Drei Festungen der tschechischen Gesellschaft.
Franz Chocholatý Gröger Bc.
Die tschechische Gesellschaft manifestiert ihre unterdrückten Sehnsüchte durch einen irgendwie gemachten Umweg als ein Surrogat: durch die Rückwendung zum deutschfeindlichen Nationalismus und Chauvinismus: Unter ausgiebiger Hilfe seitens bewußt manipulierender Politiker und Journalisten hat sich die tschechische Schizophrenie in drei Festungen eingeigelt:
Einer überwiegenden Mehrheit von uns erschien jene besondere Zeit vom Mai 1945 bis zum Februar 1948 als eine große Zeit demokratischer Entwicklung. Die hauptsächlichen Tatsachen waren jedoch bekannt und sind hart. Aus ihnen geht hervor, daß auf dem politischen Feld nach dem Kriege keineswegs die Demokratie errichtet wurde, sondern auch das autoritäre System der Nationalen Front und daß es auf wirtschaftlichem Gebiet zu Konfiskationen kam, welche aufgrund ihres ungeheuren Umfangs nichts Vergleichbares im gesamten damaligen Europa aufwiesen. Das außerordentliche Gerichtswesen, welches zur Bestrafung von Delikten während der Besatzungszeit eingeführt worden war, wurde mißbraucht und verhalf dazu, Gewalt hervorzurufen und abzusichern. Die Vertreibung der Sudetendeutschen war dann die Grundlage dieses besondere Prozesses, welcher die Funktion der Nationalen und Sozialen Revolution (oder tschechisch nationalsozialistischen Revolution) erfüllte. Wir sollten aber sehen, daß diese Tat gleichfalls eine tiefgreifende Erschütterung des demokratischen Systems bedeutete: Wenn es möglich ist, drei Millionen Bürgern auf der Grundlage ihrer ethnischen Zugehörigkeit sämtliches Eigentum und alle Bürgerrechte und -freiheiten zu entziehen, warum denn wäre es nach einer gewissen Zeit nicht auch möglich, dies bei anderen Bürgern so zu machen, diesmal aber unter dem Schlüsselbegriff der „Klassenmäßigkeit“?
Das Schicksal der deutschen Minderheit in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn wurde
entsprechend diesem Prinzip jedoch nicht gelöst. Und so wurde denn zur gleichen Zeit,
als in Nürnberg Todesurteile wegen der Deportation von Bevölkerungen verhängt wurden,
in Potsdam die Deportation der deutschen Bevölkerung zur Maßnahme der Sieger. Es ist
kein Zufall, daß beide direkt anwesenden westlichen Teilnehmer der Verhandlungen (W.
Churchill und H. Truman) die ersten waren, welche die Beschlüsse der Konferenz in Frage
stellten. Trumans Äußerung vom Januar 1946, welche sich speziell mit dem Transfer der
Deutschen befaße: „In Potsdam wurden wir vor eine fertige Sache
gestellt und durch die Umstände dazu genötigt, ihr zuzustimmen. Es handelte sich um
einen Akt willkürlicher Gewalt.“ ist mehr oder minder bekannt. Ebenso oft wird
die nicht minder grimmige Distanzierung W. Churchills zitiert „Ich
übernehme keinerlei Verantwortung für keinerlei Beschluß, zu welchem es in Potsdam
gekommen ist…“
Bei einer Tagung der meist deutschen Experten für das internationale Recht am Institut
de Droit International (1952) war man mehrheitlich der Auffassung, die Passagen
zur Vertreibung der Sudetendeutschen im Potsdamer Protokoll seien im Widerspruch zu Internationalem
Recht.
Und heute: In der amerikanischen wie auch britischen Erklärung (26. Februar 1992) wird
lediglich von einer „Entscheidung“ oder „Schlußfolgerungen“ aus Potsdam
gesprochen, jedoch keineswegs von einem Vertrag oder von einem Abkommen, wie dies die
Tschechen gewöhnlich tun. Falls es sich jedoch nicht um einen Vertrag handelt, dann kann
man auch die Potsdamer „Entscheidungen“ leicht als einseitiges Diktat erklären oder
in Zweifel ziehen.
Versuchen wir doch einmal, und von Emotionen freizuhalten.
Vom Gesichtspunkt heutiger Moralanschauung und entsprechendem Rechtsbewußtsein – und wir haben nichts anderes – ist jegliche Art von Kollektivstrafe auszuschließen. Aber die böhmischen, mährischen und schlesischen Deutschen sind kollektiv bestraft worden, und nicht einmal die Schuldigen wurden von den bloß geduldigen Zeugen getrennt. Und da rede ich noch gar nicht von den Frauen und Kindern, welche hingemordet worden sich beim sogenannten Wilden Abschub. Wir können nicht und dürfen uns auch nicht aus moralischen Grundsätzen selbst entlassen, zu denen die Welt nach schweren Erfahrungen gelangt ist.
Aus ihrer Sicht war die Vertreibung der Deutschen ein beispielloses Unrecht und ein Muster ethnischer Säuberung.
Die tschechische Regierung sollte die vertrieben Deutschen auf eine symbolische Art und Weise entschädigen.
Das Ziel wäre der gerechte Ausgleich, vor allem durch die Abschaffung der fraglichen Dekrete des Präsidenten der Republik aus dem Jahre 1945, die sich auf die Vertreibung beziehen oder diskriminierender Natur sind. Damit hängt auch die Problematik der Konfiskation, des Rechts auf Heimat und auf Selbstbestimmung zusammen.
Pardubitz 8. März 2004