Sudetendeutsche eröffnen „Botschaft“

PRAG – Die Sudetendeutsche Landsmannschaft (SL) hat am 25. März ein Büro in der tschechischen Hauptstadt Prag eröffnet, das der SL-Vorsitzende Bernd Posselt als „Botschaft“ bezeichnet. Damit wird – entsprechend der üblichen Verwendung dieses Begriffs – der Anspruch erhoben, als diplomatische Vertretung der „Sudetendeutschen“ zur Wahrnehmung ihrer Belange gegenüber der Tschechischen Republik zu fungieren. Die Eröffnung des SL-Büros stößt in Prag auf massiven Protest, inzwischen ist Strafanzeige erstattet worden.

Die neue „Botschaft der Sudetendeutschen“ soll nach den Worten des SL-Vorsitzenden Einfluß auf tschechische Politikerinnen und Politiker, insbesondere aber auch auf die tschechische „Zivilgesellschaft“ nehmen. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft setzt sich für die Annullierung der so genannten „Beneš-Dekrete“ ein, die in der Tschechischen Republik Verfassungsrang besitzen; sie fordert kollektive Sonderrechte für die „Sudetendeutschen“ in der Tschechischen Republik und die Rückgabe (oder Entschädigung) ehemaligen Eigentums von „Sudetendeutschen“, das in Folge des Zweiten Weltkriegs rechtmäßig konfisziert wurde.

Strafanzeige
Die Eröffnung des SL-Büros, an der der EU-Botschafter in Prag sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der deutschen, österreichischen und ungarischen Botschaft sowie der in Prag tätigen deutschen parteinahen Stiftungen1) teilnahmen, stößt unterdessen auf heftigen Protest. Während hochrangige Parlamentarier der Regierungskoalition an den Eröffnungsfeierlichkeiten teilnahmen, übten zahlreiche Abgeordnete verschiedener Parteien scharfe Kritik an der Einrichtung. Staatspräsident Vaclav Klaus nannte das SL-Büro „unpassend und unnötig“, der außenpolitische Sprecher der oppositionellen ODS, Jan Zahradil, erklärte, er hoffe auf ein Einschreiten der tschechischen Regierung, sollten sich die SL-Aktivitäten in der Tschechischen Republik als „gesetzwidrig“ erweisen. Inzwischen ist Strafanzeige gegen die Betreibergesellschaft des SL-Büros erstattet worden; die Vorwürfe lauten auf „Landesverrat“, „Unterstützung des Faschismus“ sowie „Anstachelung zu Nationalismus und Rassenhaß“.

„Beneš-Dekrete“: Auseinandersetzung „keineswegs abgeschlossen“
Auf Initiative des SL-Vorsitzenden Bernd Posselt hat das Europaparlament unterdessen ein Hearing zu den „Beneš-Dekreten“ durchgeführt, auf dem ein deutscher Völkerrechtsprofessor – Dieter Blumenwitz – als Experte auftrat, der mehrfach in einem Forum von „namhaften Repräsentanten des internationalen Netzwerkes der Auschwitz-Leugner“2) publiziert hat. Die Auseinandersetzung um die Dekrete, so hieß es auf dem Hearing, werde auch nach einem tschechischen EU-Beitritt andauern, die Angelegenheit sei „keineswegs abgeschlossen“.3)

Posselt, der auch stellvertretender Vorsitzender des Gemischten Ausschusses Tschechisches Parlament–Europaparlament sowie Präsident der Paneuropa-Union Deutschland ist und die „Beneš-Dekrete“ „rassistisch“ genannt hat, ist kürzlich von Außenminister Fischer gemeinsam mit zwei weiteren Funktionären der „Sudetendeutschen“ erneut in den deutsch-tschechischen Koordinierungsrat berufen worden.4)

1) s. „Wirksamste Instrumente der deutschen Außenpolitik“
2) Es handelt sich dabei um die Zeitschrift „Deutschland in Geschichte und Gegenwart“; vgl. Jens Mecklenburg (Hg.): Handbuch deutscher Rechtsextremismus, Berlin 1996 (s. „Rechtsradikales bis neofaschistisches Spektrum“ und „Unabhängige“ Gutachten (II)).
3) s. auch Annullierung später
4) Zu Posselt s. auch Europaparlament: Deutscher „Vertriebenen“-Funktionär beaufsichtigt EU-Beitritt Tschechiens

Quellen:
EU-Gutachter: Beneš-Dekrete offene Frage; Pressemitteilung der Sudetendeutschen Landsmannschaft 12.03.2003
Politicians not happy about Landsmannschaft's Prague office; CTK 25.03.2003
Sudetendeutsche jetzt mit eigener „Botschaft“ in Prag; Die Welt 26.03.2003
Sudeten German office in Prague faces criminal accusations; CTK 26.03.2003
Having Sudeten German office in Prague improper - Klaus; CTK 27.03.2003

Quelle: http://www.german-foreign-policy.com/de/news/article/1048807029.php
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