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Kleine Schritte zum Weltrecht.
Die Völkermord-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen den bosnischen Serben Nikola Jorgic ist von historischer Tragweite.
Denn Karlsruhe hat mit den vorausgegangenen Strafurteilen erstmals sowohl den Tatbestand selbst als auch die Zuständigkeit der deutschen Gerichte für solche Auslandstaten bestätigt – Gerichte jenes Landes, das aunauslöschlich mit dem Begriff "Völkermord" verbunden ist. Die Judenvernichtung der Nazis, zunächst ein Verbrechen ohne Namen, wurde später "Genocid" genannt, und so hieß auch die Konvention der Vereinten Nationen von 1948. In das deutsche Strafrecht wurde dieses Verbrechen als "Völkermord" aufgenommen und dem Weltrechtsprinzip unterstellt.
Damit war noch lange nicht klar, wer für welche Taten als Völkermörder mit Lebenslang zu bestrafen ist. Nur die Hitlers und Himmlers dieser Welt oder schon die Helfer einer "ethnischen Säuberung"?
Auch sie, erklärt das Bundesverfassungsgericht.
Das ist nicht selbstverständlich, denn der Begriff "Völkermord" scheint nur die Tötung einer Volksgruppe zu erfassen. Doch der Zweck und der gesamte Wortlaut sowohl des deutschen Strafgesetzes als auch der UN-Konvention machen deutlich: Wer die soziale Existenz einer Gruppe zerstören will, etwa durch systematische Vertreibungen, begeht "Völkermord".

Geklärt ist als Folge der Balkan-Kriege auch die Zuständigkeuit für diese Verbrechen. Die UN-Gerichtshöfe haben Priorität, die deutschen Gerichte können unter bestimmten Voraussetzungen Ausländer für im Ausland begangene Taten verurteilen. Das Netz einer neuen Weltrechtsordnung ist wieder ein wenig dichter geworden.
(ker.) (Süddeutsche Zeitung 2000-01-17)

Gut. Das Netz ist dichter geworden. Wann wird es so dicht, daß die Verbrechen an Deutschen: die Vertreibung der Ostdeutschen durch Russen, Polen, der Sudetendeutschen durch Tschechen und Slowaken, der Balkandeutschen durch Serben, Slowenen, Kroaten usw. nicht immer wieder durch die Maschen rutscht?
Daß die Vertreibung stattfand, ist das Verbrechen des Völkermordes. Daß sie unter unmenschlichen, mörderischen Bedingungen stattfand, ist nur eine "unbedeutende" Verschlimmerung. Wenn Vertreter des jungen, nach freiheitlicher Verfassung strebenden Staates "Tschechische Republik" die Exzesse bei der Vertreibung bedauern, so kann ich das nur entweder als pure Verständnislosigkeit oder als blanken Hohn empfinden. Und die Vertreter auf deutscher Seite, die immer noch nicht begreifen, daß in Potsdam genau so wenig wie in Versailles gültiges Völkerrecht geschaffen wurde, kann ich nur verachten. Wer den Völkermord des Herrn Benesch und seiner Mit-Verbrecher nicht als solches bezeichnet, bereitet den Figuren wie Milosevic den Weg. ML 2001-01-18