Nachtrag zur Meldung Mlada Fronta Dnes 22. Dezember 2003

„Asch 1918 – 1948“. Eine Dokumentation ohne Kommentar ...
Der Artikel läßt uns nicht los. Zufällig verbringen wir einige Weihnachtstage in der Nähe von Asch; am Abfahrtstag ist es nur ein kleiner Schlenker über den Autobahnzubringer nach Eger und dann nach Asch. Freundlich geben uns die Menschen in Asch Auskunft:
asch01.jpg (14593 Byte) bis zur Kreuzung, dort den Berg hoch dann noch mal besser fragen – und da ist es schon, das Museum, beinahe ein kleines Schlößchen. Bin ich hier richtig, ist es das Museum mit „der Ausstellung“?

„Haben Sie viele Probleme mit dieser Ausstellung?“ „Nein“, beruhigt uns der junge Mann am Empfang. „Nur die Eintrittskarten für 6 Kronen sind ausgegangen, wissen Sie: auch eine Negativ-Reklame ist Werbung.“

Zwei kleine Zimmer, bürgerliche Wohnzimmergröße, Fotos und Dokumente. Endlich nicht nur der Zeitraum von 1938 bis 1948, sondern die ganze Geschichte des Zusammenlebens der deutschen und tschechischen Bürger seit der Staatsgründung 1918 ...

Der tschechischen Bürger? Alte Karten zeigen die Aufteilung der deutschsprachigen Regionen. Weite Regionen entlang der Staatsgrenze nicht überwiegend, sondern beinahe ausschließlich deutschsprachige Bevölkerung. Während der spätere Staatspräsident Masaryk in Philadelphia über die Gründung der Tschechoslowakei verhandelt, erklärt die provisorische Nationalversammlung für Deutsch-Österreich Deutschböhmen zur eigenberechtigten Provinz von Deutschösterreich. Dazu gehört auch die Stadt Asch.

Die Besetzung der Stadt durch tschechoslowakische Truppen. Das Ausrufen des Generalstreiks. Protestversammlungen. Der Versailler Friedensvertrag. Die folgenden Zwischenfälle.

Stück für Stück wird die Geschichte des Landkreises Asch erläutert. Exakte Quellenangaben, Dokumente, Daten, Fakten. 1934 die gemeinsamen deutschen und tschechischen Veranstaltungen zum Festakt anläßlich des 85. Geburtstages von Präsident Masaryk.

Henleins Karlsbader Forderungen. Das Münchner Abkommen und die Auswirkungen. Der Aufruf Wenzel Jakschs zum friedlichen Ausweg.

Minutiös werden Ereignisse in ihrer Abfolge geschildert. Jahr um Jahr, ohne zu schönen, ohne zu  verschleiern, bis 1948. Berichte von Zeitzeugen lassen die kleine Ausstellung lebendig werden. Es gibt nichts auszusetzen an der kleinen Ausstellung, sachlich und korrekt spiegelt sie die Zeit, wissenschaftlich aufbereitet, läßt keine Episode aus, informativ, für die tschechische Öffentlichkeit vielleicht ungewohnt offen, jedoch äußerst korrekt und vollständig.

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Auf einem kleinen Tisch liegt das Gästebuch des Museums. Überwiegend neutrale bis positive Kommentare.

Und – eineinhalb Seiten das „offene Bekenntnis“ von Vladimir Bureš. Der Mann, der gegen den Direktor des Ascher Museums Strafanzeige erstattete.
Was schreibt und wer ist Vladimir Bureš?
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Lesen wir, was er in das Gästebuch schreibt:

... Ich bin einer der Ansiedler aus Wolhynien. Mein Vater ist ein Wolhynier Tscheche, meine Mutter kam aus dem zerbombten St. Petersburg – Leningrad.
Ich selbst bin seit 1947, als mich meine Eltern hierher gebracht haben, hier zu Hause. Dies ist das einzige Zuhause, das ich habe. ...

Und weiter:
... Ich schätze die Deutschen, die ich kenne, und das deutsche Volk sehr – wegen seiner Bildung, seiner Kultiviertheit, seines Fleißes und seiner Ordnungsliebe ... ich schätze nur Einzelne nicht, Einzelne vom Typ Posselt ... Ich kann nicht mehr diskutieren, ich muß mich wehren. Ich will nicht, daß diese provozierende Ausstellung die Erinnerung an die Studenten, die am 17. November 1939 verhaftet und umgebracht wurden, und die Erinnerung an die jüdischen Opfer der Reichskristallnacht am 9. November 1939 entehrt.
Deshalb wehre ich mich.
Vladimir Bureš.

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Seltsam. Ich werde den Eindruck nicht los, Herr Bureš führt bei seinem Tun in erster Linie die Sorge und Angst, jemand könne ihm seine Heimat in Krasna (Schönbach) bei Asch, wo er seit 1947 zu Hause ist, nehmen. Ihn vielleicht daraus vertreiben. ...

Am Empfang frage ich nochmal, wie denn die Sache mit der Anzeige stehe.
Es gäbe, bei aller Vorsicht, Grund zur Annahme, die Anzeige werde vom Gericht abgewiesen. So lautet die Auskunft.

2003-12-28 ML. Name des Autors ist bekannt, wird hier nicht veröffentlicht, um unnötige Belastungen zu vermeiden.

Das Dörfchen Schönbach, nur kurz nördlich vor den Toren der Stadt Asch gelegen, hatte 1910 etwa 2350, 1938 etwa 2175 Einwohner. Pfohl nennt für die 30er Jahre ca 2014 Einwohner, davon 1860 (92,3 %) Deutsche.
Einen tschechischen Namen bekam es erst 1945 oder 1946 nach der Vertreibung der deutschen Bevölkerung.