Kritik an Polen
Landsmannschaft Schlesien: Vertriebene diskriminiert
Peter Pragal

Pawelka bezog sich auf einen Vorgang, der im Verbandsorgan Schlesische Nachrichten geschildert wird. Es geht um das Haus einer deutschen Aussiedlerin im schlesischen Oberglogau, die vor ihrer Übersiedlung nach Deutschland im Jahre 1980 die nach dem Kriege verliehene polnische Staatsangehörigkeit abgeben und ihren Immobilienbesitz an die Stadtverwaltung übertragen mußte. Die Frau blieb jedoch als Eigentümerin im Grundbuch stehen.
Nach dem Tod der Mutter erreichten ihre beiden in Nordrhein-Westfalen lebenden Kinder beim zuständigen polnischen Amtsgericht, als Erben ins Grundbuch eingetragen zu werden. Sie zahlten Gebühren, Erbschaftsteuer, Grundsteuer sowie die Hausversicherung und kamen für notwendige Reparaturen auf. Eine in dem Haus lebende polnische Familie weigerte sich, für ihre Wohnung und einen genutzten Laden Miete zu zahlen und wandte sich an polnische Medien.
Bald darauf griff die Politik ein. Der Woiwode teilte mit, daß er den Landrat schriftlich angewiesen habe, den Besitz im Grundbuch umzuschreiben und den Staat als Eigentümer einzutragen. Er berief sich dabei auf ein am 8. März 1946 erlassenes Dekret über „das verlassene und ehemalige deutsche Eigentum“. Diese Rechtsvorschrift sei anzuwenden, da die ursprüngliche Besitzerin ihre polnische Staatsangehörigkeit 1980 abgegeben habe.
„Öffentliche Erklärungen der polnischen Regierung über die aufgehobenen Vertreibungsdekrete stimmen also mit dem Handeln der Behörden nicht überein“, monierte der Vorsitzende der Landsmannschaft, die am Wochenende in Nürnberg ihr Deutschlandtreffen veranstaltet. Es sei nicht hinzunehmen, daß Deutsche unter Ausnahmerecht gestellt und benachteiligt würden. Pawelka verwies darauf, daß polnische Behörden in zahlreichen Fällen enteigneten Besitz an Ausländer zurückgegeben hätten, sofern diese nicht deutscher Nationalität seien.
Bisher konzentriere sich die öffentliche Debatte über die rechtlichen und politischen Folgen der Vertreibung vor allem auf die so genannten Beneš-Dekrete in Tschechien und der Slowakei, sagte Pawelka. Dabei werde zumeist übersehen, daß auch in Polen angeblich aufgehobene Nachkriegsgesetze angewandt würden, die mit den Rechtsnormen der Europäischen Union nicht zu vereinbaren seien.

Quelle: Berliner Zeitung 2003-07-11