Behördenerfahrung mit ostdeutschen Ortsnamen

Das Dorf, in dem ich 1962 geboren wurde, hieß Lowkowitz, im Kreis Kreuzburg/Oberschlesien gelegen.
1936 wurde es in Bienendorf umbenannt.
1945 führten die Polen den Namen Lowkowice ein.

In Westdeutschland wurde bei mir (ohne daß ich gefragt wurde), 1978 im Familienstammbuch als Geburtsort Lowkowitz eingetragen. In allen anderen Dokumenten (in BRD-Schulzeugnissen inkl. Studienabschlußurkunde, bei der Bundeswehr, im Personalausweis ... bis zur Rentenversicherung) hatte ich Bienendorf stehen. Ausnahme – damit es bei Reisen in die Heimat mit den polnischen Behörden zu keinen Problemen käme – wurde im Reisepaß als Geburtsort Lowkowice eingetragen.

Im Dezember 1999 wollte ich einen neuen Personalausweis beantragen. Für die lokalen Behörden war nur der Eintrag im Stammbuch von Bedeutung, und damit könnten sie mir theoretisch nur einen Ausweis mit dem Geburtsort Lowkowitz (nicht Bienendorf) ausstellen. Da aber der Name 1936 abgeschafft wurde, fanden sie Lowkowitz in den Ortsverzeichnissen nicht. Und damit konnten sie mir einen Ausweis mit einem Ort, den es nicht gibt, nicht ausstellen. Weitere Dokumente waren für sie ohne Bedeutung. Und erklären ließen sie sich von mir erst recht nichts. Die Angelegenheit wurde nach Monaten meines Bemühens an die Standesamtaufsicht weitergeleitet. Der Amtsmann von der Standesamtaufsicht führt die Arbeit der Vertreiber fort und hätte am liebsten, daß ich überall als Geburtsort den 1945 widerrechtlich eingeführten Namen Lowkowice stehen habe. Er erfindet unhaltbare "Argumente", um zu verhindern, daß im neuen Ausweis wieder der Ortsname Bienendorf eingetragen wird.

Nun ersuchte ich Hilfe beim Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung, Herrn Jochen Welt, und erhielt vom Bundesministerium des Innern folgende Antwort: "... bei der Bezeichnung des Geburtsortes im Bundespersonalausweis oder Reisepass ist entsprechend §60 der Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden –DA– vom 23.11.1987 (..) zu verfahren. Hiernach ist bei der Bezeichnung von Geburtsorten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, für die es eine allgemein übliche deutsche Bezeichnung gibt, diese zu verwenden. Die allgemein übliche deutsche Bezeichnung im Sinne von §60 DA ist bestimmt im vom Präsidenten des Bundesausgleichsamtes in Verbindung mit dem Statistischen Bundesamt herausgegebenen Gemeindeverzeichnis, das im Verlag für Standesamtswesen in Frankfurt a.M. erschienen ist. Dieses Gemeindeverzeichnis ist für die hier in Betracht kommenden Orte maßgebend. Im Gemeindeverzeichnis ist lediglich der Ort 'Bienendorf' (..) ausgewiesen; für den Ort 'Lowkowitz' gibt es keine Eintragung."

Diese Antwort war SPITZE! Herzlichen Dank!
Aber trotzdem schrieb der Amtsmann der Standesamtaufsicht, daß bei mir Lowkowice eingetragen werden soll, und als "allgemein übliche deutsche Ortsbezeichnung" erkennt er nur Namen von Orten an, die der breiten Öffentlichkeit bekannt sind z.B. Warszawa/Warschau, Roma/Rom. Seit über einem halben Jahr ist das Problem beim Gericht. Die Justiz läßt sich aber Zeit, viel Zeit. Ich habe immer noch keinen neuen Personalausweis.

Wer von Ihnen hatte mit den Behörden vergleichbare Erfahrungen gemacht?

Mit freundlichen Grüßen
                                             Artur Kurhofer.

Entnommen aus dem Treffpunkt Schlesien 2000-11-02