Aus der Prager Zeitung 2001-07-04:
Karlsbrücke:
Das Abenteuer Restaurierung
Im März nächsten Jahres startet die Restaurierung, doch niemand weiß genau, was sie bringen wird.
Von Ewald Trojansky

Prags berühmtestes Bauwerk, die Karlsbrücke, Hauptattraktion für Touristen und Symbol der tschechischen Hauptstadt, ist vom Verfall bedroht. Die Freunde der Stadt Prag sorgen sich, aus Deutschland kamen schon die ersten Spenden für die Instandsetzung. Nun ist es soweit: Im März nächsten Jahres will die Stadt Prag mit der Restaurierung der Karlsbrücke beginnen.
Die Experten haben bereits einige Probebohrungen vorgenommen, doch niemand kann mit absoluter Sicherheit vorhersagen, auf welche Schwierigkeiten man stoßen wird. „Es könnte Überraschungen geben, wenn man die Brücke aufmacht“, erklärte der Prager Oberbürgermeister Jan Kasl in einem Gespräch mit der PZ. Unerwartete Komplikationen würden sich natürlich, so das Stadtoberhaupt weiter, auch auf den Zeitplan und die Finanzierung der geplanten Reparaturarbeiten auswirken.
Einstweilen, so Kasl, ist Folgendes vorgesehen: Die Restaurateure beginnen ihre Arbeit auf der Kleinseite (Malá strana). Die Auswirkungen für die Touristen halten sich in Grenzen. „Ein Teil der Brücke wird gesperrt sein, doch man wird weiterhin von Ufer zu Ufer gehen können, indem man den abgesperrten Teil umgeht“, sagte Kasl.
In der ersten Etappe würden nur Arbeiten über der Erde ausgeführt, doch werde man irgendwann einmal auch die Fundamente unter der Erde und unter dem Wasser angehen müssen. Ende Juni könnte dieser Teil des Projektes abgeschlossen sein. Finanziert werden soll das Ganze, so Kasl, durch die Stadt Prag, diese werde sich um Zuschüsse aus dem Staatshaushalt bemühen. Bislang habe die größte Versicherung, die Ceská pojištovna, definitiv zugesagt, sich als Sponsor an der Finanzierung des Projektes zu beteiligen.
Im September will Kasl außerdem eine öffentliche Sammlung starten, die drei Jahre laufen soll: „Es haben sich schon die ersten Interessenten gemeldet, die etwas beitragen wollen – zum Beispiel ein Bürger der Bundesrepublik, der uns einen Scheck über dreihundert Mark geschickt hat und ein Unternehmen, das 200 000 Dollar anbot.“ Die Stadt braucht das Geld: „Wir sind nicht so reich, daß wir alles aus öffentlichen Geldern bezahlen könnten.“
Die Karlsbrücke litt und leidet unter schädlichen Umwelteinflüssen, welche die historische Substanz des Bauwerkes stark angegriffen haben. Abgase lassen die Sandsteinquader brüchig werden. Das Moldauwasser nagt an den Fundamenten, schlechte Isolation führt zu einer erhöhten Feuchtigkeit. Früher wurde im Winter viel zu viel Salz gestreut; dazu kommen die natürlichen Temperaturschwankungen, die das Material im Inneren arbeiten lassen. Jirí Witzany, Rektor der Tschechischen Technischen Hochschule (CVUT) hat mit einem Expertenteam das Gemäuer untersucht. Sein Fazit: „Die Zerstörung des historischen Mauerwerkes ist so intensiv, daß – wenn der gegenwärtige Zustand fortdauert – man eine Reihe der tragenden Teile ändern muß und die Identität der Brücke verloren geht.“ Nun soll mit der Restaurierung begonnen werden. Ein Abenteuer mit unbekanntem Ausgang.

Für die Übermittlung danke ich Herrn Dr. jur. Helmut Matejka

Karlsbrücke - die Sanierung beginnt
Der Brückenteil auf der Kleinseite wird wohl gesperrt – Touristen müssen Kampa-Treppe nutzen
Von Uwe Müller
Die Karlsbrücke • auf Monate, wenn nicht sogar auf Jahre wegen Baufälligkeit gesperrt. Das Schreckensszenario für Prags Reisebranche tritt nicht ein. Doch die alte Dame, eine der ältesten mitteleuropäischen Steinbrücken, bedarf einer baldigen Sanierung. Seit Jahren machen Denkmalpfleger und Bauleute auf den alarmierenden Zustand aufmerksam (wir berichteten in PZ 27/2001). Gehör fanden sie allerdings erst bei dem jetzigen Prager Oberbürgermeister Jan Kasl. Der wird Anfang nächster Woche endlich eine Firma beauftragen können. Denn dann werden die Ergebnisse der öffentlichen Ausschreibung bekannt.

Der Baubeginn steht allerdings noch nicht fest. Optimisten glauben, daß noch im März mit der ersten Phase begonnen werden könnte. Anna Bechtholdová, rechte Hand von Oberbürgermeister Kasl im Fall Karlsbrücke, will sich allerdings nicht festlegen. „Am 18. März werden die Umschläge geöffnet und dann hoffen wir, einen Partner zu finden. Wann die Arbeiten beginnen werden, kann ich deshalb heute noch nicht sagen“, meinte sie gegenüber der Prager Zeitung. Die Baugenehmigung für die erste Phase läuft am 31. Juli 2002 aus. Bis dahin, so Bechtholdová, müsse aber begonnen werden.

Konkrete Vorstellungen für eine Sanierung der Brücke gab es schon 1991 und 1992. Sechs Jahre später, also 1997, lag schließlich eine Baugenehmigung vor. „Als Jan Kasl ins Rathaus einzog, ließ er das Projekt an heutige Bedingungen anpassen“, erklärte Bechtholdová. Wichtigstes Anliegen Kasls dabei: Transparenz des gesamten Projekts sowie ein sensibles Umgehen mit einem der wichtigsten Touristenmagneten Prags. Dem Stadtvater kam zugute, daß er selbst Bauingenieur ist und die Branche kennt. Probebohrungen wurden vorgenommen. Jirí Witzany, Rektor der Tschechischen Technischen Hochschule, untersuchte mit einem Expertenteam die mittelalterliche Bausubstanz. Kasl war sich der enormen Verantwortung für eines der historisch wertvollsten Objekte der Stadt bewußt. Hier die Entscheidungen den Beamten im Rathaus zu überlassen, könnte katastrophale Folgen haben. Zumal sich inzwischen viele Fachleute zu Wort gemeldet hatten. Kasl hatte zuvor die Projektdokumentationen aus den Jahren 1995, 1997 und 2001 zugänglich gemacht: ein wichtiger Schritt in Richtung Transparenz und Einbeziehung der Öffentlichkeit.
Um nun die Diskussionen zu kanalisieren und deren Ergebnisse für die Rekonstruktion der Karlsbrücke optimal zu nutzen, berief der Oberbürgermeister eine Expertengruppe aus sieben Mitarbeitern. Neben zwei Denkmalschützern sind ein Archäologe sowie vier Brückenbau-Experten vertreten.

Nun konnte auch Einigung zwischen dem Investor, also der Stadt Prag, den Projektanten und der Fachwelt über den ersten Bauabschnitt erzielt werden. Diese Testphase, soll sie doch zugleich offenlegen, was sich in der Brücke an „Überraschungen“ noch verbirgt, fällt jedoch in die touristische Hochsaison. Als erste werden die Brückenbögen auf der Prager Kleinseite behandelt, vom Brückenturm bis zu den Treppen auf die Kampa. Dieser Abschnitt der Brücke wird dann für Fußgänger gesperrt. Wer also auf der Prager Kleinseite hoch auf die Brücke oder von ihr herunter will, muß die Kampa-Treppen nutzen. Prags beliebtester Schausteg für einen Blick auf das historische Panorama der Kleinseite mit Burg wird – zum Glück – nicht gänzlich gesperrt, aber um knappe 200 Meter kürzer.

Prager Zeitung, Nr 11 – 2002-03-14
Mitgeteilt von Andrea Weber 2002-03-16. Danke!