Bekanntmachung des Finanzministeriums vom 29. Oktober 1945,
Gesch.Z. 55.842/45, über die Auszahlungen aus gesperrten Einlagen und Sperrkonten der staatlich unzuverlässigen Personen
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Amtsblatt Nr. 363.
(Veröffentlicht am 3. November 1945)

Das Finanzministerium bestimmt gemäß § 1 gegebenenfalls gemäß § 15 der Bekanntmachung vom 22. Juni 1945, Gesch.Z. 461/45, über die Sicherstellung des deutschen (madjarischen) Vermögens (veröffentlicht als Nr. 83 des Amtsblattes) und gemäß § 1 der Bekanntmachung vom 25. Juni 1945, Gesch.Z. 6377/45, über die Sicherstellung des Vermögens der Verräter und Kollaboranten (veröffentlicht als Nr. 82 des Amtsblattes):

I

Die Postsparkasse und die Geldinstitute (Geldunternehmen) werden mit Wirkung vom 1. November 1945 zur Bewilligung von Auszahlungen aus Einlagen oder Konten ermächtigt, die bei ihnen für physische Personen deutscher (madjarischer) Nationalität (§ 12 Abs. 1 der Bekanntmachung Nr. 461/45) geführt werden, sowie auch aus Einlagen (Konten), die bei ihnen für Personen geführt werden, gegen die unter der Beschuldigung des Verrates an der Republik oder der Kollaboration ein Verfahren eingeleitet worden ist (§ 1 der Bekanntmachung Nr. 6377/45).

II

Bei der Bewilligung dieser Auszahlungen richten sich die Postsparkasse und die Geldinstitute (Geldunternehmen) nach den im Amtsblatt, Teil 1, (Stück 123 vom 23. Oktober 1945) unter Nr. 338 veröffentlichten Richtlinien des Finanzministeriums für die Freigabe der gesperrten Einlagen mit folgenden Einschränkungen:

1. Bei Erfüllung der Voraussetzungen und Bedingungen des Punktes 1 Absatz 1 der genannten Richtlinien darf den Personen deutscher (madjarischer) Nationalität und den Personen, gegen die unter der Beschuldigung des Verrates an der Republik oder der Kollaboration ein Verfahren eingeleitet wurde (weiterhin „staatlich unzuverlässige Personen“ genannt) aus allen ihren Einlagen (Konten) insgesamt höchstens ein Betrag von 500 Kcs monatlich zur Bestreitung ihres Unterhalts und von höchstens je 250 Kcs monatlich zur Bestreitung des Unterhalts der Personen freigegeben werden, für die sie zu sorgen verpflichtet sind. Soweit es sich um Deutsche (Madjaren) handelt, können jedoch diese Auszahlungen nur solchen Personen bewilligt werden, die sich durch eine Bescheinigung des zuständigen Ortsnationalausschusses (der zuständigen örtlichen Verwaltungskommission) über ihre politische Unbescholtenheit, gegebenenfalls durch eine schriftliche Zustimmung des zuständigen Ortsnationalausschusses (der zuständigen örtlichen Verwaltungskommission) zu der beanspruchten Auszahlung, ausweisen.

2. Die Einschränkungen nach dem vorhergehenden Absatz erstrecken sich
a) auf Personen, die zwar unter die Bestimmungen des § 1 Abs. 3 und 4, des § 2 und des § 4 Abs. 2 des Dekretes des Präsidenten der Republik vom 2. August 1945, Slg. Nr. 33, fallen, sich jedoch entweder durch eine Bescheinigung des Ministeriums des Innern über die vorläufige Zuerkennung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft oder durch eine Bescheinigung der zuständigen politischen Behörde (des Ministeriums des Innern, des Landesnationalauschusses oder des Bezirksnationalausschusses, gegebenenfalls der Bezirksverwaltungskommission) darüber ausweisen können, daß sie bis auf weiteres von keiner der gegen die Deutschen (Madjaren) gerichteten Maßnahmen betroffen werden;
b) auf österreichische Staatsangehörige, sofern sie ihre österreichische Staatsbürgerschaft und ihre politische Unbescholtenheit glaubhaft nachweisen;
c) auf national zuverlässige Familienangehörige von Personen, gegen die unter der Beschuldigung des Verrates an der Republik oder der Kollaboration ein Verfahren eingeleitet wurde; die nationale Zuverlässigkeit ist durch eine Bescheinigung des Ortsnationalausschusses (der örtlichen Verwaltungskommission) nachzuweisen.
Auszahlungen zugunsten der in diesem Absatz angeführten Personen können in dem Umfange freigegeben werden, der in Punkt 1 des Absatzes 1 der angeführten Richtlinien des Finanzministeriums für die Freigabe gesperrter Einlagen bestimmt ist.

3.  Übersteigt die von staatlich unzuverlässigen Personen zur Deckung ihrer außerordentlichen unvermeidbaren Zahlungsverpflichtungen (Punkt 1 des Absatzes 1 der genannten Richtlinien des Finanzministeriums) beantragte Auszahlung den Betrag von 5000 Kcs, so ist für die Freigabe der Auszahlung neben der Zustimmung der Tschechoslowakischen Nationalbank auch eine Genehmigung des Finanzministeriums erforderlich.

4. Auszahlungen, die von staatlich unzuverlässigen Personen nach dem Punkten 3 und 4 des Absatzes 1 der genannten Richtlinien des Finanzministeriums beantragt werden, sind grundsätzlich unzulässig, es sei denn, daß neben der Zustimmung der Tschechoslowakischen Nationalbank ausnahmsweise auch das Finanzministerium seine Zustimmung erteilt hat.

III

Mit Wirkung vom 1. November 1945 verlieren ihre Gültigkeit:

1. Der Erlaß des Finanzministeriums vom 23. Juli 1945, Gesch.Z. 13.278/45, durch den die Bezirksnationalausschüsse (die Bezirksverwaltungskommissionen) zur Bewilligung von Auszahlungen oder Überweisungen aus Einlagen und Konten staatlich unzuverlässiger Personen und zur Bewilligung frei verfügbarer Auszahlungen von Löhnen, Dienstbezügen, Pension, Kranken-, Sozial- und Unfallunterstützungen ermächtigt werden.

2. Der Erlaß des Finanzministeriums vom 20. Juli 1945, Gesch.Z. 13.080/45, durch welchen den österreichischen Staatsangehörigen Erleichterung hinsichtlich der freien Verfügbarkeit über die Einlagen und Konten bei den Geldinstituten eingeräumt wurden; unberührt bleibt jedoch derjenige Teil des Erlasses, durch den die österreichischen Staatsangehörigen von der Vepfliditung befreit wurden, ihre Wertgegenstände in ein Sperrdepot bei einem Geldinstitut zu hinterlegen.

3. Der Erlaß des Finanzministeriums vom 21. Juli 1945, Gesch.Z. 13.279/45, über die Freigabe von Zahlungen zur Deckung öffentlicher Steuern, Abgaben und Gebühren sowie auch von Konten staatlicher und gemeinnütziger Unternehmungen; in diesem Zusammenhange wird auf die Bestimmungen des § 17 Abs. 1 des Dekretes des Präsidenten der Republik vom 19. Oktober 1945, Slg. Nr. 91, verwiesen.

4. Sämtliche individuellen Genehmigungen, durch die staatlich uuzuverlässigen Personen entweder durch das Finanzministerium oder durch die Bezirksnationalausschüsse (Bezirksverwaltungskommissionen) frei verfügbare monatliche Entnahmen aus ihren Einlagen oder Konten bei den Geldinstituten zur Bestreitung ihres Unterhaltes bewilligt wurden.

5. Sämtliche individuellen Genehmigungen, durch die staatlich unzuverlässigen Personen vom Finanzministerium oder von den Bezirksnationalausschüssen (Bezirksverwaltungskommissionen) einmalige Entnahmen aus ihren Einlagen oder Konten bei den Geldinstituten bewilligt wurden, soweit diese Genehmigungen bis zum 31. Oktober 1945 nicht ausgenutzt wurden.

IV.

Wer diesen Bestimmungen zuwiderhandelt, wird nach den Strafbestimmungen der geltenden Devisenordnung bestraft, wenn es sich nicht um ein Delikt handelt, das nach strengeren Bestimmungen strafbar ist.

V.

Diese Bekanntmachung gilt im Gebiete Böhmens und des Landes Mähren­Schlesien; sie tritt am 1. November 1945 in Kraft.

Der Finanzminister: Dr. Srobár (eigenhändig)