Mißhandlungen, Morde
Berichter: H. K. W. Bericht vom 1. 5. 1951
Beim Bürgermeister von Totzau fanden sich an diesem Tag im Mai zwei
kommunistische Kriminalpolizisten ein, um nach dem Orts- und nach dem Kreisleiter der
Kreisstadt Kaaden zu fahnden, die sich angeblich im letzten Haus des Ortes versteckt haben
sollten. Die beiden begaben sich zu dem bezeichneten Haus Nr. 85 und erhielten die
Auskunft, daß die Gesuchten nicht da wären. Daraufhin drangen sie in alle Räume ein und
stießen dabei auf den Neffen des Hausbesitzers, Josef Kutt aus dem Nachbardorf Saar bei
Duppau. Er wurde für verhaftet erklärt und feuerte plötzlich Schüsse ab, die den einen
der Kommunisten töteten und den anderen verwundeten. Dann sprang er aus dem Fenster und
floh. Der Verletzte aber rannte blutend durchs Dorf. Als er beim Bürgermeister Alfred
Schmidt vorbei kam, stand dieser gerade im Hof. Der Kommunist schrie: Warum haben
Sie uns das nicht gesagt? und schoß dem Bürgermeister in die Brust. (Noch am
selben Abend wurde er, nachdem ihn Frl. stud. med. Christl Müller verbunden hatte, nach
Karlsbad ins Krankenhaus geschafft. Er genas, verstarb aber kurz nach der Aussiedlung nach
Sachsen.) Bei der Post angelangt, meldete der Kommunist den Vorfall dem nächsten
tschechischen Gendarmerieposten.
Am folgenden Tag mußte die gesamte Bevölkerung um 7 Uhr früh am Kirchplatz antreten.
Mit wüstem Geschrei der Tschechen wurden die Häuser durchsucht, die Männer verprügelt,
die brauchbaren Sachen gestohlen.
Am 2. Juni 1945, gegen 19 Uhr, rollten zwei Lastautos mit ca. 20 Soldaten der tschechischen
Revolutionsgarde, bekleidet mit bunten Stücken deutscher Uniformen und roten
Halstüchern, durch das Dorf und hielten bei der Kirche. Gleich darauf kam der Befehl:
Alle Dorfbewohner am Kirchplatz antreten! Etwas verzagt fanden sich Männer, Frauen
und Kinder ein. Den Männern wurde befohlen, ihren Oberkörper zu entblößen. Dann
mußten sie, hinter ihnen die Frauen und Kinder, in Dreierreihen antreten. Der Kommandant
stand mit der Pistole vor ihnen, die anderen gingen mit Maschinengewehren auf und ab.
Nachdem der etwas angeheiterte Kommandant die letzten Züge aus einer eben in der Kirche
gestohlenen Weinflasche getan hatte, hielt er in gebrochenem Deutsch eine Rede, in der er
immer wieder brüllte: Heute werdet ihr alle erschossen! Ganz Sudetenland muß
krepieren! Ich habe keine Angst, ich kann Blut sehen! Alle werdet ihr erschossen!
Dabei wurden die Frauen herumgejagt, die Männer gequält. Die Kinder weinten laut. Immer
wieder erscholl es: Heute werdet ihr alle erschossen!
Um diesen Reden gehörigen Nachdruck zu geben, mußten wieder alle antreten und wurden zum
letzten Haus des Dorfes geführt. Dort hatte man unterdessen Furchtbares vollbracht. In
diesem Häuschen Nr. 85 wohnte die Familie Bartl, die Ehegatten Johann und Marie und ihre
Kinder Marie, Willi und Fritz von 17, 15 und 12 Jahren. Die fünf Bewohner des Hauses
lagen, von zahllosen Schüssen durchbohrt, tot im Hausflur. Da es schon recht dunkel
geworden war, ordnete der Kommandant an, daß die Leichen mit Kerzen beleuchtet werden
müßten und dann mußten alle, Männer, Frauen und Kinder, vorübergehen und sich dieses
schaurige Bild ansehen. Hierauf mußten die Leichen außerhalb des Friedhofes verscharrt
werden.
Eine ähnliche Tragödie ereignete sich in der Nacht vom 2. auf den 3. Juni 1945 auf der
etwa 20 Minuten vom Dorf entfernten Einschicht, Kottershof Nr. 80. Hier wohnte die Familie
Sacher und der Gastwirt Klotz mit seiner Tochter Anna Bernt, geb. Klotz. Die Tschechen
erschossen, immer noch unter dem Vorwand, daß der Kreisleiter versteckt sei, das Ehepaar
Oswald und Therese Sacher, den Bruder Oswalds, Konrad Sacher und den Besitzer des
Nachbarhauses und dessen Bruder: Josef und Ludwig Tobisch. Das einige Monate alte Kind des
Paares Sacher wurde nach ca. einem Jahr in der nahen Jauchegrube gefunden. Die
Einzelheiten dieser Mordtat wurden erst allmählich bekannt, denn die Überlebenden
durften unter Todesandrohung nicht darüber sprechen. Noch in der gleichen Nacht mußte
Anna Bernt, geb. Klotz, Frau G. H. aus Chemnitz, die als Bombenflüchtling in diesem Hause
wohnte, und Frau Tobisch, die Gattin des Ermordeten, die Blutspuren verwischen und die
Leichen im Garten begraben.
Am 5. Juni 1945 kamen schon in aller Frühe Autos mit tschechischem Militär. Sie
umzingelten das Dorf, sodaß es niemand mehr verlassen konnte, durchstreiften die Felder
und Wälder, drangen in die Häuser ein, mißhandelten und plünderten. Vormittags
brachten sie den Herrn Klotz geschleppt, der in den vorhergehenden Schreckenstagen den
Verstand verloren hatte und behaupteten, bei ihm einen Revolver gefunden zu haben. Der
Kommandant brüllte: Es wurden Waffen gefunden, ich lasse 20 erschießen! Kommen
nochmals Waffen zum Vorschein, muß das ganze Dorf dran glauben! Vor der Kirche
stand ein Auto, das die Revolutionsgarde bis Mittag schon ganz mit geraubtem Gut gefüllt
hatte.
Um 3 Uhr nachmittag kam der Befehl: Die ganze Bevölkerung beim unteren Gasthaus
antreten! Auf dem Weg dorthin wurde die Bevölkerung geprügelt, die Frauen, die
nicht schnell genug laufen konnten, wurden angebrüllt: Werdet ihr laufen, ihr
deutschen Schweine! Nicht nur die Revolutionsgarde mißhandelte die Menschen, nein,
auch tschechische Zivilisten, die mit Reitpeitschen bewaffnet waren und in den.Sudetengau
gekommen waren, um sich deutschen Besitz anzueignen. In all dem schrecklichen
Durcheinander, das auf der Straße herrschte, marschierte Gendarmerie mit
Maschinenpistolen auf. Peitschenhiebe und Fußtritte hagelten auf die Frauen ein: Laufen,
deutsche Schweine!
Ein Gendarmeriehauptmann verlas die Namen von sechs ehemaligen Parteitmitgliedern, die
sich auf der anderen Seite der Straße mit dem Gesicht gegen einen alten Holzschuppen
stellen mußten. Der Führer der ganzen Gruppe, ein tschechischer Kommissar, ging dann
durch die Reihen der deutschen Männer, zog jeweils einen von ihnen heraus, bis er das
gewünschte Maß, 20 an der Zahl, voll hatte. Er äußerte sich des öfteren: Ich
will von der deutschen Sau nichts mehr wissen, oder Du blonder Germane kommst
auch noch dran, wobei er durchwegs große, blonde Männer und Burschen aussuchte.
Erst wurde ihnen, während sie mit dem Gesicht - Hände hoch - gegen den Schuppen standen,
alles weggenommen, was sie bei sich trugen, dann zog man ihnen Schuhe und Stiefel aus.
Unter Peitschenhieben, Gewehrkolbenstößen usw. hatten sie die schwersten Mißhandlungen
zu erdulden. Ein 17-jähriger Junge brach ohnmächtig zusammen. Mit einem Kübel kalten
Wassers wurde er wieder ins Leben zurückgerufen. An den Händen wurde er vom Erdboden
hochgezogen. Als man die Menschen so zwei Stunden mißhandelt und gequält hatte, befahl
ihnen der Kommandant, in Zweierreihen hintereinander anzutreten. Dann standen sie uns
gegenüber. Man zeigte uns einen ganz neuen, zerbrochenen Revolver, der angeblich gefunden
worden war. Dann hielt der Kommandant eine kurze Ansprache und erklärte, daß diese
Männer im Namen der Tschechoslowakischen Republik erschossen würden.
Maschinengewehre knatterten, einzelne Pistolenschüsse verhallten ... dann verzweifeltes,
unfaßbares Schreien von Frauen und Kindern.
Gisela Hanl, Totzau Nr. 59, schrieb dem Berichter: Auch mein
guter Mann, Otto Hanl, im dreißigsten Lebensjahr, Vater von zwei Kindern, wurde mit an
die Wand gestellt. Schuhe und Wertsachen wurden ihnen geraubt, zwei Stunden lang wurden
sie auf das Schlimmste mißhandelt. Es war kaum zum ansehen, aber trotzdem durften wir,
ihnen gegenüberstehend, keinen Blick von ihnen wenden. Wie sie sie schließlich halbtot
geprügelt hatten, gab einer den Befehl, sie hinzurichten. Im Blute lagen sie an der
Straße, wo wir in Gedanken von ihnen Abschied nehmen mußten. Für mich wäre das
Schicksal hart genug gewesen, aber ich mußte, nachdem das Maß noch nicht voll war, mit
meinen zwei Kindern wie alle anderen Ortsbewohner Haus und Hof und die liebe Heimat
verlassen, die jetzt einsam und verwüstet ist.
Frau Rosa Schmidt, Totzau Nr. 60, die damals schwanger war, berichtet:
Mein Mann, Ernst Schmidt, war gesund aus dem Lazarett heimgekehrt, wir erfreuten uns
gerade vier Wochen seiner Anwesenheit. Auch er war glücklich, seine Lieben, besonders
sein dreijähriges Söhnchen Günther, wieder zu haben. Auch ich stand mit meinem Mann und
unserem Söhnchen unter den Zitternden. Nun kam der furchtbare Augenblick. Ein Tscheche
ging durch die Reihen, maß mit stechenden, haßerfüllten Blicken die Männer und holte
einen nach dem anderen heraus. Ich stand wie gelähmt und mir schien das Blut in den Adern
zu stocken, als sich seine Blicke auf meinen Mann richteten, als man auch ihn wegriß von
seiner Familie und ihn mit Kolbenstößen und Peitschenhieben einhertrieb.... Es ist nicht
zu beschreiben, welcher Kummer und welcher Schmerz mir auf der Seele lastete, als ich mit
meinem Jungen von der Stelle ging, wo mein lieber Mann einen solchen Tod gefunden hatte.
Und als ich von meiner Heimat Abschied nehmen mußte, galt mein letzter Besuch seiner
Ruhestätte.
Frau Rosa Schmidt ist heute leidend. Sie konnte sich von dem körperlichen und seelischen
Zusammenbruch nicht mehr erholen. Nach schwerer Feldarbeit hat sie von Zwillingen
entbunden, der Junge starb gleich und das Mädchen verlor sie nach 6 Monaten.
Die Totenliste:
1. Paul Heinze
2. Josef Otto Hanl
3. Ernst Schmidt
4. Erich Leger
5. Josef Kauer
6. Wenzel Leger
7. Willibald Zörkler
8. Josef Kräupel
9. Johann Bärtl
10. Emil Meinlschmidt I
11. Emil Meinlschmidt II
12. Friedrich Schulz
13. Erich Pagelkopf
14. Josef Endisch
15. Josef Zörkler
16. Willi Klotz
17. Josef Zengler
18. Franz Schmidt
19. Rudolf Klotz
20. Erich Schmidt
Die Toten des Hauses 85:
1. Johann Bartl
2. Marie Bartl [Mutter]
3. Marie Bartl [Tochter]
4. Willi Bartl
5. Fritz Bartl
Die Toten des Kotterhofes:
1. Oswald Sacher
2. Konrad Sacher
3. Resi Sacher
4. das kleine Kind Elfriede
5. Josef Tobisch
6. Ludwig Tobisch
Nach langem Bitten durfte man die 20 Erschossenen auf dem Ortsfriedhof begraben. Sie
wurden auf drei Wagen geladen, der sie dorthin fuhr. Eine Blutstraße zeigte noch lange
den Weg an. Es wurde ein Massengrab ausgeschaufelt und die Toten hineingelegt. Kein Hügel
durfte von einem Grab künden, alles mußte eingeebnet werden und die Grasstücke mußten
wieder so darauf eingeschichtet werden, wie sie herausgestochen wurden.
Aus: Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen, Überlebende
kommen zu Wort.
Originalausgabe: Selbstverlag der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung Sudetendeutscher
Interessen, 1951
Einleitung und Bearbeitung von Dr. Wilhelm Turnwald
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