Zusammenfassung des Urteils des Menschenrechtskomitees der Vereinten Nationen zum Fall Dr. Karel Des Fours Walderode vom 30. Oktober 2001

Das landwirtschaftliche Vermögen von Des Fours Walderode wurde nach dem Zweiten Weltkrieg auf Grundlage des Dekretes Nr. 12 „über die Konfiskation und beschleunigte Aufteilung des landwirtschaftlichen Vermögens der Deutschen, Madjaren, wie auch der Verräter und Feinde des tschechischen und slowakischen Volkes“ vom 21. Juni 1945 entschädigungslos konfisziert. Des Fours Walderode behielt jedoch die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft, weil er die im Verfassungsdekret Nr. 33 „über die Regelung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft der Personen deutscher und madjarischer Nationalität“ unter §2 geforderten Bedingungen erfüllt hatte, nämlich:

„Personen, welche unter die Bestimmungen des §1 fallen und nachweisen, daß sie der tschechoslowakischen Republik treu geblieben sind, sich niemals gegen das tschechische und slowakische Volk vergangen und sich entweder aktiv am Kampfe um seine Befreiung beteiligt, oder unter dem nazistischen oder faschistischen Terror gelitten haben, bleibt die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft erhalten.“

Des Fours Walderode mußte erst 1949 nach der kommunistischen Machtübernahme von 1948 die Tschechoslowakei aus politischen und wirtschaftlichen Gründen verlassen, wobei er 1949 seine tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verloren hatte. Nach dem politischen Umbruch von 1989 wurde ihm wieder, nachdem er seinen ständigen Wohnsitz nach Prag verlegt hatte, vom zuständigen tschechischen Innenministerium die tschechische Staatsbürgerschaft mit 20. August 1992 verliehen.

Am 15. April 1992 trat das tschechische Restitutionsgesetz 243/1992 in Kraft, das die Rückgabe des landwirtschaftlichen Vermögens regelt, das unter dem Beneš-Dekret Nr. 12 konfisziert wurde. Eine Rückgabe ist nach dem Gesetz 243/1992 aber nur unter den folgenden Bedingungen möglich:
a.) Beibehaltung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft nach den Bestimmungen des Dekrets Nr. 33 (oder der staatsbürgerschaftlichen Gesetze von 1948, 1949 und 1953),
b.) ständiger Aufenthalt in der tschechischen Republik,
c.) Nachweis der Loyalität gegenüber der Tschechoslowakei während der NS-Okkupation und
d.) Besitz der tschechischen Staatsbürgerschaft zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Vermögensrückgabe.

Des Fours Walderode reichte fristgerecht im Bewußtsein, die im Restitutionsprogramm geforderten Bedingungen zu erfüllen, einen Antrag auf Rückgabe des konfiszierten landwirtschaftlichen Vermögens ein. Die Landesbehörde im Bezirk Semily stellte nach eingehender Prüfung des Antrags am 10. März 1993 (PU-R 806/93) Des Fours Walderode einen positiven Bescheid aus. Eine von der Stadtverwaltung in Turnov/Turnau eingereichte Beschwerde wurde von der Zentralen Landesbehörde im Bezirk Semily mit Bescheid vom 30. Juli 1993 (1391/93-50) abgewiesen. Der Betroffenen konnte somit am 29. September 1993 wieder in den Genuß seines ehemals konfiszierten Besitzes kommen.

Am 29. April 1993 richtete der damalige tschechische Regierungschef Vaclav Klaus ein Schreiben an die für Vermögensfragen zuständigen Ministerien und an die Verantwortlichen im Bezirk Semily, in dem Klaus festhielt, daß eine Rückgabe des vor 1948, also auf Grundlage der Beneš-Dekrete, konfiszierten Vermögens „zwar rechtens, aber nichtsdestoweniger inakzeptabel ist.

Am 22. Dezember 1994 erklärte die für den Bezirk Semily zuständige Staatsanwaltschaft die Entscheidung der Landesbehörde vom 10. März 1993 auf Rückgabe des landwirtschaftlichen Vermögens an Des Fours Walderode für null und nichtig.
Am 29. Dezember 1994 wurde diese Entscheidung aber vom Bezirksgericht wieder aufgehoben.

Am 7. August 1995 brachte eine gegen Des Fours Walderode initiierte Bürgerinitiative eine Petition zur Aufhebung des Bescheides vom 10. März 1993 ein, die jedoch die Zentrale Landesbehörde im Bezirk Semily am 17. Oktober 1995 mit einem Verweis auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung vom 10. März 1993 ablehnte. Dennoch veranlaßte das tschechische Landwirtschaftsministerium am 23. November 1995 die Aufhebung der Entscheidung vom 10. März 1995wegen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Betroffenen zum ständigen Wohnsitz“. Des Fours Walderode legte gegen die Entscheidung des tschechischen Landwirtschaftsministeriums am 22. Januar 1996 eine Beschwerde beim Obersten Gerichtshof in Prag ein.

Am 9. Februar 1996 erfolgte eine Abänderung des Gesetzes 243/1992, wobei die im Gesetz 243/1992 geforderte Bedingung „ständiger Aufenthalt“ beseitigt wurde, weil sie dem Gleichheitsgrundsatz in der tschechischen Verfassung widerspricht. In das Gesetz 243/1992 wurde aber eine neue Forderung eingebaut, nämlich der ununterbrochene Besitz der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum 1. Januar 1990.
Bereits am 3. März 1996 kam die Änderung im Fall Des Fours Walderode rückwirkend zur Anwendung. Diese Änderung erwirkte, daß Des Fours Walderode keinerlei Ansprüche mehr auf eine Rückgabe des ehemals konfiszierten Vermögens geltend machen konnte, weil er nach seiner Flucht von 1949 die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verloren hatte.
Am 4. April 1996 reichte Des Fours Walderode beim Prager Stadtgericht eine Beschwerde gegen die Entscheidung der Landesbehörde im Bezirk Semily ein.

Des Fours Walderode hat 1996 aus der Befürchtung heraus, die tschechischen Behörden könnten das Beschwerdeverfahren aufgrund seines fortgeschrittenen   Alters absichtlich verzögern, das UN-Komitee für Menschenrechte mit seinem Fall beauftragt.

Gegenüber dem UN-Komitee für Menschenrechte argumentierte Des Fours Walderode in seiner Klageschrift damit, daß
a.) die Annullierung des Vermögensrückgabebescheides vom 10. März 1993 allein aus politischen und wirtschaftlichen Motiven erfolgt ist. Außerdem wurde nach seiner Meinung das Gesetz 243/1992 nur deshalb in seiner ursprünglichen Form geändert, um ihn
b.) bewußt aus dem tschechischen Restitutionsprogramm auszuschließen. Außerdem wurde, so Des Fours Walderode gegenüber dem UN-Komitee für Menschenrechte,
c.) das laufende Verfahren durch die Entscheidung des tschechischen Landwirtschaftsministeriums von 1995 politisch zu seinen Ungunsten beeinflußt. Die Gesetzesänderung vom 9. Februar 1996 erwirkte zudem, daß er gegenüber den anderen Antragstellern, für die diese Änderungen nicht gelten,
d.) arg diskriminiert werde, weil das Gesetz in seiner geänderten Form eine Unterscheidung von Opfergruppen mit einer unterschiedlichen Behandlung vornimmt.

Das UN-Komitee kommt in seinem Urteil vom 30. Oktober 2001 zur Überzeugung, daß die Änderung im Gesetz 243/1992 eine grobe Benachteiligung für Des Fours Walderode bewirkt hatte. Die Änderung im Gesetz 243/1992 erweckt den Anschein der politischen Willkür und führte in weiterer Folge zu einer für die ehemaligen Konfiskationsopfer diskriminierenden Unterscheidung. Das UN-Komitee erkennt darin eine Verletzung von Art. 26 des „Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte“.

Der Tschechischen Republik, die sich dem Urteil des UN-Komitees für Menschenrechtsfragen unterworfen hat, wird die Verpflichtung auferlegt, der Witwe des inzwischen verstorbenen Des Fours Walderode das landwirtschaftliche Vermögen zurückzugeben oder eine angemessene Wiedergutmachung zu leisten. Außerdem ist die Tschechische Republik angehalten zu überprüfen, inwieweit die eigene Gesetzgebung weitere Verletzungen der im „Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ formulierten Bestimmungen ermöglicht.

Die Tschechische Republik wird dieses Urteil veröffentlichen und das Komitee nach Übermittlung dieses Urteils innerhalb einer Frist von 90 Tagen über entsprechende Maßnahmen im Sinne des Urteils informieren.

Dieser Text wurde veröffentlicht 2003-01-14 von:
Sudetendeutsche Landsmannschaft in Österreich, Bundesverband
A-1030 Wien, Steingasse 25
Tel +43 1 718 59 19 * Fax +43 1 718 59 23
E-Mail: sloe@chello.at - Internet: http://www.sudeten.at