KK 1124 vom 30. Dezember 2000 Seite 14
Eine Stunde deutsch-tschechische Geschichte
Diesen Film (3sat, 29. November 2000) hat das österreichische
Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Auftrag gegeben, das Drehbuch
stammt von Walter Raming. Absicht war, so umfassend und gründlich dies in einer Stunde
möglich ist, über einen Zeitraum von 2000 Jahren und einen Kulturraum zu berichten, den
das Miteinander und Gegeneinander von Tschechen und Deutschen geprägt hat. Das Ergebnis
konnte beim Zuschauer nur Zustimmung erwecken, denn es wurde nichts an gewichtigen
Ereignissen ausgespart und nichts geschönt, der Film war im Gegenteil auf
begrüßenswerte Art und Weise um Objektivität bemüht.
Gewiß, die eine oder andere Episode oder auch Epoche hätte man gern ausführlicher
behandelt und das Ringen um Ausgewogenheit weniger in den Vordergrund treten gesehen, aber
solche subjektiven Einwände mindern keineswegs die Qualität des Films. Vielleicht wären
die Aussagen noch differenzierter ausgefallen, hätte man nicht diese riesige Zeitdauer zu
umspannen gesucht und sich auf die letzten beiden Jahrhunderte beschränkt dabei
hätte man dann allerdings auf Karl IV. und Rudolf II., auf die Hussitenkriege und auf den
Dreißigjährigen Krieg verzichten müssen.
Wiederholt kamen Tschechen und Deutsche mit ihren Urteilen zu Wort, und zwar mit durchaus
wohltuenden Aussagen. Es wurde nicht mit Vorurteilen operiert, sondern Historisches wurde
nach bestem Wissen und Gewissen vorgetragen. So wurde deutlich, daß die Gegensätze
zwischen Deutschen und Tschechen mit dem 19. Jahrhundert virulent wurden und in der
Gründung der Tschechoslowakei durch Tomas Masaryk und Edward Bene gipfelten. Zwar
wurden von Tschechen, Slowaken und Deutschen auch Versuche unternommen, miteinander
auszukommen. Doch es obsiegte der tschechische Nationalismus, und die Deutschen wandten
sich unter Konrad Henlein Berlin und dem Diktator Hitler zu. Weder das Münchner Abkommen
noch die Errichtung des sogenannten Protektorats, weder Lidice noch die Vertreibung der
Deutschen wurden ausgespart. Und als Zahlen wurden die tschechischen Angaben mit 30 000
und die deutschen Angaben mit 240 000 Opfern der Vertreibung genannt. Auch die
unterschiedliche Beurteilung der Bene-Dekrete wurde referiert, wobei sich Professor
Arnold Suppan von der Universität Wien durch seine klare Akzentuierung in dieser Frage
besonders auszeichnete.
Der Schluß, sicherlich gut gemeint, verfiel leider in das gängige Pathos des
optimistischen Ausblicks auf eine gemeinsame europäische Entwicklung. Dennoch kann man
für diesen so vorbildlich informierenden und reflektierenden Film nur dankbar sein.
Video (KK)
Quelle: KK1124 Seite 14. 2000-12-30