Zwei Beiträge aus dem Gästebuch des Bundes für deutsche Schrift und Sprache

Hallo Verächter und Liebhaber deutscher Schrift und Sprache, zuerst einmal etwas Grundsätzliches: Ich selbst bin 29 Jahre und kann mich noch für überlieferte kulturelle Dinge begeistern, was meines Erachtens weniger mit "Deutschtümelei" zu tun hat als vielmehr mit Neugier. Gedanken zur möglichen Entwicklung in der Zukunft finde ich halt ebenso interessant wie die Lehre aus der Vergangenheit. Das gilt im übrigen nicht nur für unsere eigene Geschichte, sondern auch für die Kultur anderer Länder. Ich renne ja nicht mit Scheuklappen durch die Gegend, wenn ich mal im Ausland bin. Wie dieses allgemein gehandhabt wird, sollte aber jedem selbst überlassen sein. Man wird das Rad der Geschichte natürlich nicht zurückdrehen können, was kein rationell denkender Mensch ernsthaft will. Und auch muß sich niemand gezwungenermaßen mit der Kultur des eigenen Landes befassen. Ärgerlich macht mich jedoch trotz - oder gerade aufgrund - vorgenannter Freiheit, daß die immer häufiger beobachtete Oberflächlichkeit bzw. Gleichgültigkeit unserer Zeit vieles verhindert oder sogar zunichte macht, was in jahrzehntelanger Kleinarbeit mühselig (wieder-)aufgebaut worden ist. Ich vermisse es, daß die Leute nachfragen, warum dieses oder jenes so ist. Es wird halt hingenommen. Am Beispiel der hier so oft erwähnten Assoziation der Frakturschrift mit dem NS-Regime: Viele machen einen großen Bogen um alles, was mit dem unliebsamen, dunklen Kapitel unserer Geschichte zu tun hat(te). Eine Folge aus der ständig geschürten "Kollektivschuld", von der sich, so scheint es fast, keiner ausschließen darf. Daß die Frakturschrift nicht von den Nazis erfunden wurde, dürfte wohl einleuchten. Aber warum glauben viele Leute an diesen falschen Zusammenhang? Meine Erklärung: Zu jener Zeit wurden nun einmal Frakturschriften benutzt. Mein Vorwurf: Die Medien haben seither zu wenig zu Richtigstellung beigetragen, stattdessen diese Gedanken mit immer wiederkehrenden Mahnungen noch verstärkt, vor allem visuell (Zeigen von Propagandaschriften aus jener Zeit als Abschreckung), so daß sich bei den Leuten eingeprägt hat: 'Ein Text in Frakturschrift? Pfui Deibel, der muß von den Nazis sein!'. Ein Vorurteil, wie sich bei näherer Ansicht des Textes herausstellen würde. Wenn ich nebenbei bemerkt an die Schriftart denke, in der die Saloons des "Wilden Westens" verschnörkelt wurden, muß ich irgendwie auch immer daran denken, daß in Amerika einst Naturvölker lebten. Nun denn. Und dann lassen sich zig Millionen Menschen von einer Handvoll Kultusminister eine Änderung der Rechtschreibregeln aufs Auge drücken und sich somit aufgrund der Regularien zu Deppen machen. Das, obwohl die Reform mehrheitlich gar nicht oder zumindest in dieser Form nicht erwünscht ist. Nur mühsam werden mehr und mehr ablehnende Stimmen laut. Gegner, die sich - zu Recht - nicht in die Gruppe der Legastheniker einordnen lassen wollen, werden als 'ewig gestrig' und 'unflexibel' niedergemacht. Kann man nicht bei der Gelegenheit gleich noch das Einmaleins für diejenigen unter uns etwas leichter gestalten, die Probleme mit Mathe haben? ;-) Lange Rede, kurzer Sinn. Ich freue mich, daß Heimatvereine, Volkstanzgruppen u.ä. kulturelle Bereicherungen sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen. Daß Überliefertes inzwischen auch mit modernen Mitteln wie z.B. Computern und dem Internet transportiert werden und so auch in einer modernen, technisierten Welt am Leben erhalten bleiben, ist für mich kein Widerspruch, sondern eine Beigabe zum bestehenden "Anfaßbaren". Und wenn man dabei ein klein wenig darauf achtet, daß gewisse Stile erhalten bleiben (Beispiel: kyrillische oder japanische Schrift für PC) - umso besser. Warum sollte das nicht auch für deutsches Kulturgut gelten? Wir in Deutschland sollten heute und in zukünftigen Generationen nur etwas mehr darauf achten, daß sich weiterhin ein friedliches Neben- und Miteinander unserer Kultur mit anderen Weltkulturen entwickeln kann und die schönen Dinge unserer Geschichte nicht von den häßlichen überschattet werden ( -> H. Jürgenliemk, 8. August 2000, DANKE für diesen Beitrag!), damit wir nicht irgendwann wieder allein dastehen. Ich möcht's jedenfalls nicht erleben. Gruß Christian
Christian Lindemann, Burgwedel, Niedersachsen, 2000-10-31-09:09:55

Ich bin zufällig auf diese Seiten gestoßen, beim Suchen nach der Herkunft meines Nachnamens. Ich las mir auch einige Gästebucheinträge durch und ich empfinde ebenso wie Christian. Eigentlich bin ich eine Entwurzelte, denn ich habe keine Tradition, an der ich festhalten kann. Jede neue Generation lebt die alte Generation weiter und baut darauf auf. Je mehr uns aus der Vergangenheit mitüberliefert wird, um so fester sind unsere Wurzeln verwachsen und wir haben einen guten Stand. Nehmen wir doch nur einmal die Ureinwohner von Amerika (American Native), wären sie nicht so fest mit Ihrer Tradition verbunden, wären sie schon längst nach der europäschen Invasion, in Ihrer heutigen Art nicht mehr da. Ich finde es gut, wenn sich Leute z.B. mit der deutschen Schrift und letztendlich Tradition beschäftigen und sich nicht den Mut von denjenigen nehmen lassen, die in allem eine Zweideutigkeit sehen wollen. Man kann doch uns Deutsche nicht nur an der nationalistischen Vergangenheit messen. Sie darf nicht vergessen werden, doch es gab auch noch eine Zeit davor und danach.
Uta, 2000-11-01