Plünderung, Mord, Vergewaltigung
Berichter: Franz Limpächer Bericht vom 11. 5. 1946
Ich stamme aus dem Orte Kleinbocken im Kreise Tetschen/Elbe.
Von Beruf bin ich Kaufmann und hatte in meinem Geburtsort ein Kolonial-, Schnittwaren-, Getreide-, Kohle- und Baustoffgeschäft, außerdem eine Landwirtschaft in der Größe von 6.55 ha, die ich selber mit bewirtschaftete.
Am 12. 5. 1945 kam um 9 Uhr vormittags die polnische Armee in unseren Ort und damit begann unser Leidensweg. Fünf Tage lang dauerten die Plünderungen, Totschlag und Brände. Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt. Mir hatten sie in dieser Zeit meine Wertsachen, Kleider, 16.000 kg Hafer, 3000 kg Gerste, 1100 kg Zucker, für ca RM 15.000 sonstige Ware und meinen Skoda-Diesellastwagen 2½ t geraubt. Meiner Frau und meiner Tochter, die sich während dieser Zeit im Nachbarhause im Schweinestall versteckt hielt, wurden sämtliche Kleider bis auf das eine was sie anhatte, geraubt. Am 14. 5. 1945 drangen abends um ½11 Uhr nochmals Polen in mein Schlafzimmer ein, steckten mir Patronen in meine Hemdtasche, zogen sie wieder heraus und behaupteten, ich wäre ein Partisan. Ich wurde dann die Stiege hinuntergestoßen und mußte, nur angetan mit Leibwäsche, die Hände erhoben, mit Gewehrkolben geschlagen eine Stunde lang zusehen, wie mein Anwesen geplündert wurde.
Dann wurde ich außerhalb des Ortes an einen Wasserturm geschleppt und hingestellt und dreimal nach mir geschossen, ohne aber mich zu treffen und nur der bei mir beschäftigte Pole, der hinzu kam und sagte, ich hätte ihn sehr gut behandelt, rettete mir das Leben.
Die kommenden Tage waren dann immer vereinzelt ausgefüllt durch Überfälle von Russen und Polen und auf wehrlose Frauen und Mädchen, sowie Raub und Plünderung. Unterdessen war auch unser einziger Ortstscheche namens Stanislaus Mikesch, der im Jahre 1938 die Tochter meines Nachbarn geheiratet und im Jahre 1939 als großer Hitleranhänger von Kladno mit der Behauptung, er könne unter den Tschechen nicht mehr leben, in unseren Ort kam, von der Organisation Todt in deren Arbeitsuniform heimgekehrt. Am Blusenkragen hatte er 2 kommunistische Sterne, sowie 5 Trikoloren auf Anzug und Mütze. Sein erstes Wort war: „Ich bin jetzt Kommissar von den Orten Kleinbocken, Großbocken und Karlsthal und alles hätte ihm zu gehorchen.“ Er beschlagnahmte gleich mein Eigentum, bestehend aus 2 Häusern, Wirtschaftsgebäuden, Magazinen, 2 Autogaragen, Wochenendhaus im Walde und Bienenhaus mit 9 Völkern, ferner acht Stück Großvieh und 1 Kalb, 2 Schweine, 15 Hühner, 32 Stück Kaninchen und 15 Tauben. Die Geschäftswarenvorräte wurden laut Inventur mit RM 50.000.- angegeben, was aber nur dem halben Wert entspricht. Die Landwirtschaft war zur Gänze maschinell eingerichtet. Meine Frau, Tochter und ich mußten nun auf unserem Anwesen weiter arbeiten, ohne Bezahlung und ohne genügend zu essen und nur der Umstand, daß wir während des Zusammenbruchs Nahrungsmittel versteckt hielten, half uns über das Hungern hinweg.
Die Tschechen kamen nun scharenweise aus den Kreisen Prag, Pardubitz und Tabor und besetzten die ganzen Anwesen, deren Besitzer entweder über die Grenze nach Sachsen getrieben oder ins Lager gesteckt wurden. Manche wurden ins Innere von Böhmen auf Arbeit geschafft oder mußten wie ich mit Familie als Sklaven umsonst weiter arbeiten. Die Tschechen lebten nun von unserer Habe in Saus und Braus und wir mußten die Arbeit verrichten. Bemerkt sei noch, daß jeder behauptete, er sei im KZ gewesen. Wie sich aber später herausstellte, waren alle wegen Diebstahl und anderen Delikten vorbestraft, keiner politisch. Einer hatte 27 Vorstrafen wegen Diebstahl. Eine Kommission kam einmal von Prag, die bei uns übernachtete und der Leiter dieser Kommission sagte mir wörtlich: Es sei himmelschreiend, zu sehen, was diese Tschechen hier treiben.
Sonntag mußten wir den ganzen Tag für die Gemeinde Arbeiten verrichten, u. zw. Häuser einreißen, deren Besitzer schon fort waren und die den Tschechen nicht mehr schön genug waren. Dies geschah unter Aufsicht der Gendarmerie mit der Knute.
Am 24. November 1945 wurden wir, die noch auf ihren Anwesen leben durften, innerhalb einer ½ Stunde mit 30 kg Gepäck herausgejagt, von der Gendarmerie untersucht und was dieser für sich als brauchbar dünkte, wurde noch weggenommen.
Mein Bruder Richard, der Dr. der Chemie ist und Direktor bei der Firma G. Schicht A. G. in Außig-Schreckenstein war, war seit Juli 1945 im KZ in Außig, ohne daß ihm gesagt wurde, warum und weshalb, und seine Frau, die an der Kunstakademie in Paris studiert hatte, mußte Aborte ausputzen. Der Sohn, 11 Jahre alt, durfte nicht in die Schule gehen. Sein Schwiegervater, 70 Jahre alt, war Direktor der Weberei Regenhart und Weimann, saß ebenfalls im KZ Jauernig. Ein Cousin von mir, Industriebeamter in den Sandauer Eisenwerken, ebenfalls im KZ Böhmisch Leipa, seine Frau wurde mit 2 kleinen Kindern nach Sachsen über die Grenze getrieben. Ich habe gesehen, wie heuer im März die Frauenschaftsleiterin von ihrem 4jährigen Kinde, gefesselt an beiden Händen, fortgeschleppt wurde, ohne daß diese Frau in ihrem Leben irgendetwas verbrochen hatte.
Tausende sudetendeutsche Soldaten, welche von den Alliierten als krank entlassen wurden, wurden von den Tschechen, ohne daß diese ihre Angehörigen sahen, in die Kohlenschächte geschleppt.

Aus: Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen. Überlebende kommen zu Wort.
Originalausgabe: Selbstverlag der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung Sudetendeutscher Interessen, 1951
Einleitung und Bearbeitung von Dr. Wilhelm Turnwald