Neue Zürcher Zeitung 1919-03-07 zu den Märzgefallenen
Die »Neue Zürcher Zeitung« berichtete 1919-03-07:
»Die Ereignisse in Deutschböhmen und die Akte tschechischer Brutalität gegen die
deutschböhmischen Demonstranten erregen die größte Erbitterung. Nachdem schon
vorgestern in Karlsbad, Reichenberg, Eger, Außig, Sternberg, Brüx, Mies und Neutitschein
das tschecho-slowakische Militär mit Salvenfeuer und Bajonetten gegen die deutsche
Bevölkerung gewütet hatte, die sich am Tag des Zusammentritts der
deutschösterreichischen Nationalversammlung zu durchaus friedlichen Kundgebungen für das
Selbstbestimmungsrecht der Deutschen Böhmens zusammengefunden hatte, haben gestern
tschecho-slowakische Soldaten in Kaaden und Karlsbad neuerdings Grausamkeiten gegen
Deutsche verübt.
In Kaaden wurden 17 Personen getötet, 30 schwer und 80 leicht verwundet. Auch in Karlsbad
wurden neuerdings zwei Deutsche erschossen. Die Anzahl der Todesopfer der tschechischen
Raserei in Sternberg beläuft sich auf 14. Es ist zweifellos, daß die tschechische
Regierung beabsichtigt, die Betätigung ihrer Gewalt- und Schreckensherrschaft auf das
äußerste zu treiben und vor der Anwendung schlimmster Gewaltmittel nicht
zurückschreckt. Die Wirkung dieser unbeschreiblichen Gewalttaten kann selbstverständlich
nur die sein, daß sich das Verhältnis zwischen Deutschböhmen und der tschechischen
Regierung unversöhnlich gestaltet, und daß seit den Schießereien jede Möglichkeit
einer Verständigung ausgeschlossen erscheint. Die Erbitterung in Deutschböhmen hat nicht
nur die bürgerliche Bevölkerung, sondern auch alle sozialdemokratischen Arbeiterkreise
ergriffen und wird nach diesem Blutvergießen nicht mehr schwinden. Es ist ausgeschlossen,
daß Deutschböhmen sich nunmehr unter das tschechische Joch fügen wird, und die
tschechische Regierung irrt, wenn sie glaubt, den Widerstand der dreieinhalb Millionen
Deutschböhmen mit terroristischen Mitteln unterdrücken zu können ... «
Quelle:
Rabl, Kurt: »Das Ringen um das sudetendeutsche Selbstbestimmungsrecht«; München 1958;
S. 59.
Hier wiedergegeben nach Peter Habel: Dokumente zur Sudetenfrage. ISBN 3-7844-2038-9