Landsmannschaft Ostpreußen erfaßt deutsche
Zwangsarbeiter
Über die deutschen Opfer von Zwangsarbeit muß gesprochen werden!
B. Knapstein
Die Landsmannschaft Ostpreußen hat in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Deutsche Zwangsarbeiter (AKDZ) begonnen, die deutschen Opfer von Zwangs- und Sklavenarbeit während des Zweiten Weltkrieges und in den Folgejahren zu erfassen.
Zweck der Erfassungsmaßnahme ist in erster Linie die Anregung
der öffentlichen Diskussion über die Behandlung der deutschen Opfer. Bisher waren es
eher Ausnahmesituationen, in denen die Existenz deutscher Opfer von Zwangsarbeit bejaht
worden ist. So hat beispielsweise der Münchner CSU-Bundestagsabgeordnete
Hans-Peter Uhl im Rahmen der Bundestagsdebatte über das Gesetz zur Errichtung des
Entschädigungsfonds für NS-Zwangsarbeiter die Einseitigkeit des Projektes und die
Nichtbeachtung des schweren Schicksals der deutschen Zwangsarbeiter gerügt.
Die Landsmannschaft Ostpreußen möchte die Versäumnisse der Politik im Rahmen ihrer Möglichkeiten aufarbeiten, indem die öffentliche Debatte über den Umgang mit den Opfern im eigenen Volke angeregt wird und die offenen Fragen einer vernünftigen und würdigen Lösung zugeführt werden.
Es kann nicht sein, daß deutsche Kriegsgefangenen und Zivilisten, die zum Teil noch bis 1954/55 in sibirischen Gruben durch Zwangsarbeit, Vergewaltigungen und Folter schwere gesundheitliche Schäden erlitten haben, die als Zwangsarbeiter in Frankreichs Gruben Erz und Kohle fördern mußten, oder solche, die in schlesischen Kohlegruben für Polen Zwangsarbeit geleistet haben, daß all diese Menschen von jeglicher Debatte über Entschädigung oder andere Maßnahmen von vornherein ausgeschlossen bleiben. Hier wird in der Öffentlichkeit verkannt, daß es in erster Linie die Heimatvertriebenen sind, die nach der Enteignung und vor der Vertreibung nach Westen zunächst in den Osten zur Zwangsarbeit verschleppt worden waren.
Und nun sind es unter anderen eben diese deutschen Zwangsarbeitsopfer, die mit ihren Steuergeldern mehr als 50 % des Milliardenfonds mitfinanzieren. In Folge dessen bewirkt das Bemühen der Bundesregierung um Gerechtigkeit für NS-Zwangsarbeiter jedenfalls für die deutscherseits von Zwangsarbeit betroffene Personengruppe genau das Gegenteil. Neben den Kriegsgefangenen waren es 500.000 deutsche Zivilisten aus den Oder-Neiße-Gebieten, 30.000 Sudetendeutsche und 160.000 Deutsche aus Südosteuropa. Das selbsterlittene Schicksal, das bei den meisten Opfern, die ihre Marter überlebt haben, bis heute gesundheitliche und seelische Dauerschäden hinterlassen hat, wird durch die politische Ignoranz in Berlin nur noch verstärkt. Dem muß entgegengewirkt werden.
Drucken Sie den Fragebogen bitte aus und verteilen Sie ihn. Die ausgefüllten Fragebögen senden Sie bitte an den vorgegebenen Adressaten.
Erinnerung ist unteilbar von MdB Dr.
Hans-Peter Uhl
Der Weg für die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter ist nun frei. Nachdem die
Sammelklagen in den USA abgewiesen wurden und die Frage der Rechtssicherheit im Bundestag
mit der Feststellung ausreichender Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen am
30. Mai 2001 geklärt wurde, kommt das Stiftungsgesetz in Gestalt von Auszahlungen
zur Anwendung. Erlauben Sie mir hierzu im folgenden einige Anmerkungen, auf die ich
bereits im Bundestag anläßlich der Abstimmung für das Gesetz zur Errichtung der
Stiftung im Juli 2000 hingewiesen habe.
I. Erinnerung
Zu Recht trägt die Stiftung den Titel "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft",
denn ohne Erinnerung und Übernahme der Verantwortung für das Geschehene kann es keine
gedeihliche Zukunft geben, kein friedliches Miteinander unter Nachbarn. Wir beweisen durch
sie erneut unsere Verantwortung vor der historischen Wahrheit.
Der deutsche Staat und die deutsche Wirtschaft wollen mit dieser Stiftung die bereits
geleisteten Wiedergutmachungszahlungen noch einmal ergänzen, um dadurch ein Zeichen der
Versöhnung zu setzen.
Das Wachhalten der Erinnerung an das vergangene Leid darf aber nicht dazu führen, daß
das Erinnern zur alleinigen Verpflichtung der Deutschen wird. Die richtige Erinnerung darf
nicht bei unserer schonungslosen Aufdeckung von Verbrechen durch die Nazi-Herrschaft
stehen bleiben:
Der Verbrechen der Deutschen wird gedacht.
Aber die Verbrechen an Deutschen werden ausgeblendet.
Ohne jede Aufrechnungsabsicht muß festgestellt werden:
Das Unrecht des Naziregimes hat letztlich auch das Unrecht an vielen Deutschen ausgelöst.
Aber ein Unrecht kann das andere Unrecht niemals rechtfertigen. Es kann kein Aufrechnen
geben. Weder für uns, noch für andere. Erinnern kann nicht teilbar sein!
Es darf zu keiner ewigen Stigmatisierung der Deutschen kommen. Sonst bedeutete das:
Deutsche dürfen ihre Verbrechen nicht aufrechnen. Wohl aber dürfen Verbrechen, die an
Deutschen begangen wurden, mit dem NS-Unrecht aufgewogen werden.
Heute erinnern wir an die Opfer der Nazi-Herrschaft und
übernehmen Verantwortung. Gerade heute ist es deshalb aber auch eine Verpflichtung des
Deutschen Bundestages, jener unschuldigen Deutschen zu gedenken, denen als Zwangsarbeiter
schweres Leid und grausamste Behandlung widerfahren sind. So müssen wir uns daran
erinnern, wie der jüdische Deutsche Hans-Georg Adler, der während des Zweiten Weltkriegs
in Theresienstadt inhaftiert war, die Verhältnisse im ehemaligen KZ im Jahre 1946, also
nach Kriegsende, schilderte:
"Bestimmt gab es unter ihnen welche, die sich während den Besatzungsjahren manches
haben zuschulden kommen lassen, aber die Mehrzahl, darunter viele Kinder und
Halbwüchsige, wurden bloß eingesperrt, weil sie Deutsche waren. Nur weil sie Deutsche
waren...? Der Satz klingt erschreckend bekannt; man hatte bloß das Wort "Juden"
mit "Deutsche" vertauscht. (...) Die Menschen wurden elend ernährt,
mißhandelt, und es ist ihnen um nichts besser ergangen, als man es von deutschen
Konzentrationslagern her gewohnt war."
Wir müssen auch an das Folgende erinnern:
In einem von 1255 polnischen Arbeits- und Deportationslagern kamen beispielsweise von 8064
Insassen 6488 ums Leben. Darunter waren auch 628 Kinder, die wirklich nichts für Hitlers
Herrschaft konnten. Viele der Zwangsarbeiter ließ man verhungern, prügelte man zu Tode
oder erschoß sie. Wer nicht arbeiten konnte, wurde ermordet.
Wir müssen auch daran erinnern:
In der Tschechoslowakei gab es 2061 Arbeits-, Straf- und Internierungslager, in
Jugoslawien 1562.
In Jugoslawien wurde zwischen Arbeitslagern und Lagern für Arbeitsunfähige
unterschieden.
In diesen letzteren Lagern wurden die Menschen systematisch vernichtet. Im größten
jugoslawischen Vernichtungslager, Rudolfsgnad, sind von 33 000 deutschen Insassen 9503
umgebracht worden, darunter 491 Kinder unter 14 Jahre.
Wir müssen auch erinnern an die 700 000 deutsche Zivilisten, darunter viele Frauen und
Kinder, die nach 1945 zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert wurden.
Hunderttausende von deutschen Kriegsgefangenen mußten sich völkerrechtswidrig in
Sibirien bis Mitte der 50er Jahre zu Tode schuften.
Weit über zwei Millionen Deutsche sind nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durch
Vertreibung, Internierung und Zwangsarbeit zu Tode gekommen.
Alles dies geschah übrigens in demselben Zeitraum, als in den Nürnberger Prozessen gegen
Nazi-Größen Todesurteile wegen Deportation, Zwangsarbeit und Vernichtung ausgesprochen
wurden.
II. Verantwortung
Verantwortung beginnt mit der Wahrhaftigkeit und sie endet mit ihr.
Ob Christ, ob Jude oder Atheist, ob Pole, Russe oder Deutscher: Was man ihnen in den
Arbeitslagern des Zweiten Weltkriegs und danach antat, waren Verbrechen gegen die
Menschlichkeit.
Der englische Berichterstatter Bashford schrieb bereits im Sommer 1945 an das englische
Außenamt:
"Die Konzentrationslager sind nicht aufgehoben, sondern von neuen Besitzern
übernommen worden. (...) In Swientochlowice [Oberschlesien] müssen Gefangene, die nicht
verhungern oder zu Tode geprügelt werden, Nacht für Nacht bis zum Hals im kalten Wasser
stehen, bis sie sterben. In Breslau gibt es Keller, aus denen Tag und Nacht die Schreie
der Opfer dringen."
In einem Bericht an den amerikanischen Senat vom 28. August 1945 heißt es:
"Man hätte erwarten dürfen, daß nach der Entdeckung der Scheußlichkeiten, die
sich in den Konzentrationslagern der Nazis ereigneten, niemals wieder derartiges geschehen
würde; das aber scheint leider nicht so zu sein."
Der Philosoph Bertrand Russell schrieb am 19. Oktober 1945 an die Londoner
"Times":
"In Osteuropa ... hat [man] ganz offensichtlich die Absicht, viele Millionen Deutsche
auszulöschen, nicht durch Gas, sondern dadurch, daß man ihnen ihr Zuhause und ihre
Nahrung nimmt und sie einem langen schmerzhaften Hungertod ausliefert."
So wie das Erinnern unteilbar und Leid nicht teilbar ist, meine Damen und Herrn, so ist
auch die Verantwortung für Verbrechen nicht teilbar. Willi Brandt kniete in Auschwitz.
Roman Herzog bat im Warschauer Ghetto um Vergebung. Deutsche haben sich zu recht für
deutsche Untaten immer wieder entschuldigt und um Vergebung gebeten. Wir vermissen aber,
daß auch die Gegner von einst sich ihrer Verantwortung stellen. Eine wahre Aussöhnung
kann es aber nicht geben, wenn das Leid des einen anerkannt und das des anderen geleugnet
wird.
III. Zukunft
Wer sich nicht erinnert und damit die eigene Verantwortung leugnet, der sät die Blumen
des Bösen: Auf dieser Saat der Selbstgerechtigkeit blüht keine Zukunft und gedeiht keine
gute Nachbarschaft in Europa.
In unserer Fraktionserklärung zur Abstimmung im Juli des vergangenen Jahres forderten wir
diejenigen Staaten auf, "die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Deutsche
verschleppt und unter unmenschlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen haben, den noch
lebenden deutschen Opfern eine der deutschen Regelung zur Zwangsarbeiterfrage
entsprechende Entschädigung in Form einer humanitären Geste zu gewähren".
Wer dies verweigert mit der Begründung, daß das deutsche Leid auf das Konto der Nazis
gehe, vergißt zweierlei: Zum einen war der Zweite Weltkrieg zu Ende. Zum anderen wurden
diese Verbrechen an zumeist unschuldigen Zivilisten begangen.. Wir wollen nur, daß die
Prinzipien der Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit für alle Menschen, d.h. auch für
Deutsche gelten.
Vaclav Havel hat recht, wenn er fordert: Jedes Volk sollte sich um einen ehrlichen Umgang
mit seiner Geschichte bemühen.
Die Geschichte kennt keinen Schlußstrich: Verantwortung für die Zukunft bedeutet
deshalb, daß wir die Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus fortführen
werden. Wohl aber muß es für die Menschen in diesem Lande die Gewißheit geben, daß die
materiellen Wiedergutmachungsleistungen irgendwann ein Ende nehmen. Denn über 70 % aller
heute lebenden Deutschen sind nach 1945
geboren.
Ich habe auch Zweifel, ob die hohen Summen, um die es hier geht, auch immer gerecht
verteilt werden können, um jedem Einzelschicksal gerecht zu werden. Leid ist vielfältig,
aber die zu verteilenden Beträge standardisiert.
Aber noch längeres Verhandeln hätte nicht mehr Gerechtigkeit gebracht, sondern
Ungerechtigkeit geschaffen (summum ius summa inuria). Wir mußten bei aller
Unvollkommenheit zur Tat schreiten, damit wir zum Ende eines langen Prozesses der
materiellen Wiedergutmachungen, zu einem abschließenden Zeichen kommen..
Das hohe Alter der überlebenden Zwangsarbeiter hätte jede weitere Verzögerung als
ungerecht erscheinen lassen.
IV. Schluß
Erinnerung, Verantwortung, Zukunft dieser Titel der Stiftung ist Ausdruck des
deutschen Bemühens um Versöhnung und materiellen Ausgleich für das von deutscher Seite
verursachte Leid. Über ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs muß
es aber auch für Deutsche eine historische Gerechtigkeit geben.
Wir fordern nicht mehr und nicht weniger als diese Gerechtigkeit.
Wir Deutsche werden das Leid, das unsere Vorväter anderen angetan haben, nicht vergessen.
Nur mit Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit schaffen wir Vertrauen.
Nur mit Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit schaffen wir eine wahre Versöhnung zwischen den
Völkern im zusammenwachsenden Europa!
Landsmannschaft Ostpreußen erfaßt deutsche
Zwangsarbeiter
Über die deutschen Opfer von Zwangsarbeit muß gesprochen werden!
Den Fragebogen bitte ausdrucken, ausfüllen und einsenden:
An die
Landsmannschaft Ostpreußen e.V.
Herrn Knapstein Tel. 040 / 41 40 08-0
Parkallee 84-86
20144 Hamburg
Erfassungsstelle Deutsche Zwangsarbeiter (AKDZ)
Erfassung deutscher Opfer von Zwangs- und Sklavenarbeit während des Krieges und in den Folgejahren
Bezugnehmend auf die anlaufende Entschädigung von
"NS-Zwangsarbeitern" bemühen sich auch die ostdeutschen Landsmannschaften um
einen gerechten Ausgleich für die deutschen Opfer von Zwangs- und Sklavenarbeit, die z.T.
von diesen Maßnahmen noch heute betroffen sind (gesundheitliche Schäden,
Rentenausfallzeiten u..ä.).
Soweit Sie selbst oder als Nachkommen von diesen Maßnahmen betroffen sind, können Sie
sich ab sofort mit Ihrem Schicksalsbericht nebst Kopien von Beweisanlagen (soweit
vorhanden) registrieren lassen.
Name, Vorname des Opfers (ggf. Sterbedatum und Ort):
______________________________________________________________
Geburtsdatum und -ort:
______________________________________________________________
Letzte Anschrift in der Heimat:
______________________________________________________________
Welche Gewalt durch Behörden oder Sicherheitsorgane haben Sie erlebt?
______________________________________________________________
______________________________________________________________
______________________________________________________________
______________________________________________________________
Wann und wo geschah das und wie lange dauerte diese Maßnahme?
______________________________________________________________
Wohin wurden Sie verschleppt oder wo waren Sie interniert?
______________________________________________________________
______________________________________________________________
Unterbringung am Ort des Zwangsaufenthaltes:
______________________________________________________________
Welche Art von Zwangsarbeit (nähere Angaben) mußten Sie verrichten?
______________________________________________________________
Haben Sie gesundheitliche Schäden aus dieser Zeit zurückbehalten, wenn ja welche?
______________________________________________________________
Welche finanziellen Nachteile aus der Zwangsarbeit bestehen heute (z.B. Ausfallzeiten in
der Rente wie lange)?
______________________________________________________________
Sind Angehörige Ihrer Familie durch Gewalt umgekommen oder an deren Folgen gestorben?
______________________________________________________________
(Bitte Namen, Alter, und evtl. Vorgang des Geschehens angeben.)
______________________________________________________________
______________________________________________________________
______________________________________________________________
Ich bin damit einverstanden, daß obige Angaben im Rahmen der öffentlichen Diskussion zur
Durchsetzung der Ansprüche deutscher Zwangsarbeiter publizistisch verwertet werden.
Absender:
Name, Vorname:_________________________________________________
Anschrift:_______________________________________________________
Telefon: _______________________________________________________
Ort, Datum: _____________________________________________________
Unterschrift:_____________________________________________________