Willenserklärung der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik

Die Vertreter der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik, die in ihrer Eigenschaft als Führungskräfte, Verantwortliche und Mitglieder der Verbände der Deutschen und der Begegnungszentren vom 5. bis 7. Mai 2000 in Oberplan am Seminar „Zur Zukunft der Deutschen und ihrer Kultur in Böhmen, Mähren und Schlesien“ teilnahmen, beendeten dieses Seminar mit folgender gemeinsamen Willenserklärung:

Die Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien sind eine ethnische Minderheit in der Tschechischen Republik. Ihre Vorfahren haben gemeinsam mit den anderen Bewohnern das Land zu wirtschaftlicher und kultureller Blüte gebracht. Das jahrhundertelange vorwiegend friedliche Miteinander in Böhmen, Mähren und Schlesien wurde in den letzten zwei Jahrhunderten durch den Spaltpilz des Nationalismus zersetzt und endete schließlich in einer Katastrophe, der auch Juden und Tschechen zum Opfer fielen. Von den Deutschen wurde der allergrößte Teil vertrieben, und die im Lande verbliebenen wurden zu Menschen zweiter Klasse degradiert.

Seit der politischen Wende im Jahre 1989 besinnen sich die Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien verstärkt auf ihre Gemeinsamkeiten, ihre Identität und ihre Rolle als gleichberechtigte ethnische Minderheit im Land. Deutsche und Tschechen bemühen sich mehr und mehr, die vergangenen Geschehnisse in ihrem Zusammenleben offen zu diskutieren und gegenseitige Traumata abzubauen.

Bisher zeigen dabei die im Lande verbliebenen Deutschen Zurückhaltung. Noch können sich viele von den aufgezwungenen Fesseln einer Kollektivschuld nicht befreien. Nur mit Hemmungen und Zögern erinnern sie an ihre Leiden und das ihnen zugefügte Unrecht. Im Wissen um das jahrhundertelange Zusammenleben erstreben sie Gleichberechtigung und als Bürger eines gemeinsamen Landes gegenseitige Achtung und Vertrauen sowie die Entwicklung fruchtbarer Beziehungen zur Mehrheitsbevölkerung und zu allen ethnischen Minderheiten in der Tschechischen Republik. Sie fühlen sich mit den vertriebenen Landsleuten in besonderer Weise verbunden, auch wenn Anliegen und konkrete Zukunftserwartungen verschieden sind.

Die Angehörigen der deutschen Minderheit in den böhmischen Ländern wollen als eine der vom Staat anerkannten ethnischen Minderheiten ihre deutsche Sprache und ihre kulturellen Traditionen pflegen und sich somit in die kulturelle Vielfalt des vereinigten Europas einbringen.

Im Hinblick auf den bevorstehenden Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union sollte den im Lande verbliebenen Bürgern deutscher Abstammung Mut zugesprochen werden, sich bei der Volkszählung im Jahr 2001 erneut zur deutschen Minderheit zu bekennen.

Die Teilnehmer des Seminars ,,Zur Zukunft der Deutschen und ihrer Kultur in Böhmen, Mähren und Schlesien“ benennen für die nähere Zukunft folgende wichtige gemeinsame Ziele, auf deren Verwirklichung sich die Anstrengungen der deutschen Minderheit, aller ihrer Organisationen, der Begegnungszentren sowie auch der von der „Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien“ gegründeten gemeinnützigen Gesellschaften „Bildungs- und Sozialwerk“ und „Bohemia Troppau“ richten sollen.

Wir wollen die lange angestrebte Einigung der deutschen Minderheit durch Initiativen, die aus ihr selbst hervorgehen, verwirklichen.

Wir wollen. uns bemühen, unser Kulturgut in seinen regionalen Besonderheiten, in den Traditionen der multiethnischen böhmischen Länder und in den Perspektiven eines vereinigten Europas nicht nur zu bewahren, sondern gemeinsam weiterzuentwickeln.

Wir setzen uns weiterhin die Ziele,

  • die Minderheitenrechte in die Praxis umzusetzen,
  • die Jugendarbeit zu intensivieren,
  • die Erfahrungen der Erlebnisgeneration der nachfolgenden Generation zu übergeben,
  • Voraussetzungen für bessere Bildung und Aneignung von Wissen zu schaffen,
  • die Öffentlichkeitsarbeit zu verbessern und zu verstärken,
  • eine Wiedergutmachung und Entschädigung für zugefügtes Leid und Unrecht anzustreben und
  • nach dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union alle den ethnischen Minderheiten gegebenen Möglichkeiten voll zu nutzen.
  • Oberplan im Böhmerwald, den 7. Mai 2000