Die deutsche Nationalhymne

Vielleicht wurde dieser oder jener schon einmal im Leben mit der Situation konfrontiert, daß uns gegenüber behauptet wurde, die deutsche Nationalhymne – vor allem ihre erste Strophe – sei überheblich und gegen andere Völker gerichtet, denn „Deutschland, Deutschland über alles“ deutete man immer so, daß Deutschland etwas Besseres sei als andere Nationen, etwas, was über allen anderen steht usw. usw.
Ist es aber wirklich so?

Begeben wir uns auf die Spurensuche und stellen wir uns drei Fragen: 
• Wer schrieb dieses Lied?
• Wie war die Zeit damals?
• Wo und unter welchen Bedingungen entstand es?

Freilich ist allgemein bekannt, daß August Heinrich Hoffmann von Fallersleben der Dichter dieses Liedes ist. (Die Melodie stammt  – aus dem „Kaiserquartett – von Joseph Haydn.) Er wurde am 2. April 1798 in Fallersleben (heute ein Stadtteil von Wolfsburg) geboren. Er war kein Adeliger, wie man immer glaubt. Der Dichter erklärt das Wörtchen »von« selber in einem Vers vom 19. Jänner 1840: „An meine Heimat dacht ich eben, da schrieb ich mich ... von Fallersleben.

Hoffmann schenkte dem deutschen Volke nicht nur die Staatshymne, sondern auch 550 Kinderlieder, davon vertonte er ganze 80. Er gehörte einer jungen liberalen Generation an, wurde insgesamt 39mal aus den deutschen Ländern ausgewiesen. Im Jahre 1840 schrieb er seine „Unpolitischen   Lieder“,  die selbstverständlich politisch gestimmt waren, lebte in verschiedenen Städten in Deutschland und auch in Flandern.
Hoffmann starb am 19.Jänner l874 in Corvey

Wie war die Zeit, in der der Dichter lebte? Die vierziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren durch die deutsche Vielstaaterei geprägt und einer großen Anzahl von strengen Polizeimaßnahmen. Weite Kreise des Volkes und vor allem der Jugend strebten nach einer Änderung dieser Verhältnisse. Man dachte damals überall national, und es wurde eine Einigkeit Deutschlands gewünscht. Diesem Traum unterordnete sich alles, und vor allem die Patrioten, die Romantiker, die Enttäuschten aus den Freiheitskriegen stellten dieses „über  alles“ wahrhaftig als den Leitstern für die Zukunft der Nation. Es handelt sich aber nicht um den Ausdruck imperialistischer Gesinnung und Eroberungspläne, sondern um den Inbegriff der Liebe zu Land und Volk. Was den Vers »Von der Maas« betrifft, so hat eben heute kaum jemand in Erinnerung, daß der niederländische Teil von Limburg beiderseits der Maas seit 1839 zum Deutschen Bund gehörte. Freilich gehörte damals das Memelland zu den deutschen Gebieten, an der Etsch ereignete sich auch ein Stück des deutschen Schicksals, und der Belt (Balt ist als Meer) bildet auch heute noch eine Grenze Deutschlands.

Der Dichter des Liedes traf sich im Jahre 1841 mit gleichg­sinnten Freunden auf der damals zu England gehörenden Insel Helgoland. Am 26. August saß Hoffmann „auf einer einsamen Klippe der Insel, nichts als Meer und Himmel“, und in seinem Unterbewußtsein bekamen die Begriffe und Vorstellungen die Oberhand und formten sich zu Worten und Versen. Man stelle sich nur vor: ein Mann mit brennendem Herzen, voll von Vaterlandsliebe sitzt allein inmitten herrlicher Natur. Könnte er in diesen Minuten etwas so Niederträchtiges wie die Überheblichkeit eines Volkes über ein anderes im Herzen tragen? Unvorstellbar! Jeder kann ja sein eigenes Volk lieben, ohne die anderen zu hassen oder denen einen Schaden zu tun. Damals wie heute.

Aber zurück zum Lied. Das Lied war damals nicht als Staatshymne gedacht. Auf ausdrücklichen Wunsch Hoffmanns nannte man es nicht das „Deutschlandlied“, sondern „Das Lied der Deutschen“. Damit überschreitet es die Grenzen Deutschlands und wird zu unser aller Lied. Deshalb gehören wirklich böse Hintergedanken dazu, diesem Lied die Absichten zu unterstellen, die man uns gegenüber immer äußert.

Nach dem 2. Weltkrieg verboten die Besatzungsmächte das Lied als Nationalhymne. Im Jahre 1949 forderten viele Schriftsteller die Wiedereinführung dieses Liedes als Hymne des Staates. Der damalige Bundeskanzler Adenauer hat im Bulletin des Presse- und lnformationsamtes vom 6. Mai 1952 sowie im Bundesanzeiger vom 8. Mai 1952 das Lied der Deutschen zur Hymne erklärt, und zwar mit allen drei Strophen, mit der Festlegung, bei offiziellen Anlässen die dritte Strophe zu singen. Von der Behauptung des Verbots der ersten Strophe also keine Spur!

Der frühere Rektor der Universität  Tübingen, Professor Hermann  Eschenburg, sagte über dieses Lied: „Hoffmanns Werk ist ein Lied der Innigkeit und der Sehnsucht. Nicht aber der Macht und des Chauvinismus.“
Die „Bremer Nachrichten“ schrieben am 6. Mai 1952: „Das Deutschlandlied ist ein Freiheitslied geblieben. Es gibt der Sehnsucht nach der deutschen Einheit Ausdruck und dem Verlangen nach dem Recht des Volkes, sich in einem freiheitlichen Rechtsstaat zusammenzuschließen. Möge es – richtig verstanden – Richtschnur für eine neue Zeit sein.“
Sogar die englische Presse würdigte das Lied, indem sie schrieb (Manchester Guardian), daß „…die Worte der Hymne in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts von einem Mitglied jener liberalen Generation geschrieben wurden, die die Vereinigung Deutschlands erstrebte.“

Was wäre dem hinzuzufügen? Erinnern wir uns nur an den 9. November 1989, als in Berlin die Mauer fiel. Das Streben nach Einheit eines Volkes lebt, wie im vorigen Jahrhundert, so auch jetzt.

Daniela Horak

Es ist noch hinzuzufügen, daß Frau Horak diesen Artikel noch in der kommunistischen Zeit schrieb und er damals auch veröffentlicht wurde, trotz Zensur. Leider habe ich die Unterlagen darüber in Brünn, so den Namen der Zeitung, in der es veröffentlicht wurde. Ich schätze Daniela wirklich sehr, sie ist eine mutige und tief christliche Frau. 
Gerhard Hanak. Kleiner Brünner Gassenbote 2002 Heft 5 Seite 3.