Jugendforum gegen destruktive Diskussionsweise zwischen Deutschen und Tschechen

Die in den letzten Wochen zwischen Prag und Wien wieder aufgeflammte Diskussion über „historische Altlasten“ hat schnell auf den deutsch-tschechischen Dialog übergegriffen und ihn unnötigerweise belastet. Die in Schwarz-Weiß-Malerei vorgetragenen Argumente haben gezeigt, daß die gegenseitigen Beziehungen immer noch sehr zerbrechlich sind. Schnell endet man in der Diskussion zwischen Tschechen, Deutschen und Österreichern immer wieder bei geschichtlichen Fragen.

Trotz aller rein zukunftsorientierten Erklärungen zeigt sich daran deutlich, wie tief die gemeinsame Geschichte unsere heutigen Beziehungen prägt. Am Beispiel der aktuellen Äußerungen von Miloš Zeman und Vaclav Klaus und einigen darauf folgenden Reaktionen sieht man, wie leicht sich die Geschichte in populistischen Äußerungen mißbrauchen läßt. Um so größeren Wert legen wir auf eine ernsthafte Beschäftigung mit der Vergangenheit. Diese ist in der öffentlichen Diskussion der letzten Jahre leider von deutscher wie von tschechischer Seite vernachlässigt worden. Isoliert von der Vergangenheit läßt sich jedoch weder Gegenwart begreifen, noch Zukunft verantwortlich gestalten. Das deutsch-tschechische Jugendforum setzt sich deshalb für einen konstruktiven Umgang mit der Vergangenheit ein.

Die oberflächliche Art und Weise der aktuellen politischen Argumentation wirkt sich hemmend auf die deutsch-tschechische Verständigung auch im gesellschaftlichen Bereich aus. So wird die jahrelange Arbeit vieler Organisationen und engagierter Einzelpersonen auf diesem Gebiet unnötig erschwert. Damit Geschichte weder totgeschwiegen noch irrational instrumentalisiert werden kann, ist vor allem Mut zur sachlichen Kontroverse gefragt. Kurzfristige politische Ziele dürfen diesen Bemühungen nicht übergeordnet werden.

Aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz muß besonders die Historikerkommission in die Pflicht genommen werden. Sie hat einen bildungspolitischen Auftrag wahrzunehmen und verstärkt an die Öffentlichkeit zu gehen. Wir fordern den Koordinierungsrat auf, sich offen und ohne politische Scheuklappen gerade auch mit den kontroversen Kapiteln der deutsch-tschechischen Geschichte zu beschäftigen.

Dieses Memorandum wurde vom deutsch-tschechischen Jugendforum bei seiner Tagung am Wochenende (22. – 24. Februar 2002) verfaßt und in der Tschechischen Presseagentur veröffentlicht.

Das Jugendforum ist zusammengestellt von Vertretern verschiedener Verbände, Vereine und auch Einzelpersonen, die sich für die Poblematik
interessieren. Es zählt 40 Mitglieder, 20 aus jedem Land.
Finanziert wird das Forum durch die Bundesrepublik Deutschland (Sozialministerium), den Zukunftsfonds.

Adam Slaby 2002-02-26