Gerhard Hanak Dipl.-Ing.(FH)
Sperberweg 10 a
D-82152 Krailling, den 15. Januar 2004
tel./fax: 089 8561879 e-mail: gerd@ger-han.de

Ein offener Brief

An Herrn
Prof. Dr. B. Bližkovský, CSc
Milénova 12
638 00 Brno

Werter Herr Professor Dr. Bližkovský,
Auch wenn Ihr Aufsatz „Pozoruhodná BRUNA“, erschienen in der Národný Osvobození, im heutigen und künftigen Europa absolut unakzeptabel ist, möchte ich doch sachlich auf zwei Besorgnisse eingehen, die mich in diesem Zusammenhang beschäftigen:

1
Wie lange wird die heutige und die nachwachsende Generation der Deutschen die ständigen Beschuldigungen, für die Nazi-Verbrechen verantwortlich zu sein, noch hinnehmen, hinnehmen können? 50 Jahre? 100 Jahre?

2
Wie kann die tschechische Nation im Europa der Zukunft auch ohne ständige Schuldzuweisungen und Verdächtigungen an die Adresse des deutschen Nachbarn ihre Identität bewahren?

Zu Punkt 1:
Es besteht kein Zweifel, daß sich auch die nachgewachsene Generation in Deutschland bewußt ist, daß ein verbrecherisches deutsches Regime Europa in eine Katastrophe getrieben hat. Diese Verbrechen als Tatsache anzuerkennen, ist auch für die nach dem Kriege geborenen und in einem demokratischen Staat aufgewachsenen Menschen in Deutschland keine Frage. Trotzdem fürchte ich, daß diese Generation nicht auf Dauer bereit sein wird, ständig, bei jedwedem eigenem Anspruch, auf die Schuld ihrer Vorfahren hingewiesen zu werden. Es war und ist gerade diese Generation der Deutschen, die manche nationalen Ansprüche zurückgestellt hat zugunsten der europäischen Integration. Das ständige Verlangen nach immer wieder erneuerter Schuldanerkennung könnte diese Tendenz eines Tages umkehren, besonders solange andere Nationen, die auch nicht unschuldig blieben, nicht den Mut aufbringen, sich dazu zu bekennen.

Das gilt insbesondere auch für Ihr Land, denn es ist den deutschen Menschen durchaus bewußt, daß gerade in Ihrem Land nach Kriegsende furchtbare Verbrechen an – meist unschuldigen – Deutschen begangen wurden. Es stünde Ihrem Land gut an, sich auch diesem Teil der eigenen Geschichte im Sinne der europäischen Verständigung zu stellen.

Ich bin überzeugt, daß ein solches Bekenntnis zur geschichtlichen Wahrheit auch viele Ihrer Landsleute als Befreiung von einer Last empfinden würden.

Zum Punkt 2:
Wenn Sie einen Blick auf die Landkarte werfen und sich dann eine Linie vorstellen, die vom östlichen Ende der Landesgrenze zu Österreich und zum östlichen Ende der gemeinsamen Landesgrenze zu Deutschland/Sachsen führt, werden Sie mühelos feststellen, daß grob gesehen 2/3 des tschechischen Territoriums westlich dieser gedachten Linie liegt und daß jenseits der Grenze 100 Millionen Menschen leben, die deutsch sprechen. Bei zunehmend freiem Personenverkehr kann man sich gut vorstellen, daß das auf die Entwicklung der Tschechischen Republik nicht ohne Einfluß bleiben kann und wird.

In Deutschland erscheinen heute schon viele Publikationen deutscher Wissenschaftler nur in englischer Sprache, weil der deutsche Sprachraum zu klein ist, um die Kosten zu decken. Ich sehe auch in der CR eine zunehmende Tendenz, daß wertvolle Bücher, Bildbände und ähnliches, zunehmend zweisprachig, in tschechischer und deutscher Sprache erscheinen. Dann sehe ich die vielen Satellitenantennen, die wohl auch überwiegend auf deutsche Programme ausgerichtet sind, denn meines Wissens gibt es kein tschechisches Programm, das über Satellit ausgestrahlt wird. Das sind Sachverhalte, mit denen man sich in Ihrem Land abfinden bzw.  auseinandersetzen muß.

Es ist dabei keine Hilfe, aus jeder rückwärtsgerichteten Äußerung eines mittelprächtigen deutschen Verbandsfunktionärs eine Gefährdung des tschechischen Staates abzuleiten oder gar das Gespenst von 1938 an die Wand zu malen.

Solches Verhalten zeugt nicht gerade von hohem staatlichem Selbstbewußtsein und der Überzeugung, daß im Lande alles gefestigt ist.

Es ist eine unabänderliche Tatsache, daß die tschechische Republik von deutschem Sprachraum weit umschlossen ist, und daß für die Wahrung der sprachlichen und ethnischen Identität in Ihrem Land eine europakonforme Antwort gefunden werden muß.

Die Vertreibung der Deutschen hat dieses latent bestehende Problem geografisch nur ein paar Kilometer verschoben, eine Antwort auf das eigentliche tschechische Identitätsproblem war sie nicht, oder höchstens für die 40 Jahre der Abschottung unter der kommunistischen Herrschaft.

Eine Weckung oder die Aufrechterhaltung der nationalen Ressentiments und das Schüren – unbegründeter – Ängste vor einer Gefahr von außen, wie Sie es in dem o.g. Artikel taten, ist jedenfalls die falsche Antwort, denn sie verdeckt nur Defizite in der Aufarbeitung der eigenen Geschichte und vielleicht auch ein Defizit in der Definition der Rolle der CR in der Europäischen Union.

Mit freundlichen Grüßen
Gerd Hanak.

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