Transport von Modrany
Berichter: Grenzkommissar von Wiesau. Bericht vom 21. Mai 1946 (Prag)
Die zahllosen Klagen sudetendeutscher Flüchtlinge, die von Prag kommend, den Grenzbahnhof
Wiesau am 17. Mai 1946 passierten, geben Anlaß zu diesem Bericht. Es handelt sich dabei
nicht um Feststellungen einzelner Individuen, sondern um die einmütige Klage von
insgesamt 1200 Personen. Ich möchte nun das allgemeine Leben in dem Lager beschreiben,
das für Lager wie Modrany oder Theresienstadt typisch ist.
Den Lagerinsassen ist Gehen nicht erlaubt. Ihre normale Fortbewegungsart heißt rennen.
Eine Sängerin aus Prag beschreibt das Leben folgendermaßen: "60% der deutschen
Frauen wurden den Russen zum Schänden ausgeliefert. Täglich ließen die Tschechen die
Russen ins Lager, die mich und andere Frauen nach Belieben vergewaltigten. Viele Frauen
werden noch heute vergewaltigt. Meine Beine sind nun gelähmt.
Eine schwangere Frau, die mit uns das schreckliche Lagerleben teilen mußte, wurde
gezwungen, wenn ein tschechischer Soldat den Raum betrat und dort ausspie, niederzuknien
und seine Spucke aufzulecken. Im Weigerungsfalle wurde sie geschlagen und mit Fußtritten
bedacht. Aber damit war die Sache nicht abgetan. Einer der Befehle der Soldaten ging
dahin, daß er sie zwang, ihren eigenen Auswurf zu verschlucken, nachdem er sie bis zum
Blutspucken geprügelt hatte. Erst dann hatte der Soldat das Gefühl, daß sie seinem
Befehl nachgekommen war."
Tschechische Priester, die offen erklärten, daß sie für Deutsche kein Mitleid
empfänden, weigern sich, Sterbenden die Letzte Ölung oder geistlichen Trost zu erteilen.
Tschechische Ärzte lehnen es ab, Geschlechtskrankheiten zu behandeln, welche die Folgen
von Vergewaltigungen sind, obwohl sie von den deutschen Frauen darum angefleht werden.
Syphilis wird überhaupt nicht kuriert. Tripper heilt man mit einigen Tabletten, die für
genügend erachtet werden. Alle übrigen Medikamente werden den Flüchtlingen verweigert.
Verwundete Soldaten, in deren Geschwüren es von Würmern wimmelt und die ganz mit Aussatz
bedeckt sind, werden einfach ihrem Schicksal überlassen. Sie müssen einander behandeln
und empfangen weder Verbandszeug noch Salbe. Personen, die noch keine Ruhr haben, werden
gezwungen, die schmutzige Wäsche Ruhrkranker abzulecken, je nachdem es den Soldaten
gefällt, die ihnen die infektiösen Wäschestücke ins Gesicht werfen. Weigern sie sich,
dies zu tun, werden sie bis zur Bewußtlosigkeit geprügelt.
Ein fünfzehnjähriger Junge, dessen Vater dem Lager entlief, wurde täglich geschlagen,
bis sein Vater wieder gefunden wurde. Dieser wurde dann gefesselt und mit kochendem Wasser
begossen. Die Schreie des auf diese Weise zu Tode Gefolterten hatten bei vielen
Lagerinsassen Nervenzusammenbrüche zur Folge. Krämpfe und Nervenzusammenbrüche sind
überhaupt an der Tagesordnung und die Tschechen sehen darin einen ganz natürlichen
Zustand. Es ist unmöglich, all das Geschehene zu beschreiben. Ich griff nur einige Fälle
heraus.
Ich wiederhole nochmals, daß dies keine einzelnen Feststellungen sind, sondern die
einmütige Aussage der Deutschen von Prag. Die Deutschen sind rechtlos in der
Tschechoslowakei.
Dieser Transport von Prag wurde Krankentransport genannt. Der größte Teil der
Flüchtlinge muß unverzüglich ausgeladen und ins Krankenhaus gebracht werden. 90% der
Diagnosen lauten: allgemeine Schwäche, Siechtum. Der Gesundheitszustand der Deutschen aus
Prag wird von den Ärzten als katastrophal bezeichnet.
Alle Flüchtlinge sind unterernährt und gänzlich abgemagert. Die Überfülle von Klagen
und Elend bewog mich, den Transport geradewegs zum Zielbahnhof Schwabach zu leiten, wo die
Leute ihre Aussagen machen können. Der Chefarzt von Schwabach wurde telefonisch
benachrichtigt, sodaß Vorbeugungsmaßnahmen ergriffen werden konnten, um den ansteckenden
und Geschlechtskrankheiten vorzubeugen.
Aus: Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen, Überlebende
kommen zu Wort.
Originalausgabe: Selbstverlag der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung Sudetendeutscher
Interessen, 1951
Einleitung und Bearbeitung von Dr. Wilhelm Turnwald