Mährisch Ostrau
Bericht Nr. 44. Verhaftung, Ausweisung, Todesmarsch.
Berichter: Rudolf Schneider Bericht vom 14. Juni 1950
Meine Familie und ich haben schon viele Jahre in Mährisch Ostrau gewohnt, ich habe so
wie meine Kinder auch teilweise die tschechische Schule besucht, war nicht Mitglied der
NSDAP oder irgendwelcher ihrer Formationen und Organisationen (außer NSV). Ende März
1945 mußten meine Frau und die 14-jährige Tochter Mährisch-Ostrau verlassen auf
Anordnung der Partei und begaben sich nach Aussig/Elbe zu ihren Verwandten. Ich als
Eisenbahner (ich war als Zugführer beschäftigt) durfte meine Arbeit nicht verlassen und
wollte auch nicht, habe mich mit den Tschechen immer gut vertragen und über die Politik
niemals gesprochen und nur für meinen Beruf gelebt. Außerdem spreche ich perfekt
Tschechisch, habe in der tschechischen Wehrmacht gedient und zwar gut, denn in den 2
Jahren habe ich es bis zum Unteroffizier im "Hranicársky prapor c. 3" gebracht.
Es kam aber anders. Am 30. April 1945 kamen die Russen. Ich wurde gleich von den Tschechen
verhaftet und den Russen übergeben. Nach einer Woche (eine schwere Woche) haben mich die
Russen, da man mir nichts nachweisen konnte, entlassen. In die Wohnung konnte ich schon
nicht mehr, da sie schon ein Sohn meines besten tschechischen Kollegen (Josef Nowak)
innehatte. Seine Frau hatte auch gleich den tschechischen Banditen, den sogenannten
Partisanen, eine Nachricht gegeben, daß ich wieder frei bin, so daß sie mich auf der
Straße wieder mitnahmen und in das KZ in Mährisch-Ostrau-Oderfurt (Rathaus)
einlieferten. In diesem Lager schrieb ich auch ein Gesuch an den Národní výbor. In
diesem Lager wurde mir alles genommen, was mir von den Russen noch verblieben war, auch
Kleider und Wäsche vom Leibe und ich bekam dafür eine alte Hose und Hemd. Das war alles.
In diesem Lager mußten wir sehr schwer arbeiten, auch nachts. Die erste Zeit ohne
irgendwelche Verpflegung; ich lebte nur davon, was ich in einem Abfalleimer bei der Arbeit
fand. Es ist unglaublich, aber wahr. Später bekamen wir einmal täglich eine Tasse
Fischsuppe, weder Brot noch Kartoffeln. Infolgedessen sind viele Menschen in diesem Lager
gestorben, weder Arzt noch Priester konnte zu uns. Die Toten wurden auf einer Karre von
uns auf den Friedhof in Oderfurt gebracht und dort in der Ecke verscharrt. Nach der Arbeit
mußten wir mit der Bewachung am Hofe singen und exerzieren, dabei wurden wir bis aufs
Blut geschlagen. Die tschechische Polizisten (Kommandant Oberwachmeister Prokop) haben
diesen Greueltaten mit Wollust zugeschaut.
Dabei kam meine Frau mit der Tochter aus Aussig zurück (Ende Mai 1945) und es wurde mir
von den bekannten Tschechen erzählt, daß sie sich im KZ "Mexico" befinden. Zu
ihr durfte ich nicht. Am 12. Juni 1945 wurden wir aufgefordert, uns für die Feldarbeit zu
melden, es wurde auch zugesichert, daß die Möglichkeit bestehe, unsere
Familienangehörigen mitzunehmen. So meldete ich mich auch, ebenso meine Frau und Tochter.
Denselben Abend noch wurde meine Frau in unser Lager gebracht, leider ohne Tochter, die
lag mit Fieber bei tschechischen Verwandten. Wir konnten für zwei Stunden in die Stadt,
um Mundvorrat und Kleider zu besorgen. Bereits alle hatten etwas gekocht, am Abend wurde
uns alles abgenommen und die tschechische Polizei hatte bis in der Früh damit gefeiert.
Am 13. Juni 1945 wurden wir nach Schlesisch-Ostrau gejagt, auf einen Sportplatz, dort
wurden wir noch kontrolliert, viele von uns noch weggeschleppt und geschlagen und ihnen
Kleider und Schuhe ausgezogen. Nachher ging es los, zu Fuß über Hultschin, Troppau,
Jägerndorf, drei Tage mußten wir laufen, von den tschechischen Soldaten gejagt, ohne
Rast, meistens Frauen, Kinder und alte Männer. Irgendwelche Verpflegung unterwegs haben
wir nicht bekommen. Wer umfiel, wurde in den Straßengraben abgeschoben, ob Frau ob Kind,
"chcípni, nemecká kurvo!", anderes haben wir nie gehört. Am 16. Juni 1945
wurden wir in die Wälder bei Neustadt/Oberschlesien gejagt und von der tschechischen
Eskorte noch um das letzte beraubt. Das Gebiet war aber schon von den Polen besetzt. Wir
hatten keine Ausweispapiere, konnten auch unsere Ausweisung durch die Tschechen nicht
beweisen, so konnten wir uns nur bei der Nacht weiterschleichen. Nachher haben sich die
Polen nicht mehr viel um uns gekümmert. Wir haben, da wir ohne irgendwelche
Ausweispapiere und Geld waren, auf den verschiedenen Domänen gearbeitet.
Folgende mir bekannte Personen sind auf diesem Todesmarsch, außer vielen Unbekannten,
gestorben: Fröhlich, Reichsbahnoberinspektor aus Oderfurt, begraben in Bärndorf (Krs.
Frankenstein), Ing. Schiffner aus Witkowitz, begraben in Libenau (Krs. Frankenstein).
Aus: Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen, Überlebende
kommen zu Wort.
Originalausgabe: Selbstverlag der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung Sudetendeutscher
Interessen, 1951
Einleitung und Bearbeitung von Dr. Wilhelm Turnwald