Mord an 318 deutschen Soldaten am 9. Mai 1945
Berichter: Ludwig Breyer. Bericht vom 29. Januar 1951
So wie für alle deutschen Soldaten, war auch für die Schwere-Granatwerfer-Abteilung Nr. 534 (Heimatstandort Zwickau/Sa.), die im Zeitpunkte der Bekanntgabe des Waffenstillstandes im Raume von Zittau/Sa. stand, der Kampf zu Ende. Am 8. Mai 1945 gegen 11 Uhr nachts – die Abteilung lag in Wetzwalde bei Zittau – traf die Nachricht vom Waffenstillstand ein. Die Abteilung erhielt noch einen letzten Befehl: Abmarsch in Richtung Brüx-Karlsbad. Unter Führung eines jungen Hauptfeldwebels marschierte sie in einer Lkw-Kolonne um Mitternacht in der Stärke von 375 Mann über Deutsch-Gabel-Böhmisch-Leipa bis Melnik-Brücke. Schwere Minenwerfer und Munition waren vernichtet worden, die Truppe trug nur noch Handwaffen zu Sicherungszwecken bei sich.
Wir waren von dem Willen beseelt, zu den Amerikanern zu gelangen, die standen links der Elbe, gegenüber von Melnik – und hier standen auch die ersten Tschechen.
Dabei war auch ein tschechischer Major, der wie ein Soldat unter Soldaten, ein Kamerad zu Kameraden sprach. Er verlangte von den Deutschen die Abgabe der Waffen, die sie noch trugen. Der Hauptfeldwebel glaubte den Worten des Majors, er entschied sich für die Niederlegung der Waffen, die in einer nahegelegenen Scheune gesammelt wurden.
Der jetzt aus Rußland heimgekehrte Hauptfeldwebel erklärt: „Hätte ich geahnt, was kommen würde, hätten wir unsere Waffen nicht abgegeben und die Tragödie von Libeznice wäre nie geschehen.“ Das Nächste was geschah: Die entwaffneten, die waffenlosen Soldaten mußten sich in Fünferreihen gruppieren, Arm in Arm. Zwischen 14 und 16 Uhr nachmittags – die Episode an der Brücke war vorüber – marschierten die Soldaten, begleitet von Partisanen, aus Melnik auf der Reichsstraße gegen Prag. Etwa 200 bis 300 Meter vor dem Orte Libeznice – die Melniker Partisanen waren unterwegs von anderen abgelöst worden, von dem Major war nicht mehr die Rede – mußte gehalten werden. Alles, was die deutschen Soldaten noch bei sich trugen, flog in den Straßengraben, die letzte Habe, die letzten Habseligkeiten. Nur die Uniformen behielten sie auf dem Leibe. Es kam das Kommando: „Hände hoch! Im Dauerlauf in die Ortschaft.“

Der Hauptfeldwebel sagt, was nun folgte: „Kaum waren wir in den ersten Häusern, ging das Schießen los, aus allen Türen und Fenstern, von überall her, mit allen Waffenarten. Jeder versuchte, sich zu retten und zu entkommen. Es ist leider nur den Wenigsten gelungen. Als es wieder ruhig geworden war, lagen die toten und die verwundeten Kameraden auf der Straße. Die Verwundeten wurden durch Genickschüsse getötet. Unter den 57 Männern, die dem Tode entronnen waren und von den Tschechen wieder gefangen wurden, war auch ich. Wir wurden nach Prag transportiert.“
318 deutsche Soldaten fanden den Tod. Ein anderer tschechischer Major (und damit ist erwiesen, daß z. Zt. des Blutbades in Libeznice tschechische Soldaten anwesend waren), der die überlebenden 57 Mann mit einfing, bestätigte dem deutschen Hauptfeldwebel, daß nicht alle 318 Mann sofort tot waren und durch Genickschüsse erledigt wurden, – „das hörte ich auch an den Revolverschüssen“, sagte der deutsche Hauptfeldwebel. Als später Prager Deutsche als Arbeitssklaven nach Libeznice kamen, fanden sie die blutdurchtränkten Uniformen der deutschen Soldaten in Scheunen. Erst meuchlings niedergeschossen, waren sie nachher völlig entkleidet im Vorfriedhof von Libeznice einfach eingescharrt worden.“

Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen: Überlebende kommen zu Wort.
Originalausgabe: Selbstverlag der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung Sudetendeutscher Interessen, 1951
Einleitung und Bearbeitung von Dr. Wilhelm Turnwald
Seite 333. Auf Seite 334 Lageskizze der Massengräber.

Anhang:
Geschrieben von Konrad Badenheuer am 21. Mai 2001 12:49:58:

Präzisierungen:
Dieses Massaker war am 9. Mai, nicht am 18. Mai. Der Ort schreibt sich auf Tschechisch korrekt Líbeznice, hat aber auch den deutschen Namen Rothkirchen. Der Ort liegt zwischen Melnik und Prag, aber näher bei Prag, nämlich 12 km nordnordöstlich der Stadt, also in seit jeher rein tschechischem Gebiet.

Es handelt sich um eines der größeren Massaker an deutschen Soldaten, vergleichbar etwa mit den Massenerschießungen bei Nachod in Nordostböhmen. Dort wurden in den Tagen (etwa) vom 8. bis zum 12. Mai 1945 zwischen 400 und 520 Deutsche erschossen, überwiegend entwaffnete ungarndeutsche Soldaten.

Insgesamt wurden in den böhmischen Ländern vermutlich mehrere Zehntausend deutsche Soldaten NACH der Kapitulation (nur manchmal schon zwischen dem 5. und 7. Mai 1945) massakriert. Diese hohe Zahl wird außer durch die Ereignisberichte wie den obigen durch Such- und Vermißtenmeldungen bestätigt.

Bis zum heutigen Tag hat noch kein tschechischer Politiker an einem der Orte dieser Massaker einen Kranz niedergelegt. Eine solche Geste hat ja noch nicht einmal an einem der vielen Orte von Massakern an Zivilisten stattgefunden.

MfG, Konrad Badenheuer

Pfohl: Libeznice, Libeznitz, Rothkirchen. Gemeinde. Bezirk und Gerichtsbezirk Karolinenthal (Mittelböhmen), 1120 tschechische Einwohner, nächste Eisenbahnstation Mesice (Mieschitz).