"NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG"  2001-06-26
Ein Groschen für jeden Bissendorfer

Bissendorf (ra)

"Sehr bemerkenswert. Die Bissendorfer beweisen vorbildlich ihr Verantwortungsbewußtsein für die gesamte deutsche Geschichte“. Mit diesen Worten hat Erika Steinbach aus dem Vorstand der StiftungZentrum gegen Vertreibungen“ gestern die einstimmige Entscheidung des Gemeinderates gelobt, für ein Dokumentationszentrum in Berlin 1500 Mark zu spenden.

Die im September vergangenen Jahres gegründete gemeinnützige Stiftung der deutschen Heimatvertriebenen will vor allem mit der Einrichtung eines Zentrums weltweit Vertreibungen entgegenwirken. Geplant ist eine „zentrale Informations-, Dokumentations-, Archiv- und Begegnungsstätte in Berlin als nationales und internationales Zentrum gegen Vertreibung, für menschliche Begegnung, friedliche Nachbarschaft zwischen den Völkern, Verständigung und Versöhnung.
Gleichberechtigte Vorsitzende der überparteilichen Stiftung sind die CDU-Bundestagsabgeordnete Steinbach und der frühere Bundesgeschäftsführer der SPD, Peter Glotz.
Erika Steinbach, die zugleich Präsidentin des Bundes der Vertriebenen ist, bezifferte den Kapitalbedarf, aus dessen Zinserträgen die Aktivitäten finanziert werden sollen, auf rund 15 Millionen Mark. Das Gebäude in Berlin, in dem das „Zentrum gegen Vertreibung“ eingerichtet werden solle, sollte nach den Vorstellungen der Stiftung vom Bund kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Finanzielle Zuschüsse erhofft sich die Organisation außerdem von den Bundesländern. Durch die Übernahme von Patenschaften und die Gewährung einmaliger Spenden sollen auch die deutschen Städte und Gemeinden das Projekt unterstützen.

„Jede Gemeinde, die sich einmalig mit einem Groschen pro Einwohner zugunsten der Stiftung beteiligt, wird in unser Internet-Patenbuch aufgenommen und erhält eine Patentafel im Zentrum gegen Vertreibungen“, heißt es in einen Schreiben, das im April auch in der Bissendorfer Gemeindeverwaltung eingetroffen ist. Würden alle deutschen Kommunen die Initiative wie gewünscht unterstützen, kämen rund acht Millionen Mark zusammen. „Uns geht es weniger um die finanzielle Seite als um ein Zeichen der Solidarität“, meinte die CDU-Bundestagabgeordnete Steinbach gestern auf Anfrage. Aus ganz Deutschland liegen nach ihren Worten bislang gut 50 feste Zusagen sowie mehrere Dutzend Absichtserklärungen vor. Das „Zentrum gegen Vertreibung“ soll allgemein zugänglich einen Gesamtüberblick über die Vertreibung der mehr als 15 Millionen Deutschen geben und der Aufarbeitung dieses Teils deutscher und europäischer Geschichte dienen.

„In der Hauptstadt Berlin und über das Internet wollen wir dazu beitragen, Vertreibungen weltweit zu ächten und die Völkergemeinschaft zu sensibiliseren“, heißt es in dem von Steinbach und Glotz unterzeichneten Schreiben an die Kommunen, „wir wollen auch die Integration der vielen entwurzelten Landsleute in den Städten und Gemeinden mit den Auswirkungen auf alle Lebensbereiche dokumentieren und darstellen. Die Leistungen der Gemeinden sollen dabei ebenso sichtbar werden wie der Integrationswille der Heimatvertriebenen und Aussiedler“.

Wie Bissendorfs hauptamtlicher Bürgermeister Georg Harcke gestern auf Anfrage erklärte, wolle die Gemeinde mit ihrem Engagement „ein Zeichen setzen“. Harcke, auf dessen Inititive hin der Beschlußvorschlag im Verwaltungsausschuß und am Donnerstagabend auch im Gemeinderat einstimmig gebilligt wurde, sprach von einer moralischen Verpflichtung. Viele Vetriebene hätten ebenso entsetzlich gelitten wie Zwangsarbeiter. Bissendorf war im vergangenen Jahr die erste und bislang einzige Kommune in der Osnabrücker Region, die sich mit einem symbolischen Betrag von 15000 Mark (eine Mark für jeden Einwohner) an dem Entschädigungsfond für die Zwangsarbeiter beteiligt hat.