Leserbrief aus der Sudetendeutschen Zeitung vom 23. Juni 2000:

Die umstrittenen Benesch-Dekrete zur Enteignung und Vertreibung der Sudetendeutschen nach 1945 sollen die Beziehungen zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik nicht weiter belasten. Dies betonten Bundespräsident Rau und sein tschechischer Amtskollege Havel am 10. Mai im Berliner Schloß Bellevue. Mit den Dekreten solle man sich nicht mehr befassen. Sie seien Bestandteil der Geschichte und schon lange nicht mehr wirksam (Süddeutsche Zeitung vom 10. Mai 2000).
Mir liegt ein aktuelles Schreiben von einem Ehepaar Neumann aus Reichenberg vor, die beide Deutsche sind und in Dachkammern ihres aufgrund der Benesch-Verordnung Nr. 12 und Nr. 108 konfiszierten Elternhauses leben müssen. Erst kürzlich ließ der Bürgermeister das Gebäude versteigern. Obwohl sie für immer hier leben, hat man ihnen wiederum jedes Anrecht auf das Haus abgesprochen. Das bestätigte auch das Gericht Aussig. Eine diesbezügliche Petition an Präsident Havel blieb unbeantwortet.
Daß die Dekrete nicht mehr wirksam seien, ist eine eklatante falsche Behauptung. Solange sie gelten, sind sie wirksam; die tschechischen gerichtlichen Organe greifen nach wie vor darauf zurück.
Als zweiter Deutscher erhielt Bundespräsident Rau von Präsident Havel den höchste tschechischen Orden, den weißen Löwen. Vor ihm durfte sich der Ex-Kanzler Kohl diese Belobigung samt Schulterklopfen in Prag abholen.

Schlußfolgerung: Solange sich kein ernsthafter Wille zur Wiedergutmachung zeigt und solange die teuflischen Dekrete nicht als ungültig und verbrecherisch erklärt worden sind, werden wir jeden Tag aufs neue vertrieben. Solange ist auch die Tschechische Republik ein Unrechtsstaat, und dieser weiße Löwe hat keine weiße Weste.
Franz Mayer, Feldmochinger Straße 52, 80993 München.