Mißhandlungen
Berichter: Dr. Ing. Kurt Schmidt
Am 19. Mai 1945 wurde ich mit meiner Familie von tschechischen Partisanen interniert,
meine Frau mit drei Kindern unter sechs Jahren, und zwar in Pribram in
Böhmen, 75 km südlich von Prag. Gemeinsam mit 300 anderen Deutschen, meist Frauen und
Kindern, vorwiegend evakuierte Schlesier. In einem ehemaligen Waisenhaus
wurden wir gefangen gehalten.
Unterbringung etwa 15-20 Personen jeweils in einem kleinen Raum ohne jede Einrichtung, die
wenigen vorhandenen Strohsäcke reichten kaum für die Kinder. Verpflegung gab es keine,
erst nach drei Tagen etwas Suppe einmal täglich, Brot acht Tage lang überhaupt keines.
Die Fenster durften nur einmal täglich geöffnet werden und zwar für eine knappe halbe
Stunde. Die Kinder durften einmal täglich für ganz kurze Zeit auf den Hof und mußten
immer im Kreise gehen.
Es galt für alle Arbeitszwang, und zwar mußten die Männer Massengräber schaufeln und
die Leichen der hingerichteten SS-Angehörigen verscharren. So mußte z. B. mein
Bürokollege Dipl.-Ing. Leinweber zusammen mit einem jüngeren Mädchen aus einer Grube,
wo die Hinrichtungen der in die Hände der tschechischen Partisanen gefallenen
SS-Angehörigen erfolgten, die durch MG und Handgranaten zerstückelten Leichen, teilweise
schon im Verwesungszustand, mit bloßen Händen auf einen Wagen laden, welcher die
Leichenteile zu den Massengräbern brachte.
Die Frauen wurden auch zu diesen Arbeiten herangezogen, so z. B. meine beiden
Schwägerinnen Else Hübner und Marie Prutky, die in der Leichenhalle des Krankenhauses
die Leichen und die bluttriefenden Einrichtungsgegenstände und Fußböden waschen
mußten. Ein anderer Teil der Frauen wurde zum Straßenkehren eingesetzt, wobei sie durch
Tschechen mißhandelt wurden. So wurden, wie ich als Augenzeuge berichten kann, eine
Gruppe von Frauen angefallen, ihnen die Haare vollständig abgeschnitten, die Gesichter
mit Ölfarbe bestrichen und die letzten Kleider durch Bemalen mit Ölfarben unbrauchbar
gemacht. Außerdem wurden ihnen die Schuhe ausgezogen, gestohlen und die Frauen außerdem
noch geschlagen und bespien.
Nach dem 9. Mai 1945, als die Russen einmarschiertn, steigerten sich die Mißhandlungen
noch mehr. Besonders die Frauen waren nach Einbruch der Dunkelheit den größten Gefahren
ausgesetzt. Die Zimmer des Internierungslagers durften nicht mehr abgeschlossen werden.
Die Russen kamen und holten sich, von den Tschechen unterstützt, was ihnen gefiel, wobei
sie entsprechende Gewalt anwandten. So wurde in einem benachbarten Lager der früheren
Berufsschule eine Frau, die sich den Russen nicht fügen wollte, vom dritten Stock in den
Hof gestürzt. Im gleichen Lager wurde eine Frau so lange vergewaltigt, bis sie tot liegen
blieb. Vier von den Frauen, die von den Russen aus dem Lager geholt wurden, kamen
überhaupt nicht mehr zurück.
Am 12. Mai erschienen unter Führung von tschechischer Gendarmerie Partisanen, darunter
auch Frauen, die mit vorgehaltener Pistole die Herausgabe des gesamten Schmuckes, Uhren,
Wertgegenstände, Bargeld bis auf den letzten Heller und Pfennig, Sparbücher und
Wertpapiere verlangten. Auch die Trauringe durften wir nicht behalten. Pro Person wurde
ein Eßbesteck belassen, spitze Messer und Scheren wurden abgenommen.
Am gleichen Tage wurde um 8 Uhr abends bekanntgegeben, daß am folgenden Tag, Sonntag, der
Abmarsch nach Prag oder Pilsen erfolgen sollte. Handgepäck durfte mitgenommen werden,
alles andere mußte zurückbleiben. Nachts kam noch eine Partie Gefangener, die wegen
Überfüllung des Lagers auf dem Hof und im Stiegenhaus übernachten mußten.
Früh kam der Befehl zum Abmarsch. Für alte und kranke Personen, sowie für Kleinkinder
standen wenige Wagen zur Verfügung, die allerdings nicht ausreichten, um all diese Leute
aufzunehmen. So setzte sich der Zug in Richtung Prag in Bewegung. Es herrschte eine
glühende Hitze. Einzelne alte und kranke Leute blieben unterwegs sitzen, bis sie
schließlich nicht mehr weiter konnten. So starben viele im Straßengraben, z. T. an
Erschöpfung, z. T. von der begleitenden tschechischen Revolutionsgarde niedergemacht.
Verpflegung gab es seit Tagen nicht. In den Ortschaften, die durchwandert werden mußten,
wurden viele überfallen und ihrer letzten Habe beraubt. Die Frauen und Kinder wurden von
den Wagen heruntergezerrt, das Gepäck wurde ihnen abgenommen und dann mußten sie zu Fuß
weiterlaufen, denn der Wagen wartete nicht. Doberschisch war nach 16 km Marsch am Abend
erreicht und man lagerte auf einer Wiese. Die Einwohner kamen in Scharen und wo
Gepäckstücke standen, wurden diese untersucht und alles was gefiel, herausgenommen. Man
forderte uns auf, alles liegen zu lassen, da uns ohnedies alle Sachen abgenommen würden.
Meine Frau mit den drei Kindern kam noch am gleichen Abend auf einem Wagen deutscher
Soldaten unter, die in die Gefangenschaft nach Prag fuhren. Der Marsch ging die ganze
Nacht bis 2 Uhr früh weiter. Die Russen kamen und suchten sich aus, was ihnen gefiel:
Koffer, Taschen etc., am liebsten Frauen. Zwischen 2 und 5 Uhr wurde im Straßengraben
gerastet. Dann ging es weiter bis nach Königssaal (Zbraslav), wo auf einer großen Wiese
die Menschen gesammelt wurden. Ein polnischer Rot-Kreuz-Angehöriger hatte ein 2-3 Monate
altes Kind im Arm, das er einer im Straßengraben verschiedenen Mutter abgenommen hatte.
Verpflegung wurde auch auf dieser Rast-Station nicht gegeben. Wasser konnte trotz
drückendster Hitze nur in geringen Mengen aus dem Orte und da nur unter scharfer
Bewachung geholt werden. Im Laufe des Tages wurden im Lager in der Nähe des Eingangs den
Lagerinsassen zwangsweise mehrere Leichen zur Schau gestellt und zwar von Frauen mit
Kindern, die den Freitod wählten, um den weiteren Qualen zu entgehen.
Dann wurde Befehl zum Aufbruch gegeben, dabei aber sämtliche Männer im Alter von 16-60
Jahren im Lager zurückbehalten. Die zurückgebliebenen Männer wurden von der
tschechischen Revolutionsgarde und russischem Militär eingehend untersucht und alle
diejenigen, die verdächtig erschienen, der Wehrmacht oder SS anzugehören,
zurückbehalten. Ich war unter den Glücklichen, die zu ihren Familien zurückkehren
durften. Als unsere Gruppe den Lagerplatz verließ, sahen wir einen jungen Mann vor einer
Grube stehen, der nun zur Hinrichtung bereitstand. Vier weitere Männer waren mit dem
Ausheben von Gruben beschäftigt. Als wir über die Straße marschierten, hörten wir
Salven von dem verlassenen Lagerplatz.
So ging der Marsch weiter. Wer noch etwas Gepäck hatte, warf Stück um Stück in den
Graben, nur um mit dem nackten Leben weiterzukommen. So verlor auch ich mein letztes Hab
und Gut. In jedem Ort Beschimpfungen und Steinwürfe sowie auch Schläge. Bei manchen
Brunnen standen Wachen und verweigerten uns die Wasserentnahme mit den Worten:
"Dieses Wasser sei für Pferde und nicht für Deutsche." Die Hitze wurde immer
unerträglicher, den dritten Tag noch keine Verpflegung. Bei Einbruch der Dunkelheit
gelangten wir in den Vorort Motol. Hier wurde im Straßengraben bis 2 Uhr früh gerastet
und dann ging es in der Dunkelheit im Eiltempo durch Prag bis zum Strahover Stadion, wo
wir am 16. Mai um 6 Uhr früh in völlig erschöpftem Zustande ankamen.
Am Strahover Stadion waren etwa 9-10.000 Personen untergebracht; unter freiem Himmel, auf
der bloßen Erde. Der Großteil der Lagerinsassen waren Wehrmachtsangehörige,
Kriegsverletzte und Kranke, die von Tschechen aus den Spitälern herausgeworfen worden
waren. Die Wehrmachtsangehörigen kamen nach 8-10 Tagen in ein anderes Lager. Daraufhin
kamen neue Zivilisten, vorwiegend Frauen und Kinder. Laut Aussage des Kochs war der Stand
zwischen 9-10.000 Personen, trotzdem jeden zweiten Tag etwa 1200 in Arbeitslager
abgeschickt wurden. Die Neuankömmlinge wurden meist aus den Zügen herausgeholt. Zwei
konkrete Fälle sind mir bekannt (Frau Schlegel aus L. und Herr Dipl.-Ing. E. von Stauden
aus Bremen). Die Genannten wurden in Winterberg bezw. Budweis interniert, als
Altreichsdeutsche wieder freigelassen und mit Fahrkarte sowie Bescheinigung von russischen
und amerikanischen Behörden versehen. Bei der Heimreise über Prag wurden sie von den
Tschechen interniert, von der R.G. aus den Zügen geholt und in das Strahower Stadion
geschafft. Von Seiten der Tschechen wurden weder amerikanische, noch russische Papiere
respektiert.
Die Verpflegung im Stadion war unzureichend. Die ersten 3 Tage überhaupt nichts, später
unregelmäßig in Abständen von 36 Stunden, später etwas geregelter einmal täglich
schwarzer Kaffe, einmal täglich eine dünne Suppe, Brot pro Tag 100 g. Als sich die
Todesfälle häuften, wurde für Kinder und Kranke eine Graupensuppe gekocht. Das Essen
wurde gruppenweise ausgegeben. Die Eimer, soweit solche vorhanden waren, die jeweils von
den Internierten zur Verfügung gestellt werden mußten, wurden vielfach in der Nacht zu
anderen Zwecken benützt. Ansonsten gab es nur offene Latrinen mitten am Platz ohne
Unterschied für Frauen, Männer und Kinder, Kranke und Gesunde, es wimmelte von Insekten.
Hauptsächlich auch der große Nahrungsmangel führte zum Ausbruch der Ruhr. Von
tschechischer Seite wurden keine Medikamente den deutschen, ebenfalls internierten Ärzten
zur Verfügung gestellt. Der Wehrmachtsarzt der Rot-Kreuz-Stelle sagte mir, daß Kinder
unter 2 Jahren und alte Leute diesen Verhältnissen nicht gewachsen sind und das Lager
nicht lebend verlassen werden. Auch ich habe dort meinen 15 Monate alten Jungen durch
Hunger verloren und die mir hierüber von der Sanitätsstelle ausgegebene Bestätigung
lautet auf Unterernährung (gezeichnet von Vogt, Uffz.). Die Leichen von täglich 12 bis
20 Personen wurden mit einem Mistwagen vom Stadion weggeführt.
Vor den Augen des ganzen Lagers erfolgten die Hinrichtungen. Eines Tages wurden 6 junge
Burschen so lange geschlagen, bis sie am Boden liegen blieben, dann mit Wasser begossen
(dieses mußten die deutschen Frauen holen) und dann weiter geschlagen, bis sie kein
Lebenszeichen mehr gaben. Die furchtbar zugerichteten Leichen wurden tagelang neben den
Latrinen zur Schau gestellt. Ein 14-jähriger Junge wurde mit seinen Eltern erschossen,
weil er angeblich mit einer Schere nach einem Rotgardisten gestochen hat. Außerdem gab es
auch die Prügelstrafe, welche meist im Kommandozimmer durchgeführt wurde. Auch Frauen
wurden auf den entblößten Körper mit der Peitsche geschlagen.
Zur Zwangsarbeit wurden Männer und Frauen mit Gewehrkolbenschlägen getrieben. Die Arbeit
war meist Beseitigung der Barrikaden, wobei die Arbeitenden bespieen und verhöhnt, sowie
mit Steinen beworfen wurden. Verschiedentlich sind Frauen, vereinzelt auch schwächere
Männer von der Arbeit nicht mehr zurückgekehrt. An vereinzelten Arbeitsplätzen
erhielten die Arbeitenden manchmal bessere Verpflegung (Kasernen der Russen, Spitäler u.
ä.).
Die Frauen waren Freiwild. Jeder kam und suchte sich aus, was ihm paßte und wenn die
Kinder um die Muter schrieen, wurden sie mit Gewalt zur Ruhe gebracht. Die Russen und auch
die Tschechen nahmen sich oft gar nicht die Mühe, die Frauen fortzuführen, zwischen den
Kindern und vor allen Lagerinsassen wurden sie vergewaltigt.
Ende Mai begannen die Abtransporte in Arbeitslager. Ich kam mit meiner Familie am 3. Juni
1945 nach Kojetitz bei Prag zum Landeinsatz. Wir waren insgesamt 63 Personen. Am 5. Juni
kam eine weitere Gruppe von 54 Zivilisten aus einem anderen Lager aus Prag an. Diese
Gruppe arbeitete auf dem Gutshof, wohingegen unsere Gruppe für zwei große Bauernhöfe
Zuckerrüben hacken mußte. Wir selbst waren in einem Pferdestall untergebracht auf nassem
Stroh, die zweite Gruppe kam in eine offene Scheune. Gleich bei unserer Ankunft wurden wir
in den Stall gesperrt, dieser verschlossen. In der Ecke stand ein Faß als Ersatz für
eine Latrine.
Dieser Zustand hielt bis Anfang August an, wo dann ein Teil der beiden Gruppen, und zwar
die Arbeitsunfähigen und kinderreichen Familien abgeschoben wurden. Es befand sich
darunter der Vater und zwei Schwestern meiner Frau und wir konnten über diese trotz
eifrigster Nachforschungen nichts erfahren. Der in Kojetitz verbliebene Rest von insgesamt
79 Personen wurde teilweise auf einige Bauernhöfe aufgeteilt, die anderen kamen in vier
dumpfige, lichtlose, nasse Kammern, zuerst auf Strohsäcke, die von unten faulten, später
zum Winter bekamen wir Wehrmachtsbetten. Unser Raum in der Größe von 4 mal 5 Metern
wurde von 13 Personen, davon 6 Kindern, bewohnt.
Im Sommer betrug die Arbeitszeit 10-12 Stunden, im Winter 8½ bis 9½ Stunden, auch
sonntags, und es wurde von uns schwerste Feldarbeit verlangt. Wir bekamen keinen Heller
gezahlt. Es gab unter der Bevölkerung wohl einige, die mit uns etwas Mitleid hatten, doch
trauten sich diese nicht, uns zu helfen, da sie sofort als deutschfreundlich verschrien
und ihrer Existenz beraubt wurden. Zu Weihnachten wurde noch ein besonderer Aufruf vom
Gemeinderat erlassen, in welchem den Leuten verboten wurde, uns irgendeine Unterstützung
zukommen zu lassen, oder den Kindern etwas Bäckerei zu geben. Zum Heiligen Abend hatten
wir schwarzen Kaffee wie jeden Abend und sonst gar nichts.
Die ersten 8 Wochen wurden wir von der Roten Garde strengstens bewacht und auf die Felder
nur mit Maschinenpistolen begleitet. Später wurde ein Tscheche namens Vales zu unserer
Bewachung bereitgestellt. Der trieb uns bei der Arbeit an und behielt sich bei der
Verteilung der sowieso geringen Verpflegungsmengen noch einen Teil für sich. Seitens des
Schaffers Vysinský war die Behandlung sehr roh, so wurde die deutsche Frau nie anders als
"deutsche Hure" und die Männer als "Bluthund" bezeichnet. Mehr
Schläge gab es bei dem Verwalter Marek, der die Frauen mit der Reitpeitsche ins Gesicht
schlug. Auch schlug er auf einen Lagerinsassen mit der Peitsche so lange ein, bis er
bewußtlos am Boden lag. Dieser Verwalter war der einzige tschechoslowakische Offizier im
Ort und gehörte den tschechischen Nationalsozialisten (Beneschpartei) an. Er spielte sich
auch groß auf und veranstaltete verschiedene Schikanen gegen die Internierten auf eigene
Faust. Hauptschuldig an den Zuständen im Lager war auch der Vorsitzende des Národní
Výbor, der Kommunist Suchý.
Die Kinder durften sich nicht vor das Tor unserer ärmlichen Behausung wagen, sofort
wurden sie beschimpft und mit Steinen beworfen und dies von halbwüchsigen Tschechen. Auch
die Erwachsenen wurden von diesen Kindern verfolgt. Es versuchten sogar einige Jünglinge,
ungefähr 14-15 Jahre, am hellichten Tage unsere Frauen zu überfallen und zu
vergewaltigen.
Gleich in den ersten Tagen unseres Aufenthaltes in Kojetitz starb ein noch nicht
2-jähriges Kind an der Folgekrankheit von Masern. Dieses Kind durfte nicht auf dem
Friedhof beerdigt werden, sondern mußte von uns selbst außerhalb des Dorfes hinter dem
Strohschober vergraben werden, natürlich ohne Sarg. Einen 16-jährigen Jungen hat der
Bauer Tuma (Kojetitz Nr. 10) nach 2-tägigem Aushungern und Einsperren im Schweinestall
trotz des Flehens nach seiner Mutter erschossen und ihn im Garten des Bauernhauses
verscharrt. Die Beerdigung dieser Leiche hat ein Deutscher namens Pelz durchgeführt. Nach
etwa 14 Tagen starb in unserem Lager die etwa 67-jährige Frau Anderson aus
Breslau an Hunger und Altersschwäche. Zwei Tage später die Schlesierin
Wittkopp an den gleichen Erscheinungen. Diese beiden Frauen waren evangelisch und
es gelang, den Pfarrer der tschechischen evangelischen Kirche zu verständigen. Dieser kam
ins Lager und veranlaßte, daß die Leichen in Holzsärge kamen und ordentlich auf dem
evangelischen Friedhof in Libis bestattet wurden. Das gleiche geschah mit der später an
Herzschwäche verschiedenen Frau Treske aus Neiße.
Anders verhielt sich der katholische Pfarrer von Kojetitz. Dieser
erlaubte anfangs nicht, daß die Deutschen die Kirche betreten und später bewilligte er,
daß Sonntag Nachmittag eine Andacht besucht wird, jedoch nicht, daß ein Deutscher das
Sakrament erhält. Auch sonst hat er jedwede Unterstützung für die Deutschen abgelehnt.
Die später gestorbenen Katholiken sind in Massengräbern ohne Särge in der
Verbrecherecke des katholischen Friedhofes beerdigt. Die zu Allerheiligen und Weihnachten
auf die Massengräber gelegten Blumen wurden von tschechischer Seite vernichtet und
entfernt. Auf dem katholischen Friedhof sind beerdigt: die Männer Hollmann (Selbstmord
bei der Verhaftung), Wieck (Prager, 46 Jahre, wahrscheinlich Folgekrankheit eines Leber-
und Magenleidens), E. von Stauden (Furunkulose mit Herzschwäche, 52 Jahre aus
Bremen), die Frauen Marie Prutky (die Mutter meiner Frau, sie starb an
Herzschwäche und Unterernährung, 72 Jahre aus Brünn), Große (Altersschwäche,
Wundbrand und Unterernährung, 70 Jahre aus Weißwasser, Schlesien). Das
Kind Baduschek (4 Jahre, wahrscheinlich Diphterie, aus Brünn) und ein Säugling Enders an
Unterernährung. Sämtliche Todesfälle innerhalb der ersten 3 Monate.
Der Arzt, der insgesamt nur zweimal ins Lager kam, betrat nicht den Stall aus Angst vor
Ungeziefer. Er sah die Kranken überhaupt nicht an, sondern sagte bloß an der Tür, er
könne ihnen nicht helfen. Der tschechischen Wache gegenüber äußerte er sich, daß die
Deutschen nur alle krepieren sollen. Dieser Arzt war aus Neratowitz bei Prag. Meine beiden
Kinder bekamen auch Masern und die Kleinere als Folgeerscheinung Lungenentzündung und
Mittelohrentzündung und lag so mit höchstem Fieber ohne Hilfe in einer zugigen Scheune
auf Stroh. Auch während der schweren Erkrankungen der Kinder mußte meine Frau von früh
bis Abend arbeiten gehen und durfte unter Androhung mit dem Erschießen nicht bei den
kranken Kindern bleiben.
Aus: Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen, Überlebende
kommen zu Wort.
Originalausgabe: Selbstverlag der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung Sudetendeutscher
Interessen, 1951
Einleitung und Bearbeitung von Dr. Wilhelm Turnwald
Bearbeitet nach dem Sonderdruck der Europa-Buchhandlung, München. ISBN
3-920325-01-0.
Hervorhebungen der nicht-sudetendeutschen Orte durch ML