Leitartikel des „Kleinen Brünner Gassenboten“ 2003 Heft 1, Januar 2003:

Über positive Kritik.

Über das Lob, das die ganze Redaktion des „Gassenboten“ für ihre Tätigkeit von verschiedenen Lesern bekommen hat, haben wir schon im vorigen Jahr berichtet. Die meisten Worte der Anerkennung unserer Arbeit kamen vom Ausland, oft von gelegentlichen Lesern, nicht einmal von Mitgliedern. Aber heute will ich vom Gegenteil berichten und zwar von Kritik, die auch zu unseren Ohren gekommen ist. Diese Kritik wurde, wie es immer so ist, nicht offen in die Augen gesagt, sondern „hinter der Hand“, aber trotzdem hat sie uns erreicht. Das war aber sicher auch das Ziel.

Aber worum es sich handelt? Wir wurden kritisiert, daß wir viele Fehler in unseren Artikeln haben und daß wir ein „richtiges“ Deutsch gar nicht mehr beherrschen würden. Dazu möchte ich folgendes sagen:

Ja, leider ist es oft so, das unsere Artikel wirklich Fehler haben, und jeder kann mir glauben, daß es mich persönlich sehr, aber sehr stört und daß ich schon lange dafür kämpfe, immer vorerst eine wirklich gründliche Korrektur zu machen. Leider ist es nicht immer möglich, und zwar wegen Abwesenheit des einen oder anderen. Man muß dabei bedenken, daß einige von uns ja ständig in Deutschland wohnen und nicht immer „bei der Hand“ sind, so wie man sie brauchen würde. Aber trotzdem lesen wir die Texte noch immer einige Male durch, um diese Fehler zu vermeiden.

Aber bei den sogenannten großen offiziellen Zeitungen passiert es ja auch ab und zu, daß im Druck Fehler erscheinen, obwohl dort nur professionelle Redakteure mit Hochschulbildung arbeiten, was man von uns nicht sagen kann, wenigstens nicht im Fach Journalistik. Also sollten wir Laien, die wir diese Arbeit nur aus Liebe und Freude an der Sache tun, doch immer ein  bißchen entschuldigt werden, oder?

Ein Sprichwort sagt ja auch, daß der, der nichts macht, auch keine Fehler macht!

Was mich aber eher auf die Palme gebracht hat, war die Kritik wegen unserer Deutschkenntnisse oder eher Nichtkenntnisse.

Weil diese Kritik aus dem Ausland kam, so möchte ich diesen Leuten sagen: diejenigen, die sich so geäußert haben, sollen bitte bedenken, wie die Situation für uns im Jahre 1945 war! Die Vertriebenen durften ja in Deutschland oder in Österreich sofort wieder in ihrer Muttersprache reden, lesen und deutsche Schulen besuchen.

Wir aber kamen alle hier in tschechische Schulen, uns wurde die deutsche Sprache verboten. Und wenn man bedenkt, daß wir damals kleine Kinder waren, so ist es sicher nur begreiflich, das wir unsere Muttersprache nach und nach vergessen haben! Ist das aber unsere Schuld?
Sollte so ein Kritiker nicht eher sagen: „Es ist ja ein Wunder, das diese in der Heimat gebliebener Deutschen überhaupt noch so gut Deutsch reden und schreiben, daß sie sogar eine eigene kleine Zeitung machen können!“ Das wäre dann sicher eher angebracht!
Was meine Person betrifft, so habe ich immer nach 1945 von meinem Vater gehört: „Mädel, vergiß die deutsche Sprache nicht! Wir werden zu Hause nur unter uns deutsch reden, du mußt viel das Radio in deutscher Sprache hören, du mußt deutsche Briefe an unsere Verwandten und deine Kameraden schreiben, du darfst es nie vergessen!“ 
Weil es mir auch von der Mama stets so eingetrichtert wurde und zuletzt auch von den Großeltern, so habe ich mir wirklich diese Mühe gegeben und habe die Sprache für mich gerettet. Aber wie viele von uns können das so sagen? Viele Eltern hatten ja damals eine so enorme Angst, daß sie selber den Kindern sagten, sie sollen schnell das Deutsche vergessen! Nur einige von uns haben etwas von unserer Muttersprache gerettet. Manche jüngere unter uns haben sich ihre Deutschkenntnisse sogar erst als Erwachsene angeeignet! Um so mehr tut es dann weh, wenn wir gerade solche Kritik hören müssen.

Freilich benutzen wir sicher auch nicht die Ausdrücke, die nun in Deutschland üblich sind. Die modernen, oft aus dem Englischen übergenommenen Ausdrücke sind uns fremd, und wir verstehen sie oft gar nicht. Sind wir aber deshalb um etwas ärmer geworden? Ich denke: eher das Gegenteil!

Eines sollte auch noch bedacht werden: Mit unserem „Kleinen Brünner Gassenboten“ bieten wir auch solchen Menschen erstmals eine Möglichkeit auszudrücken, was sie bedrückt oder bewegt. Da kann und sollte man keine journalistische Geschliffenheit verlangen, sondern sich eher freuen, daß sie das ausnutzen.

Und zum Ende möchte ich noch das sagen: Unlängst haben wir mit meinem Kameraden Georg über dieses Problem gesprochen. Zuletzt sagte er diesen Satz: „Es kommt ja eigentlich nur darauf an, was wir im Herzen sind, was wir in unseren Herzen tragen. Und in den Herzen sind wir Deutsche geblieben!“

Positive Kritik nehmen wir immer gerne an, denn wir sind der Meinung, daß dadurch unsere Arbeit besser wird, das ist auch unser Ziel. Aber solche Kritik soll uns offen in die Augen gesagt oder geschrieben werden, damit wir uns darüber mit unseren Kritikern unterhalten können und auch unsere Argumente mitteilen können. Das erhoffen wir uns für die Zukunft.

Daniela Horak

Und wer hier in „Mitteleuropa“ Fehler entdeckt, der sei aufgefordert, verbessernd mitzuarbeiten! ML 2003-02-16