quellen erreicht der Wert des (sudeten)deutschen Eigentums
nicht die Höhe der durch Deutsche verursachten Schäden. Deutschland also hat nach
Tschechien noch zu zahlen, nicht umgekehrt.
Rechtsexperte Christian Tomuschat erklärt, daß die Eigentumsordnung in der Tschechischen Republik schon nicht mehr rückgängig sei:
Deutsche haben kein Anrecht weder nach dem tschechischen Recht, noch nach dem internationalen oder europäischem Recht. Es sind unbegründete Befürchtungen, mit denen die Angst künstlich geschürt wird. Sudetendeutsche haben keine Möglichkeit, ihr Eigentum zurückzufordern.
Zu Forderungen, Tschechien solle die Dekrete vor dem Beitritt in
die EU aufheben, urteilt Tomuschat, daß das, was 1945 geschehen ist, nicht als Maßstab
für Beurteilung heutiger tschechischen Rechtslage dienen kann.
Tomuschat ist Leiter des intern. und europäischen Rechts auf der Humbold'schen
Universität in Berlin. Schon vor Jahren ist er zum Schluß gekommen, daß trotz des
Unrechts bei der Aussiedlung den Sudetendeutschen keine individuelle Ansprüche für
erlittene Schäden zustehen.
Er hat u.a. auf die Entscheidung des deutschen Verfassungsgerichts verwiesen, wonach die Konfiskationen aus den Jahren 1945-49 in der ehemaligen sowjetischen Okkupationszone rechtsgültig sind. Es wäre höchst widersprüchlich, wenn die deutsche Rechtsordung einen strengeren Maßstab auf die Vorgehensweise in der Tschechoslowakei anwenden würde, als auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetzone, sagte er in der Zeit, als die deutsch-tschechische Deklaration 1997 vorbereitet wurde.
Einige Teilnehmer sind sich offenbar nicht dessen bewusst, daß es keine Vertreibungsdekrete gibt, von denen hier so voreingenommen geredet wird.
Grundsätzliche Entscheidungen zum Transfer der deutschen
Bevölkerung aus den befreiten Ländern wurden schon während des Krieges gefasst:
britische Regierung hatte die Entscheidung schon 1942 angenommen, 1943 hat sich ihr auch
die US-Regierung angeschlossen, die Freien Franzosen, und endlich auch die Sowjetunion.
Auch die Tschechoslowakische und polnische exil-Regierung hatten diese Auffasung
vertreten. Zu Kriegsende wurde dann nicht mehr ob, sondern in welchem
Ausmaße diskutiert. Die britisch-amerikanische European Advisory Commission hat in
der Aussiedlung der Deutschen aus Osteuropa eine positive Verwertung der Friedenspolitik
in Osteuropa gesehen.
Der Transfer hat also eine gesetzliche Stütze in den Beschlüssen der
Siegermächte-Konferenz zu Potsdam, wo im Kopf XIII. gesagt wird: ...drei
Regierungen haben diese Frage allseitig untersucht und anerkannt, daß die Abschiebung der
deutschen Bevölkerung oder ihrer Komponente die in Polen, Tschechoslowakei und Ungarn
verbleiben, nach Deutschland NOTWENDIG (hervorgehoben von N.) ist. Sie sind sich einig,
daß jedweder Transfer ordnungsgemäß und menschlich vonstatten gehen muß. Drei
Siegermächte haben sich auch verpflichtet, sich an der Aussiedlung organisatorisch zu
beteiligen, was auch geschehen ist. Diese Beschlüsse sind bis heute nicht aufgehoben
worden.
Dazu haben drei Präsidenten-Dekrete (schon tschechischer Provenienz) zusätzliche Normen
gebildet: Nr. 33 (über die Staatsbürgerschaft), 12 (landwirtschaftliches Eigentum), und
108 (Konfiskation des feindlichen Eigentums). Wenn in Sudetenkreisen also von
Benes-Dekreten geredet wird, dann können nur diese drei gemeint sein.
Und sicher auch das AmnestieGESETZ vom 8.5.1946. Das ist eigentlich der einzige Punkt, der
erhebliche Zweifel hervorrufen kann. -
Prof. Tomuschat erhebt da einige Vorwürfe zur tschechischen Rechtsauffasung, und von
einigen Diskussionsteilnehmern werden diese Einwände willig aufgegriffen, es wird laut
Mord bleibt Mord gerufen usw. Da muß aber auch gesagt werden, daß andere
Verbrechen, vor(!) dem Krieg, die das sudetendeutsche Freikorps an Tschechen verübt hat,
und die vom Hitler amnestiert wurden, bis heute in Deutschland nicht strafverfolgt wurden!
Dabei ist wohl wenig bekannt, daß mehrere Vertreibungsverbrechen bis die Machtübernahme
durch die von Deutschen herangeschleppten Kommunisten 1948 in der CSR gerichtlich verfolgt
worden sind, es waren etwa 40 Gerichts-Fälle.
Darauf antwortet Dr. Karwiner:
Anders als nojo behauptet, ist laut Prof. Tomuschat nicht nur das Amnestie-Dekret, sondern auch das Konfiskationsdekret
[und weiteres und drittes] mit
dem Völkerrecht unvereinbar.
Der Rechtsexperte Tomuschat ist ein denkbar schlechter Kronzeuge für nojos
These, daß die Eigentumsordnung in der Tschechischen Republik nicht mehr
rückgängig zu machen sei. Der Tenor des Gutachtens von Tomuschat besagt eindeutig,
daß die im Zuge der Vertreibung erfolgten Enteignungen nach den international gültigen
Maßstäben des Völkerrechts ein klares Unrecht darstellen, allerdings ein schwer
revidierbares, weil es an Präzedenzfällen mangelt und die Zuständigkeit der Gerichte
unklar ist. D. h. Prof. Tomuschat stellt lediglich fest, daß die Restitution des
konfiszierten Eigentums gewisse juristische Probleme bereiten würde, die aber nicht
prinzipieller Natur, sondern nur formaljuristischer Art wären.
In Prof. Tomuschats neuestem Gutachten vom Mai 2002 lassen sich Schlußfolgerungen
bezüglich der grundsätzlichen Irreversibilität der Konfiskationen nicht finden. Es gibt
dagegen in seinem Aufsatz genügend Passagen, die nojos Behauptungen
widerlegen. Deshalb seien an dieser Stelle einige Abschnitte aus Tomuschats neuester
Untersuchung der völkerrechtlichen Aspekte besagter Dekrete zitiert und kommentiert.
(Quelle: Tomuschat, Christian »Die Bene-Dekrete ein Hindernis für die
Aufnahme der Tschechischen Republik in die Europäische Union« Referat, gehalten im
Mai 2002 in Prag im Rahmen eines von der Friedrich-Ebert-Stiftung veranstalteten
Kolloquiums):
(Alle Kommentare und Hervorhebungen von Karwiner)
Bereits in einem früheren Gutachten kam Prof. Tomuschat zu dem Schluß, daß die
Benesch-Enteignungsdekrete nicht nur heute, sondern schon 1945/46 mit dem international
gültigen Völkerrecht unvereinbar waren. Er schreibt: Zweckmäßigerweise ist der
Blick zunächst auf die EIGENTUMSLAGE zu richten. In einem schon einige Jahre
zurückliegenden Gutachten hat der Verfasser dieser Zeilen sich darum bemüht, den
Nachweis zu führen, daß die tschechoslowakischen Konfiskationsmaßnahmen gegen geltende
Regeln des Völkerrechts verstießen und auch seinerzeit nicht zu rechtfertigen
waren. Prof. Tomuschat weist darauf hin, daß das Europäische Parlament
(bekanntlich die demokratische Repräsentation der EU-Länder und daher der in dieser
Frage zögerlichen Europäischen Kommission institutionell übergeordnet) die Aufhebung
bestimmter Benesch-Dekrete fordert. Das Europäische Parlament hat in seinem Beschluß vom
15. April 1999 ,,über die Fortschritte der Tschechischen Republik auf dem Weg zum
Beitritt in die EU die tschechische Regierung aufgefordert (Nr. 7), ,,FORTBESTEHENDE
GESETZE UND DEKRETE AUS DEN JAHREN 1945 UND 1946 AUFZUHEBEN, SOWEIT SIE SICH AUF DIE
VERTREIBUNG VON EINZELNEN VOLKSGRUPPEN IN DER EHEMALIGEN TSCHECHOSLOWAKEI BEZIEHEN.
(also ganz klar auf das Amnestiegesetz und die Konfiskationsdekrete).
Nojo rechtfertigt die Vertreibung u. a. mit der Behauptung, daß sie ihre
gesetzliche Stütze in den Beschlüssen der Siegermächte auf der Konferenz zu
Potsdam habe. Er beruft sich auf grundsätzliche Entscheidungen dieser
Mächte, die sich darin einig gewesen seien, daß die Abschiebung der deutschen
Bevölkerung oder ihrer Komponenten, die in Polen, Tschechoslowakei und Ungarn verbleiben,
nach Deutschland notwendig war und daß jedweder Transfer ordnungsgemäß und
menschlich vonstatten gehen muß.
Hier wird eine Legalität konstruiert, die es aus mehreren Gründen
nie gegeben hat.
1.
nojos Konstrukt von der Legalität d. h. von der gesetzliche
Stütze der Vertreibung durch die Potsdamer Konferenz ist vor allem deshalb
unhaltbar, weil es evident ist, daß sowohl der von den Siegermächten verfügte
Bevölkerungsaustrieb als auch die damit verknüpfte Annexion uralten deutschen
Territoriums naturgemäß keine Gesetze waren, sondern Willkürakte der
Siegermächte (Siegerjustiz), welche die politische und militärische Ohnmacht
der Deutschen nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht ausnutzend ohne
Rücksicht auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker die Grenzen in Mitteleuropa neu
festlegten. Es ist völlig abwegig, hier von einer gesetzlichen Stütze zu
sprechen. Die Potsdamer Vertreibungsbeschlüsse waren (und sind) mit den Fundamentalnormen
des Völker- und Menschenrechts unvereinbare Vergeltungsakte, gedacht zur kollektiven
Bestrafung des deutschen Volkes eine Zwangsmaßnahme, die jedoch nur
die ostdeutsche Bevölkerung traf. Doch Kollektivstrafen sind mit den genannten
fundamentalen Grundrechten unvereinbar.
2.
Wie wir wissen, ging diese euphemistisch Transfer genannte Austreibung weder
ordnungsgemäß noch menschlich vonstatten, sondern gewaltsam und
blutig., also wider die Normen der Menschenrechte. Da die Beschlüsse von
Potsdam die Attribute ordnungsgemäß und human als conditio sine qua
non (unverzichtbare Bedingung) des Bevölkerungstransfers voraussetzen (dies muß im Sinne
der Siegermächte unterstellt werden), dieser Transfer jedoch gewaltsam und
brutal vollzogen wurde, so daß er den Charakter eines Völkermordes annahm (2,5 bis 3
Millionen Tote), war er schon aus diesem Grunde illegal und rechtswidrig. Ganz abgesehen
davon verstieß (und verstößt) diese von tschechischer Seite
Entgermanisierung genannte ethnische Säuberung das war die
Vertreibung und nichts anderes wesensmäßig gegen die weltweit anerkannten Normen
des Völker- und Menschenrechts.
Tomuschat erinnert an den uralten juristischen Grundsatz: ex iniuria ius non
oritur, auf Deutsch: DURCH EINEN UNRECHTSAKT KANN KEIN NEUES RECHT ENTSTEHEN. Das
heiß wiederum: da die Konfiskationsdekrete auf dem Unrecht der Vertreibung basieren und
mit der Vertreibung unmittelbar verknüpft sind, können sie kein neues Recht schaffen und
sind deshalb nach international gültigen Rechtsnormen illegal. Daraus folgt konkret: aus
den Enteignungsdekreten können keine neuen (tschechischen) Eigentumsrechte abgeleitet
werden. Dazu schreibt Prof. Tomuschat: ... auch die Alliierten Siegermächte waren
nicht in der Lage, über das allgemeine Völkerrecht zu disponieren. Faktisch stellten sie
im Jahre 1945 eine Art Weltdirektorium dar, einen Vorläufer des Sicherheitsrates, dessen
Einsetzung auf der Konferenz von San Francisco gerade vereinbart worden war. Aber
rechtlich mußten auch sie sich innerhalb des Rahmens bewegen, den gerade das humanitäre
Recht schon relativ eng gezogen hatte. Gerade die beschlossene ,,Überführung der
deutschen Bevölkerung aus den Ostgebieten, die zu millionenfachem Tod führte, ließ sich
nicht mit den seinerzeit geltenden Regeln vereinbaren. (S.13)
Soweit zu nojos These von der gesetzlichen Stütze.
Tomuschat fordert die Tschechische Republik auf, sich ihrer Vergangenheit zu stellen. Er
schreibt: Jede Verletzung allgemein anerkannter internationaler Normen wirft
automatisch die Frage nach der gebotenen Wiedergutmachung und den zu verhängenden
Sanktionen auf. Deutschland wurde zunächst durch den Nürnberger Prozeß und seine Folgen
gezwungen, sich seiner Vergangenheit zu stellen, und hat dies später im demokratischen
Rechtsstaat der BRD aus freien Stücken getan DIE TSCHECHISCHE UND DIE SLOWAKISCHE
REPUBLIK MÜSSEN DIES EBENFALLS TUN. Dabei handelt es sich nicht allein um eine politische
Frage. Das moderne Völkerrecht hat vielmehr Maßstäbe entwickelt, die für alle
Mitglieder der internationalen Gemeinschaft verbindlich sind. Andererseits lautete
eine der Schlußfolgerungen von Tomuschats Gutachtens, daß den deutschen
Forderungen wegen der massiven Untaten des Dritten Reiches auf jeden Fall Gegenansprüche
der tschechischen Seite gegenüberstünden, so daß eine politische Abwägung, die unter
die Vergangenheit einen Schlußstrich ziehen wolle, weder politisch noch rechtlich
kritisiert werden könne.
Kommentar:
Der Wert des konfiszierten sudetendeutschen Eigentums
übersteigt die durch die NS-Herrschaft verursachten Schäden in der ehemaligen Tschechei
um Zehnerpotenzen, wie verschiedene Hochrechnungen ergeben haben (vgl. z.B. die
Publikationen von Hans Neuhoff, Hugo Teisinger, Rolf Kosiek). Der bekannte Kultursoziologe
Karl A. Wittfogel stellt in seinem bahnbrechenden Hauptwerk DIE ORIENTALISCHE
DESPOTIE fest, daß willkürliche Konfiskation von privatem Eigentum ein typisches
Merkmal despotischer Herrschaft darstellt. War die CSSR im Jahre 1946 noch eine Demokratie
nach westlichen Muster oder doch bereits eine von der UDSSR gestützte Despotie?
Tomuschat verweist auf die von den Völkerrechtlern Felix Ermacora und Dieter Blumenwitz
verfochtene These, wonach die Konfiskationen nicht isoliert betrachtet werden
dürften, da sie Teil des politischen Gesamtplans Vertreibung gewesen seien.
Berücksichtige man diesen Kontext, so müsse man zu der Schlußfolgerung kommen, daß
auch die Konfiskationen zu einem tatbestandlichen Bild des Völkermordes gehörten. Daraus
wird nun die weitere Folgerung abgeleitet, daß angesichts der Schwere der Tat, die im
heutigen Völkerrecht als international crime qualifiziert werde, die
Eigentumsentziehungen im Hoheitsgebiet des früheren tschechoslowakischen Staates nicht
wirksam geworden seien. Kein Staat sei befugt, die tatsächlichen Folgen einer
Völkermordaktion anzuerkennen, im Gegenteil bestehe eine Verpflichtung aller Staaten,
alles zu tun, damit der rechtmäßige Zustand wiederhergestellt werde. Tomuschat
distanziert sich vorsichtig von dieser Völkermord-These, weil wenig dafür anzuführen
sei, daß der damalige tschechoslowakische Staat institutionell die Absicht verfolgt
hätte, zu Lasten der Sudetendeutschen einen Völkermord zu begehen, so wie in den Jahren
zuvor das nationalsozialistische Deutschland einen Völkermord an den Juden verübt
hätte. Es spreche aber vieles dafür, daß im Zuge der Vertreibung der
Sudetendeutschen von einzelnen Tätern Akte des Völkermordes begangen worden sind.
(S.8/9)
Also Völkermord ja oder
nein?
Die Einstufung der Vertreibung als Genozid ist in der Wissenschaft umstritten. Die
Völkerrechtler Ermorca und Blumenwitz bejahen diese Frage, Tomuschat antwortet mit einem
jein. Betrachtet man den Akt der Vertreibung der Ostdeutschen in seiner
Totalität (15 Millionen Vertriebene) und in der Art und Weise seiner Durchführung
(gewaltsam und blutig; ca. 2,5 bis 3 Millionnen Tote), so muß von Völkermord gesprochen
werden, an dem aber neben den Polen und Tschechen auch die Siegermächte beteiligt waren.
Die von der Potsdamer Konferenz verfügte Auflage, den Bevölkerungstransfer human
und ordnungsgemäß durchzuführen, diente den Siegern offensichtlich nur als
moralisches Feigenblatt für diesen als Kollektivstrafe gedachten Vertreibungsakt, den sie
aufgrund ihrer logistischen, personellen und materiellen Möglichkeiten durchaus hätten
human durchführen können, wenn sie es wirklich gewollt hätten. Hinzu kommt, daß die
Vertreibung nach einem von den Potsdamer Mächten beschlossenen Generalplan vollzogen
wurde, der die ethnische Säuberung der Ostgebiete von der Deutschen vorsah.
Damit erfüllt die Vertreibung die wesentlichsten Kriterien, die an die Definition des
Völkermordes gestellt werden (vgl. den Kriterienkatalog in der Konvention über die
Verhütung und Bestrafung des Völkermordes vom 9. Dezember 1948).
Natürlich war die Vertreibung kein Genozid im Stile der Shoa, d.h. von einem kriminellen
Regime geplanter, organisierter und mit Hilfe des Staatsapparates systematisch vollzogener
Völkermord. Es geht aber nicht an, den in seiner Art einmaligen Genozid an den Juden als
einzigen Maßstab für die Definition eines Völkermordes gelten zu lassen. Wenn es heute
unstrittig ist, daß die blutige Vertreibung der Armenier aus ihrer Heimat in der
Westtürkei durch die Türken (1,5 Millionen Tote), die Verbrechen der Roten Khmer in
Kambodscha (ca. 1,5 bis 2 Millionen Tote) und die Massaker der Hutus an den Tutsis in
Ruanda (ca. 800.000 Tote) als Völkermorde zu bezeichnen sind, so kann man auch nicht
umhin, die blutige Vertreibung der 15 Millillionen Ostdeutschen aus ihrer angestammten
Heimat als Genozid zu qualifizieren.
FAZIT: Akzeptiert man die Prämisse Völkermord für die
Vertreibung der Ostdeutschen und nach Faktenlage muß man es tun , so sind
die Konfiskationen des sudetendeutschen Eigentums als Folgen bzw. Resultate dieses als
international crime zu wertenden Unrechts UNWIRKSAM.
nojo 2002-08-01
Ihre Behauptung, daß alle Vergeltungsmaßnahmen durch das Amnestiegesetz vom 8. Mai 1946 für straffrei erklärt worden
sind, entspricht nicht der Wahrheit, weil in dem Gesetz nur von einer gerechten
Vergeltung die Rede ist. Also nicht jedwede, sondern nur eine gerechte
Vergeltung straffrei wurde. Sodaß alle Taten, die dieser Bedingung nicht entsprochen
haben, strafbar geblieben sind.
Inwieweit in dem Nachkriegschaos, bei fehlender Sicherheitsstruktur in den Grenzgebieten,
in einer Zeit wo deutsche Grausamkeiten erst nach und nach hervorkamen und die
tschechische Bevölkerung noch von fanatischen deutschen Gruppen terrorisiert wurde, eine
gerechte Vergeltung angewandt wurde und vieviele Gewalttaten nicht als
gerecht einzustufen gewesen sind, darüber kann man streiten, ja. Prinzipiell
aber wurde dem Recht Genüge getan. Und mindestens teilweise auch real:
Nach Anzeigen aus der Bevölkerung wurde 1947 eine parlamentarische
Untersuchungskommission errichtet, die ausdrücklich Verbrechen an DEUTSCHEN untersuchte.
Etwa 40 solche Fälle wurden dann bis zum gerichtlichen Urteil geführt. Was für Urteile
es waren, ist mir nicht bekannt. Dem tschech. regierungs-Rechtsexperte Pavlicek nach sind
diese Urteile in der Slg. des tschechoslowakischen Obersten Gerichtes publiziert worden,
teilweise sogar noch nach der Machtübernahme durch Kommunisten 1948
Antwort Karwiner:
nojo hat wiederholt geäußert, daß mehrere
Vertreibungsverbrechen bis zur Machtübernahme der Kommunisten 1948 in der CSR gerichtlich
verfolgt worden seien, angeblich etwa 40 Gerichts-Fälle. Dies erscheint aus
mehreren Gründen als äußerst unwahrscheinlich:
1.
Das Gesetz vom 8. Mai 1946 amnestiert
rückwirkend alle Vergeltungsmaßnahmen an den Deutschen vom
30. September 1938 bis zum 28. Oktober 1946 und erklärt sie für »nicht
widerrechtlich«, so daß sich jeder Angeklagte auf dieses Dekret hätte berufen
kann.
2.
Es ist äußerst unwahrscheinlich, daß in der haßerfüllten, extrem deutschfeindlichen
Atmosphäre der unmittelbaren Nachkriegszeit die Justiz der CSR tschechische Bürger wegen
verbrecherischen Racheakten an Deutschen vor Gericht gestellt hat. Solche Prozesse wären
damals vom tschechischen Volk nicht akzeptiert worden.
3.
Wenn es irgendwelche Prozesse im Zusammenhang mit Vertreibungsverbrechen gab, so handelte
es sich vermutlich um solche Fälle, wo versehentlich Tschechen oder deutschsprachige
Juden durch übereifrige Täter zu Schaden kamen.
Deshalb die Aufforderung an nojo: belegen Sie bitte an Hand von
Dokumenten Ihre Behauptung von den 40 Prozessen gegen Vertreibungsverbrecher und
informieren Sie uns darüber, wer, wann, wo und warum zur Verantwortung gezogen wurde, und
vor allem, wie die Urteile ausfielen.
Karwiner
Ungesühnte Vertreibungsverbrechen Karwiner 2002-08-02
Doch was sind einige Gerichtsverfahren, selbst wenn sie
stattgefunden haben sollten (was, wie gesagt äußerst zweifelhaft ist!) gegen
Zehntausende von ermordeten Vertreibungsopfern. Herr nojo, zur Erinnerung: die
Tschechen haben 1945 im Zuge der wilden Vertreibungen (dazu unten!)
Abertausende von Sudetendeutschen: Greise, Frauen und Kinder, bei Todesmärschen
umgebracht (z.B. Brünn), in Massakern ermordet (z.B. Aussig) und in Todeslagern (z.B.
Olmütz Hodolein) gefoltert und verhungern lassen. Solche Verbrechen haben nach
international gültigem Recht die Qualität eines Völkermords. Während Hitler und seine
Mordgesellen für ihre Untaten schon lange in der Hölle schmoren und viele weitere
Nazi-Täter zuerst von den Siegermächten und ihren Satrapen (Polen und CSR) und dann von
deutschen Gerichten zu Todes- und Zuchthausstrafen verurteilt wurden, laufen in Tschechien
die Mörder und Folterer von damals unbehelligt von der Justiz immer noch frei herum. Das
ist eine Schande für das demokratische Tschechien und ein unüberwindbares Hindernis für
eine Versöhnung zwischen Deutschen und Tschechen. Nur nach der gerichtlichen Sühne der
Vertreibungsverbrechen kann eine echte Versöhnung gelingen. Im übrigen ist die bis heute
unterlassene Strafverfolgung der Täter eine schwere Hypothek für die Zukunft, eine
moralische Bürde, welche die Tschechische Regierung offenbar in die EU hineinzuschleppen
gedenkt.
Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusehen, daß ohne die Aufhebung der
Benesch-Dekrete und ohne die gerichtliche Ahndung der Vertreibungsverbrechen potentielle
Wirtschaftsinvestoren mit einer Niederlassung in der tschechischen Republik sehr
zurückhaltend sein werden. Denn welcher Investor kann diesen Schritt wagen, wenn durch
das Weiterbestehen des Straffreiheitsgesetzes und die Legalisierung der Enteignungen durch
die Bene-Dekrete eine fatale Botschaft an die nachgewachsenen Generationen
der Tschechen vermittelt wurde? Dieses Vermächtnis lautet: Ihr könnt unliebsame
Minderheiten foltern, morden und euch ihr Eigentum aneignen, wenn ihr dazu die Macht habt;
ihr könnt wehrlose Minoritäten ausrauben und verjagen, wenn es euch paßt. Niemand wird
euch dafür zur Verantwortung ziehen!
Jiri Sitler, tschechischer Botschafter in Bangkog, schreibt in der FAZ vom 16. Juli 2002,
daß die Ahndung dieser Verbrechen nicht mit dem Bene-Amnestie-Dekret
zusammenhänge; wörtlich: Auch heute steht der Ahndung kein
Straffreiheitsgesetz entgegen. Ja, wenn das so ist, Herr
nojo, warum wurden dann von der tschechischen Justiz bis heute keine
Ermittlungsverfahren gegen die noch lebenden Täter in Gang gesetzt?
Erfreulicherweise werden nojos stereotypen, aus
volksdemokratischer Zeit stammenden Argumentationsmuster inzwischen von
aufgeklärten tschechischen Historikern zugunsten einer vorurteilsfreien Historiographie
aufgeben. Nicht nur Vaclav Havel hat das Unrecht der Vertreibung beim Namen genannt und
von tschechischer Schuld gesprochen und damit die Revision des in der CSSR gepflegten
Geschichtsbildes eingeleitet. So sagte z. B. der Prager Politologe Rudolf Kucera kürzlich
über das Unrecht der Bene-Dekrete in einem Interview.: Die
Bene-Dekrete, die 1945 vom tschechischen Staatspräsidenten Edvard Bene
erlassenen Rechtsverordnungen zur totalen Entrechtung der Sudetendeutschen, verstoßen
sowohl gegen die Menschen- wie auch gegen die Bürgerrechte der ehemaligen deutschen
Bürger der CSR. ... ... ... die Tradition des Rechtsstaates, auf die sich auch die
damalige CSR berief, verbietet Enteignung ohne Ersatz und Vertreibung nur wegen
Nationalität und Sprache, so daß mit Recht von einer Verletzung der Menschenrechte
gesprochen werden kann.
Stimmen wie diese allerdings bislang nur eine Minorität in Tschechien
zeigen, daß auch hier der Prozeß der Aufarbeitung der dunklen Kapitel der Geschichte
vorankommt. Dies belegt auch ein neues Buch aus der Feder des tschechischen
Zeitgeschichtlers Tomas Stanek (Titel: VERFOLGUNG 1945), das Ergebnis eines
verdienstvollen Projektes, das aus den Hauhaltsmitteln des tschechischen Staates
finanziert wurde so Jiri itler, tschechischer Botschafter in Bangkok. Stanek
räumt auf mit der These, daß es sich bei den Vertreibungsverbrechen um spontane
Volksrache gehandelt habe, ohne planmäßige staatliche Initiative. Das Gegenteil
ist richtig: von Anfang an waren auch die wilden Vertreibungen ein Werk
BEWUSSTER STAATLICHER INITIATIVE. In einer Rezension dieses Buches in der FAZ vom. 2. Juli
2002 schreibt Friedrich Prinz: Damit stellt sich jedoch eine prinzipielle Frage, die
dem Begriff der wilden Vertreibung gilt, der als generelles Phänomen allzu
leicht als eine verkappte Art von Entschuldigung mißverstanden werden kann. In der
Realität erweist sich aber dieser Begriff als eine allzu plakative Vorstellung, die eine
Spontaneität der Austreibungen seit Mai 1945 auch dort suggeriert, wo wie im Falle von
Aussig unter dem Vorwand angeblicher Werwolfaktivitäten wahrscheinlich Prager
Rollkommandos beziehungsweise durch General Svobodas persönliche Initiative mit
äußerster Brutalität ans Werk gegangen wurde. Mit anderen Worten: Die wilden
Vertreibungen waren von Anfang an auch ein Werk bewußter staatlicher Initiative, an
denen Eduard Bene in seinen aufpeitschenden öffentlichen Reden maßgeblich
beteiligt war. Die Planmäßigkeit seiner Austreibungspolitik geht schon aus seinem
Verhalten gegenüber dem sudetendeutschen sozialdemokratischen Exil hervor, dessen er sich
nur so lange bediente, bis er sein Transferprojekt gesichert hatte, danach kam der große
Fußtritt für die deutschen Sozialdemokraten. ... ... ... Prinz fährt fort:
... abgesehen von der Sondersituation Prags im Mai kann von einer allgemeinen
Bewegung der spontanen Volksrache gegen die deutschen Gebiete nur sehr bedingt die Rede
sein, sondern daß der Odsun von Anfang an eine von der provisorischen
Regierung massenpsychologisch und organisatorisch angeheizte Aktion
war.
nojo 2002-07-26:
Bin einige Zeit weggewesen, erst heute bin ich zurückgekehrt.
Herr Karwiner, Ihre ganzen Bemühungen sind leider fehl am Platze, weil all die
Nachkriegsordnung steht und fällt mit den grundsätzlichen Entscheidungen der
Siegermächte in Potsdam, und der Antihitlerkoalition in Paris.
Sodaß Ihre Angriffe, mit denen Sie die tschechische Rechtslage unterhöhlen möchten,
sich eigentlich gegen die Ergebnisse des Krieges richten, die diese Konferenzen in ihren
Beschlüssen international verbindend festgelegt hatten. -
Es ist ein starker Tabak, wenn Sie USA, Grossbritannien und Russland des Unrechts
bezichtigen. Das ist eine Ablehnung ihrer Entscheidungen, die ein bedingungslos
kapituliertes Deutschland nur bedingungslos anzunehmen hatte!
Damit -wenn dies die Ansicht breiterer Schichten der SD sein sollte- wird der Streit um BD
zum Streit um die Ergebnisse des II. Weltkriegs.
Übrigens, die Einstellung der Siegermächte hat sich bis heute nicht geändert - siehe
die offizielle Note der US-Regierung an die `CR vom 12. 7. 2000, wo die Rechtslage
betreffend das ehem. (sudeten)deutsche Eigentum bestätigt wird. Später haben auch
Russland und GB denselben Standpunkt geäussert. Daran zu nagen und drehen ist
aussichtslos, tut mir leid.
Dr. Karwiners Antwort 2002-08-04
Tut mir leid, Herr nojo, aber Sie bringen da etwas
durcheinander: das eine ist der rechtliche und moralische Aspekt der Vertreibung der
Ostdeutschen und das andere die politische und territoriale Realität, wie sie durch die
Siegermächte 1945 geschaffen wurde. Mir geht es nur um Ersteres, nämlich um die
JURISTISCHE Bewertung der Deportation. Die Rechtslage ist hier eindeutig: Ethnische
Säuberungen, nichts anderes war die Vertreibung verletzen das
humanitäre Völkerrecht und stellen ein Kriegsverbrechen dar, welches heute vor dem
Internationalen Gerichtshof in Den Haag geahndet würde. In der Tat befanden sich die
Siegermächte im Unrecht, die damals nur über ein Recht geboten, nämlich das Recht
des Stärkeren, ein archaisches Recht, das bei zivilisierten Völkern innerstaatlich
schon lange verpönt ist (vgl. Artikel 49 des Genfer Abkommens zum Schutze von
Zivilpersonen).
Nochmals: Die blutige Vertreibung der Ostdeutschen war und ist ein Mega-Verbrechen, ein
massives Unrecht, weil sie in eklatanter Weise gegen die fundamentalen Normen des Völker-
und Menschenrechts verstieß. Nach Ansicht führender Rechtsexperten wie z. B. Prof.
Tomuschat hätten sich auch die Siegermächte nicht über das Völkerrecht hinwegsetzen
dürfen (s. oben). Eine juristische Konsequenz aus diesem Faktum ist, daß die auf dem
Unrecht der Vertreibung basierenden Bene-Präsidialdekrete, soweit sie Amnestie,
Zwangsausbürgerung und entschädigungslose Enteignung betreffen, RECHTLICH unwirksam sind
(Grundsatz: Aus Unrecht kann kein Recht erwachsen.)
Davon klar zu trennen ist die POLITISCHE Realität. Herr nojo, es ist wirklich
starker Tobak, daß Sie mir unterstellen, die Ergebnisse des II. Weltkrieges
sie meinen offenbar bezüglich der Staatsgrenzen revidieren zu wollen.
Nichts liegt mir ferner. Niemand will die territoriale Integrität der CSR oder Polens in
Frage stellen, schon gar nicht die Sudetendeutschen, die schon vor Jahrzehnten auf
Vergeltung und Gewalt verzichtet haben (Charta
von 1950).
Allerdings sind die Vertriebenen nicht bereit, auf ihr unveräußerliches Völker- und
Menschenrecht zu verzichten. Nur darum geht es, Herr nojo. Sie brauchen sich
daher auch nicht hinter den ehemaligen Siegermächten zu verstecken, die Sie hier als
Garanten der geltenden Ordnung anrufen. Falls das international anerkannte Völkerrecht
allerdings mit irgendwelchen tschechischen Interessen kollidieren sollte, dann haben Sie
in der Tat ein Problem. Aber das ist nicht mein Bier.
Ihre Unterstellung dient offenbar dem Zweck, alte Ängste zu schüren und bei Ihren
Landsleuten Furcht vor angeblichem deutschen Revanchismus zu wecken. Dies erinnert an
altbekannte Propaganda-Klischees, wie wir sie aus kommunistischen Zeiten nur allzu gut
kennen.
Karwiner
Nachsatz ML 2002-08-04:
Ich bin gerne bereit, weitere Argumente hierzu zu veröffentlichen. Mir selbst kribbelt es
in den Fingern, leider fehlt mir die Zeit, alle meine Anmerkungen zu machen. Zum Beispiel
über die ungesühnten Morde 1918/1919 der tschechischen Eroberungstruppen im Sudetenland
oder die der tschechischen Milizen und Garden vom 4. März 1919, zusammen mehr als 70
Menschen.
Zum Beispiel über das völkerrechtmäßige Zustandekommen des Münchener Abkommens und
die Unverschämtheit eines (1939) abgedankten ehemaligen Staatspräsidenten, die
Sudetendeutschen als illoyale Bürger der CSR zu bezeichnen und darum bestrafen zu wollen.
Zum Beispiel über das überaus fragwürdige Gesetzgebungsverfahren des Herrn Bene
bis 1946 hinein.
Zum Beispiel über die horrenden Zahlen, die jüngst ohne jegliche diskutable
Grundlage über von Deutschen verursachte Schäden in Tschechien herumgeistern.
Zum Beispiel über nojos abenteuerliche Behauptung, die Deutschen hätten die
Sowjets nach Prag geführt. Bene selbst hat sie doch angelockt, hat den Russen
tschechische Soldaten zugeführt, und die Russen kamen nicht etwa in deutschen
Omnibussen, sondern in amerikanischen Armeestiefeln, von denen Uncle Sam ihnen ca 15 417
000 Paare kostenfrei vor die (Murmansker) Haustür gestellt hatte.