Welche Politik steht hinter der Europäischen Union?

In Nizza wurde Mitte im Dezember um die Stimmengewichtung der einzelnen Staaten im Ministerrat der EU gefeilscht.

2000-12-11 sind aus der Presse einige Zahlen zu vernehmen, die zum Verständnis um viele Zahlen ergänzt wurden:

Staat

Sitze im Ministerrat

Bevölkerung *) Einwohner je Stimme Faktor zum Mittelwert

EU-
Parl.

BIP 2003**
  alt % neu %

ca 2000

Anfang 2003

% alt neu alt neu Sitze % €/EW
Deutschland 10 11,5 29 8,4 82 000 000 82 600 000 17,1 8 200 000 2 827 586 1,90 2,03 99 13,7  
Frankreich 10 11,5 29 8,4 59 000 000 59 600 000 12,3 5 900 000 2 034 482 1,37 1,46 74 10,2  
Italien 10 11,5 29 8,4 59 000 000 59 100 000 12,3 5 900 000 2 034 482 1,37 1,46 74 10,2  
England 10 11,5 29 8,4 58 000 000 56 500 000 12,1 5 800 000 2 000 000 1,35 1,44 74 10,2  
Spanien   8 9,2 27 7,8 39 000 000 40 700 000 8,1 4 875 000 1 444 444 0,90 1,04 52 7,2  
*Polen   –   27 7,8 39 000 000 38 600 000 8,1   1 444 444   1,04 52 7,2 9500
*Rumänien   –   15 4,3 22 700 000   4,7   1 513 390   1,09 35 4,8  
Niederlande   5 5,7 13 3,8 16 000 000 16 200 000 3,3 3 200 000 1 230 769 0,74 0,89 25 3,6  
Griechenland   5 5,7 12 3,5 10 500 000 11 000 000 2,2 2 100 000 875 000 0,49 0,63 22 3,0  
Belgien   5 5,7 12 3,5 10 000 000 10 300 000 2,1 2 000 000 850 000 0,46 0,61 22 3,0  
Portugal   5 5,7 12 3,5 10 000 000 10 400 000 2,1 2 000 000 850 000 0,46 0,61 22 3,0  
*Tschechien   –   12 3,5 10 000 000 10 100 000 2,1 2 000 000 850 000   0,61 20 2,8 14400
*Ungarn   –   12 3,5 10 000 000 10 200 000 2,1 2 000 000 850 000   0,61 20 2,8 13600
Schweden   4 4,6 10 2,9 9 000 000 8 900 000 1,9 2 250 000 900 000 0,52 0,65 18 2,5  
Österreich   4 4,6 10 2,9 8 000 000 8 200 000 1,7 2 000 000 800 000 0,46 0,57 17 2,3  
*Bulgarien   –   10 2,9 8 012 900   1,7   801 290   0,58 17 2,3  
*Slowakei   –   7 2,0 5 373 000 5 400 000 1,1   537 300   0,39 13 1,8 11400
Dänemark   3 3,4 7 2,0 5 000 000 5 400 000 1,0 1 666 667 714 285 0,39 0,51 13 1,8  
Finnland   3 3,4 7 2,0 5 000 000 5 200 000 1,0 1 666 667 714 285 0,39 0,51 13 1,8  
Irland   3 3,4 7 2,0 4 000 000 3 900 000 0,8 1 333 333 571 428 0,31 0,41 12 1,7  
*Litauen   –   7 2,0 3 103 000 3 500 000 0,6   443 286     12 1,7 9400
*Lettland   –   4 1,2 2 323 000 2 300 000 0,5   580 750   0,42 8 1,1 8500
*Slowenien   –   4 1,2 1 500 000 2 000 000 0,3   375 000   0,27 7 1,0 17700
*Estland   –   4 1,2 1 400 000 1 400 000 0,3   350 000   0,25 6 0,8 10000
*Zypern   –   4 1,2 750 000 700 000 0,2   187 500   0,13 6 0,8 17400
Luxemburg   2 2,3 4 1,2 430 000 400 000 0,1 215 000 107 500 0,05 0,08 6 0,8  
*Malta   –   3 0,9     314 200 400 000 0,1   104 733   0,08 5 0,7 11700
Summe 2000 87 100     374 930 000   78,2 4 309 540   1,00        
*Summe
nach Beitritten
     346 100 479 406 100 453 000 000 100   1 385 566   1,00 724 100  
* Beitrittskandidaten  ** Alte EU-Länder gesamt: 24000 €/EW (2003-12-12 nach HNA/dpa)

Als Tabelle zusammengestellt und um Vergleichswerte ergänzt: ML 2000-12-12/13.
Die Zahlen in den beiden Spalten „Faktor zum Mittelwert“ bedeuten: um diesen Faktor müßten die Zahlen der Stimmen im Ministerrat erhöht werden, um allen Menschen in der EU gleiche Chancen zu verschaffen.
Das ist gleichbedeutend damit, daß z.B. den Deutschen eine nahezu (bzw. nach der Erweiterung eine mehr als) doppelt so hohe Zahl von Stimmen zukäme, um durchschnittlich repräsentiert zu werden.  Und ein Kleinstaat wie Luxemburg, dessen Einwohner jetzt etwa 40mal so stark im Ministerrat vertreten sind wie die Einwohner Deutschlands, wäre selbst bei der Vertretung durch eine einzige Stimme immer noch mehr als 6mal stärker vertreten als die Deutschen.

In diesen Stunden (2000-12-10/11) wird in Nizza über die Stimmen im zukünftigen Europaparlament beraten und entschieden. Die Hoffnung wurde betrogen, daß sich die Ungleichgewichte nicht noch mehr verschieben.

Angesichts der ungleichen Vertretung der verschiedenen Völker habe ich äußerste Bedenken, daß die hier zu schließenden Verträge ausgeglichen und ausgewogen sind. Mir fällt da eher das Bild ein von dem wirtschaftlichen Riesen mit einem politischen Spatzenhirn! Besonders auch die Verschlechterung des Bevölkerungsproporzes durch den Beitritt der östlichen Nachbarn erscheint mir nicht als gutes Omen für einen guten Neubeginn. Warum wird bei dem Anlaß EU-Osterweiterung nicht die Schieflage in den Stimmenverteilungen korrigiert? Warum werden die Beitrittskandidaten so gut ausgestattet, daß die Benachteiligung der Deutschen nochmals wieder um fast ein Zehntel verschlimmert wird? Es kann doch kaum an Frankreich allein liegen, das mit Kratzen und Beißen seine Stimmengleichheit mit dem mehr als ein Drittel größeren Deutschland verteidigt.
Im Europäischen Parlament ist Deutschland zwar nicht ganz so schlecht vertreten, aber auch hier hinkt das Verhältnis von Bevölkerung zu Parlamentariern um fast ein Viertel (17,1 % der Bevölkerung stellen nur 13,7 % der Abgeordneten! 3,2 Differenz bezogen auf 13,7 sind 23 % – nahezu ein Viertel! – fehlende, vorenthaltene Abgeordnetenstimmen!)

Französische Stimmen hatten den Beschluß zur Einführung des Euro als Sieg ohne Blutvergießen im Dritten Weltkrieg über Deutschland bezeichnet. Aber ist nicht auch die Stimmenverteilung im Ministerrat und im Europäischen Parlament ein ständiger Verstoß gegen die Gleichberechtigung der Völker?
ML 2000-12-10

Die Stimmenzuteilung müßte mal gegenübergestellt werden mit den Nettozahlungen Deutschlands an die EU-Partner! Hierzu erbitte ich jede Mithilfe ML2000-12-11

Ein weiterer Gedanke, der die Schieflage der Stimmenverhältnisse deutlich macht:
Die Bundesrepublik Deutschland könnte sich, so wie es andere Staaten ja auch getan haben, aufteilen in zwei oder drei Staaten, die dann in manchen Politikzweigen gemeinsam handeln. Diese Staaten hätten 39 + 39 + 4 Millionen Einwohner, würden dann als Neumitglieder der EU 27 + 27+ 7 = 63 Stimmen im EU-Ministerrat bekommen, also mehr als das Doppelte der jetzt zugestandenen Zahl! Dann hätten die Deutschen mit 63 Stimmen auf 82 Millionen Einwohner eine Vertretung im Ministerrat, die knapp über dem Mittelwert läge und nicht mehr mehr als die Hälfte unter dem Mittelwert! (82 000 000 : 63 = 1 301 587 Einwohner je Stimme, das ist das 0,93fache statt des 2,03fachen nach dem augenblicklichen Beschluß von Nizza.)
Die gleiche Überlegung würde im Europäischen Parlament zu 52 + 52  + 12 = 116 deutschen Abgeordneten führen, immerhin 17 Sitze oder 17 % mehr als nach derzeitigen Verhältnissen.

Damit muß sich die deutsche Politik auseinandersetzen: wie lange wird das deutsche Volk sich noch in dieser grotesken Weise von allen Nachbarn bevormunden lassen? ML 2000-12-12

Aber ich will auch eine andere Stimme zu Gehör bringen, aus der Sicht eines kleinen Staates, der sich um die Aufnahme in die EU bemüht.

Ergänzung 2003-12-08:
Die Spalte „Bevölkerung Anfang 2003“ wurde zur Information hinzugefügt, aber nicht weiter eingerechnet, da sich die Bruchteile in den Prozenbten kaum verändern.