Bekanntmachung des Finanzministeriums vom 22. Juni 1945,
Gesch.Z. 461/45-IV/5 über die Sicherstellung des deutschen Vermögens.
Nr. 12

Das Finanzministerium verordnet gemäß § 23 Abs. 1 der Regierungsverordnung vom 23. Juni 1939, Slg. Nr. 155, durch die eine Devisenordnung erlassen wird:

I.

§ 1
Auszahlungen oder Überweisungen aller Art aus Einlagen oder Konten, welche bei den Geldinstituten für Deutsche, für deutsche Unternehmungen und deutsche Institutionen gleich welcher Art geführt werden, sind verboten. Ausnahmen können nur das Finanzministerium oder die von ihm ermächtigten Behörden bewilligen.

§ 2
(1) Eine solche Bewilligung ist nicht erforderlich für Auszahlungen von Konten deutscher Unternehmungen, wenn es sich um die Deckung der tatsächlichen Betriebskosten dieses Unternehmens handelt, deren Notwendigkeit dem die Auszahlung vornehmenden Geldinstitut durch die Vorlage von glaubhaften Belegen nachgewiesen wird.

(2) Das die Auszahlung vornehmende Geldinstitut ist verpflichtet, die Ausführung der Auszahlung auf dem vorgelegten Beleg zu vermerken und ein Verzeichnis der Auszahlungen zu führen.

§ 3
Jegliche Übertragung inländischer Einlage-(Spar-)Bücher und Einlagescheine, welche Deutsche (deutschen Unternehmungen oder deutschen Institutionen) gehören, auf andere Personen ist verboten. Ausnahme können nur das Finanzministerium oder die von ihm ermächtigten Behörden bewilligen.

 

II.

§ 4
Entnahmen und Schließfächern und Depositen, wie auch die Entnahme von Kautionen, welche Deutsche (deutsche Unternehmungen und deutschen Institutionen) gehören, sind verboten.

Ausnahmen können nur das Finanzministerium und die von ihm ermächtigten Behörden bewilligen.

 

III.

§ 5
(1) Sämtliche Zahlungen zugunsten von Deutschen (von deutschen Unternehmungen und deutschen Institutionen) dürfen nur auf ein Sperrkonto des Empfängers bei irgendeiner Geldanstalt erfolgen, welche dazu vom Finanzministerium ermächtigt wird.

(2) Einer solchen Ermächtigung bedürfen Devisenbanken mit tschechischer Verwaltung nicht.

§ 6
Von der Hinterlegung auf ein Sperrkonto (§ 5) sind befreit fällt, in
a) Auszahlungen von Löhnen, Dienstbezügen und Pensionen, wie auch der Kranken., Invaliden- und Sozialunterstützungen, welche den Gesamtbetrag von 200 K monatlich nicht übersteigen. Beträge, welche diese Grenze übersteigen, müssen auf ein Sperrkonto hinterlegt werden,
b) Zahlungen für Waren des laufenden täglichen Bedarfs und für Leistungen beim Betrieb eines Unternehmens oder eines Berufes, soweit es sich dabei um eine übliche Barzahlung handelt.

§ 7
(1) Der Zahlungepflichtige ist verpflichtet, die Zahlung auf ein Sperrkonto bei der berechtigten Geldanstalt (§ 5) zu überweisen, welche ihm der Empfänger bezeichnet.
(2) Wird ihm vom Empfänger keine solche Geldanstalt bezeichnet, so hinterlegt er die Zahlung bei irgendeiner Geldanstalt am Wohnsitz (Sitz) des Empfängers, gegebenenfalls an dem diesem Wohnsitz (Sitz) nächstgelegenen Orte.

IV.

§ 8
(1) Die Deutschen (die deutschen Unternehmungen und deutschen Institutionen) sind verpflichtet, spätestens innerhalb von 15 Tagen nach der Veröffentlichung dieser Bekanntmachung in ein auf ihren Namen lautendes Sperrdepot bei irgendeinem hierzu vom Finanzministerium ermächtigten Geldinstitut zu hinterlegen:
a) in- und ausländische Aktien, Kuxe, festverzinsliche Werte und andere Wertpapiere,
b) Edelmetalle und aus ihnen verfertigte Gegenstände,
c) Edelsteine und Perlen,
d) Wert- und Kunstgegenstände, wie auch Sammlungen solcher Gegenstände,
e) Briefmarkensammlungen und -sätze,
welche sich am Tage des Inkrafttretene dieser Bekanntmachung in ihrem Eigentum, Miteigentum oder Besitz befinden.

(2) Einer Ermächtigung zur Aufnahme dieser Gegenstände (Sammlungen) in Sperrdepots bedürfen Devisenbanken mit tschechischer Verwaltung nicht.

(3) Für die auf diese Weise errichteten Sperrdepots gelten gleichfalls die Vorschriften des § 4 dieser Bekanntmachung.

§ 9
(1) Die durch die Vorschrift des § 8 Abs. 1 dieser Bekanntmadiung angeordnete Verpflichtung bezieht sich auch auf Personen, denen durch ein Privatreditsgeschäft, durch Gesetz oder behördliche Anordnung die Verwaltung oder Verwahrung von Vermögen anvertraut wurde, das unter § 8 fällt, insbesondere den Verwahrer, gesetzlichen Vertreter, den Abwesenheitspfleger, den Konkursverwalter u. ä. sowie auch die Organe, welche derartiges Vermögen sichergestellt haben.

(2) Soweit sich das in § 8 Abs. 1 erwähnte Vermögen in behördlicher Verwahrung befindet, wird die durch die Vorschrift des § 8 Abs. 1 angeordnete Verpflichtung bis zu dem Tage, an dem der Grund für die Verwahrung wegfällt, aufgeschoben.

§ 10
(1) Die zur Verwahrung verpflichteten Personen (§ 8, 9 und 14) übergeben der Geldanstalt, bei der das Depot errichtet wird, ein Verzeichnis der hinterlegten Gegenstände (Sammlungen) in dreifacher Ausfertigung.

(2) Eine Ausfertigung des Verzeichnisses behält die Geldanstalt, auf der zweiten bestätigt sie den Empfang des hinterlegten Vermögens und reicht sie dem Hinterleger zurück, die dritte übersendet sie dem Finanzministerium.

§ 11
(1) Vom Tage des Inkrafttretens dieser Bekanntmachung an ist den Deutschen (den deutschen Unternehmungen und den deutschen Institutionen) der entgeltliche Erwerb des in § 8 Abs. 1 erwähnten Vermögens im Inlande verboten. Erwerben sie derartiges Vermögen unentgeltlich, so sind sie verpflichtet, es innerhalb von drei Tagen in ein Sperrdepot zu hinterlegen (§ 8).

(2) Andere Ausnahmen von dem Verbot gestatten das Finanzministerium oder die von ihm ermächtigten Behörden.

§ 12
(1) Als Deutsche gelten Personen, die sich bei irgendeiner Volkszählung seit dem Jahre 1929 zur deutschen Nationalität bekannt haben oder Mitglieder nationaler Gruppen oder Formationen oder politischer Parteien geworden sind, in denen sich Personen deutscher Nationalität zusammengeschlossen haben (§ 6 des Dekretes des Präsidenten der Republik vom 19. Mai 1945, Slg. Nr. 5).

(2) Was für die Deutschen gilt, gilt auch für das Reich, für die öffentlich-rechtlichen Verbände des Reiches und für andere Organisationen des Reiches.

§ 13
(1) Unter einem deutschen Unternehmen im Sinne dieser Bekanntmachung sind zu verstehen:
a) Fabrikations-, Handels- oder andere Erwerbsunternehmungen, deren Eigentümer ein Deutscher (§ 12) ist,
b) Unternehmungen offener Handelsgesellsdiaften oder Kommanditgesellschaften, deren Gesellschafter ganz oder zu mehr als der Hälfte Deutsche (§ 12) sind,
c) Unternehmungen von Aktienbgesellschaften ode randeren juristischen Personen. in denen Deutsche (§ 12) auf Grund einer überwiegenden Kapitalbeteiligung oder der Mehrheit im Verwaltungs- (Aufsichts-)rat entscheidenden Einfluß haben.
d) Unternehmungen irgendwelcher Art, die gamz oder zum überwiegenden Teil von Deutschen (§ 12) geleitet werden.

(2) In Zweifelsfällen gilt ein Unternehmen als deutsches, wenn es im Laufe des letzten Jahres vor Inkrafttreten dieser Bekanntmachung seine Geschäftsbücher und seine Korrespondenz nur deutsch geführt hat.

(3) Ein Unternehmen, bei dem durch die berechtigten Organe eine nationale Verwaltung eingesetzt worden ist, gilt nicht als deutsches Unternehmen.

(4) Die Zweigniederlassung eines Unternehmens, das seinen Sitz im Reiche hat, gilt als deutsches Unternehmen.

§ 14
Für die richtige Erfüllung der Verpflichtungen und für die Einhaltung der Verbote, welche durch diese Bekanntmachung den deutschen Unternehmungen oder den deutschen Institutionen auferlegt werden, haften
a) bei den Personalgesellschaften sämtliche Gesellschafter,
b) bei den Unternehmungen mit eigener Rechtspersönlichkeit und bei Stiftungen sämtliche Personen, die zu ihrer Vertretung berechtigt oder berufen sind.

§ 15
Sämtliche vorstehenden Bestimmungen gelten entsprechend für Madjaren, madjarische Unternehmungen und madjarische Institutionen.

§ 16
Die Geldanstalten und andere in Betracht kommende Unternehmungen sind verpflichtet, den Organen, welche zur Kontrolle und zur Sicherstellung der in dieser Bekanntmachung vorgesehenen Maßnahmen berufen sind, jegliche Hilfe zu gewähren.

VI.

§ 17
Wer diesen Anordnungen zuwiderhandelt, wird nach den Strafbestimmungen der geltenden Devisenordnung bestraft, falls es sich nicht um ein Delikt handelt, das nach strengeren Vorschriften bestraft wird.

VII.

§ 18
Diese Verordnung tritt mit dem Tage der Kundmachung [also 1945-07-11] in Kraft.
Der Finanzminister:

Dr. Srobar.

1 Veröffentlicht am 10. Juli 1945.