Die „Reinigung“ der Sudetenländer
war Thema des Leitartikels in der „Deutschmährischen Volkszeitung“.
In der am 6. September 1912 in Brünn erschienenen Ausgabe steht zu lesen:

„In dem Sprachschatz der Tschechen sind einige Perlen enthalten, welche man dem nationalen Kampf und der dabei entwickelten edlen Gesinnung des tschechischen Volkes verdankt. Das schönste Produkt in dieser Beziehung ist das Wort „Ocista“, d.h. Reinigung. Damit ist nun aber keineswegs eine Reinigung der Seele von böser Schuld, des Leibes von Unrat, des Hauses von Ungeziefer oder dergleichen gemeint – nein, diese Reinigung gilt dem „schmählichen“ Dasein der Deutschen in den Ländern der heiligen Wenzelskrone.

In den Augen eines jeden echten Tschechen – ob Mann, ob Frau ist gleich – gilt es als eine Schmach, daß in den Gefilden, die dereinst vom tschechischen Staatsrecht geschirmt werden sollen, noch ein deutsches Lebewesen wohnt. Der tschechische Größenwahn hat es dazu gebracht, daß das Wort von der Reinigung der Länder der Wenzelskrone von den Deutschen kein leeres Wort geblieben ist, sondern sehr sichtbare Taten des Deutschenhasses gezeigt hat. Es ist eine der wichtigsten Seiten der tschechischen Politik geworden, und die Ausrottung, Vertreibung der Deutschen überall dort, wo das Tschechentum die Macht hat, greift von Jahr zu Jahr mehr um sich.

Heute dürfte es kein Deutscher wagen, in einer tschechischen oder tschechisierten Stadt ein Geschäft zu eröffnen; es könnte die besten Waren und die niedrigsten Preise haben, er ginge zugrunde, denn kein Mensch würde bei ihm kaufen. Wenn ihm nicht Ärgeres geschähe und seine persönliche Sicherheit und die seines Eigentums nicht schwer bedroht würden.

Während sich, abgesehen von den tschechischen Minderheiten, in allen deutschen Gegenden – in letzter Zeit auch immer zahlreicher in deutschen Alpengegenden – tschechische Schuster, Schneider, Wäscheputzer usw. niederlassen und auf dem Wege zur Wohlhabenheit sind, wenn sie herausfordernd auftreten, dulden die Tschechen in dem vorwiegend tschechischen Sprachgebiet keinen Deutschen. Es ist bekannt, daß sich diese Feindseligkeit auch auf die deutschen Besitzer der Gutsherrschaften und Fabriken erstreckt, die von ihnen dazu genötigt werden, tschechisches Personal zu halten. Daß ein deutscher Gutsbesitzer oder Fabrikant es unternehmen dürfte – etwa wie Tschechen im deutschen Gebiet – durch deutsches Gutspersonal oder deutsche Fabrikarbeiter Einfluß auf die nationalen Verhältnisse dieser oder jener Gegend zu gewinnen, davon kann keine Rede sein.“

Der Leitartikel in der „Deutschmährischen Volkszeitung“ endet mit: „Man muß demnach zugestehen, daß die „Ocista“ kein leerer Wahn, sondern eine sehr reale Wirklichkeit ist. Der Plan ist nicht schlecht; Vertreibung der Deutschen aus Tschechischböhmen sowie Tschechischmähren und Einbruch in das deutsche Sprachgebiet. Wenn die Deutschen das nachmachen würden, was sagten dann wohl die „sanften Taubennaturen“?

Entnommen dem Jahrbuch „Unter-Tannowitz 2001“.
Ich wüßte gerne mehr über das Umfeld solcher Berichte.
Von vielen Tschechen wird die Bedeutung eines Hanus Kuffner heruntergespielt, jegliche Deutschfeindlichkeit der ersten CSR wird geleugnet, wenn nicht sogar die Existenz der 3½ Millionen Deutschen in der CSR in Abrede gestellt wird.
Dieser Leitartikel der Deutschmährischen Volkszeitung belegt, daß es schon lange vor dem ersten Weltkrieg Spannungen zwischen den Völkern Böhmens und Mährens gegeben hat.
Sehr erstaunt mich die Formulierung von den „Gefilden, die dereinst vom tschechischen Staatsrecht geschirmt werden sollen“. Also waren bereits 1912 Bestrebungen erkennbar, die Kronländer Böhmen-Mähren-Schlesien von Wien zu trennen?? Wer darüber mehr beitragen kann, schreibe mir bitte!
ML 2001-10-14