Technisches Denkmal erstrahlt in neuem Glanz
Rekonstruktion des Eisenbahn-Viadukts in Jezernice (Jesernik)
Ausschnitt
aus der Generalkarte von Mitteleuropa 1:200000 Ausgabe von 1893, Nachdruck 1969.
Im tschechischen Jezernice (Jesernik) einem kleinen Ort zwischen Lipnik (Leipnik)
und Hranice (Mährisch Weißkirchen) entstand im 19. Jahrhundert durch den Bau
der Nordeisenbahnstrecke von Wien nach Krakau ein bis heute einzigartiges technisches
Bauwerk: das Jezernice-Viadukt.
Auf einer Länge von insgesamt 420 m überspannen hier 42 steinerne Bögen das breite
Tal des kleinen Baches Jezernice (Jesernik).
Nach über 200 Jahren stand nun im Zuge einer generellen Strecken-Modernisierung auch eine grundlegende Sanierung der Brückenkonstruktion an. Dabei wurden sowohl altersbedingte Schäden beseitigt als auch die Tragfähigkeit der Konstruktion verbessert, so daß heute auch moderne Hochgeschwindigkeitszüge problemlos das Viadukt passieren können. Eine Aufgabe, die viele spezielle Lösungen verlangte, beispielsweise die neue Klinker-Verblendung der Mauerwerksbögen.
Ein Zeugnis der Baugeschichte: Das rekonstruierte Eisenbahnviadukt |
Unvorhergesehener Konstruktionszustand
Trotz der umfangreichen geo- und bautechnischen Studien, die im Vorfeld der
Sanierung angefertigt wurden, stellte sich der tatsächliche Zustand des Bauwerks erst
nach Beginn der Arbeiten heraus. So entsprach aufgrund der langen Entstehungsgeschichte
die sogenannte Frontalmauer auf der Seite zum Ziegel-Viadukt nicht der
Archivdokumentation. Nur wenige der vorhandenen Wandbereiche waren stabilisiert, der
größte Teil dieser Wandkonstruktion mußte völlig neu aufgebaut werden. Den
Voruntersuchungen zufolge zeigte das Bauwerk Schäden wie Risse in den Pfeilern und
Gewölben, nicht mehr vorhandene Gewölbekränze sowie ausgemergelte Fugen. Nach der
Demontage des Gleisbettes stellte sich auch die Tragfähigkeit der Gewölbe als
unzureichend heraus, die damals im Inneren nur verfüllt wurden. Dies stellte die
Stabilität der Gesamtkonstruktion, insbesondere für die geplante Streckenbelastung durch
Hochgeschwindigkeitszüge, in Frage.
Einzige Lösung: Abriß und Neuaufbau
Es gab schließlich aus statischer Sicht, begründet durch verschiedene Expertisen, nur
eine Lösung: Die Gewölbe bis auf die Pfeiler abbrechen und neu aufbauen.
Das Problem bestand darin, für die neuen Gewölbe eine leichte Konstruktion zu finden und
gleichzeitig die historische Ansicht des Viadukts zu erhalten. Erst nach vielen
Diskussionen fanden alle am Bau Beteiligten ein praktikables Konzept. Dieses sah
als einen letztlich auch von der Denkmalpflege getragenen Kompromiß vor, für die
Gewölbe Stahlbeton mit einer weitgehend authentischen Ziegelverblendung einzusetzen.
Hoher Anspruch an neue Ziegel
Strenge Materialanforderungen bestimmten die Auswahl neuer Ziegel.
Die vorhandenen Ziegel konnten nicht wieder verwendet werden, da ihre Qualität nicht den
heutigen Bestimmungen und Erfordernissen entsprach.
So mußte beispielsweise die Frostbeständigkeit bis minus 50 °C sicher gestellt sein und
das Wasseraufnahmevermögen bei unter 6 Prozent liegen.
Nur hartgebrannte Klinker verfügen über solche Werte, werden allerdings nicht in
Tschechien produziert.
Unter den ausländischen Bewerbern erhielt das Werk Baalberge der Wienerberger
Ziegelindustrie GmbH den Zuschlag. Ihre Verblendklinker erfüllten nicht nur die
entsprechenden Materialkennwerte nach deutschen Normen, sondern konnten außerdem die
tschechische Produktzulassung vorweisen. Daneben hatte auch der Farbton maßgeblichen
Anteil an der Entscheidung.
Wegen der originalgetreu wiederherzustellenden Optik war ein sattes Rot gewünscht.
Die Klinker Baalberge, rot nuanciert, KMz 48-2,2 NF konnten alle Anforderungen
erfüllen.
Ein technisches Denkmal Das Eisenbahnviadukt in Jezernice/Tschechien |
Bautechnisches Know-how gefragt
Die Ausführung der anspruchsvollen Arbeiten erforderte insgesamt viel Know-how auf diesem
Gebiet.
Engagiert wurde dafür die AG Dopravnj stavby Holding, die auf Neubau und Rekonstruktion
von Brücken und Viadukten aller Art spezialisiert ist.
Die neuen Gewölbe bestehen nun aus 40 cm dickem Stahlbeton, in dessen äußere Schicht die Klinker-Vollziegel eingelegt sind.
Das Innere der Gewölbe wurde mit Leichtbeton ausgefüllt.
Zuvor wurden jedoch alle Brückenpfeiler von etwa einem Meter unterhalb der
Gewölbeauflager bis in den Baugrund hinein mit Bohrloch-Injektagen verfestigt und das
Pfeilermauerwerk in jeder zweiten Fuge durch Edelstahl-Spiralstreben stabilisiert.
Für den Bau der neuen Gewölbe hatte man ursprünglich an eine vorgefertigte Konstruktion
gedacht.
Die einzelnen Bögen weisen jedoch unterschiedliche Durchmesser von 5,7 und 7,6 m auf, die
zwar abschnittsweise wiederkehren, aber innerhalb dieser Systematik traten noch
Maßabweichungen bis zu 20 cm auf.
Zusätzlich hätten vorgefertigte Bauteile mit rund 80 Tonnen Gewicht eine komplizierte
Montage bedeutet.
Deshalb griff man wie vor 200 Jahren auf eine paßgenau angefertigte Holzschalung zurück,
die für jeweils 12 Gewölbe hergestellt und dann insgesamt sechs Mal umgesetzt wurde.
Tschechische Spezialisten rekonstruierten das Eisenbahnviadukt in Jezernice (Jesernik)
innerhalb von sieben Jahren detailgetreu.
Für die Ziegelverblendung wurden die TERCA-Klinker Baalberge, rot nuanciert,
KMz 48-2,2 NF eingesetzt
Knifflig: Das Einlegen und Befestigen der Klinker
Die Verankerung des Klinkergewölbes in das Betongewölbe erfolgte mit Stahlnetzen, die in
die Fugen der Klinker eingelegt wurden eine einfache Vormauerung hätte den
Erschütterungen des Bahnbetriebes nicht dauerhaft standgehalten.
Mit der gewählten Lösung ließ sich dagegen eine sichere Verankerung zwischen Klinkern
und Beton bewerkstelligen.
Das Einlegen der Klinker in die Holzschalung erforderte einen hohen manuellen Aufwand.
Jeder der 240 mm x 115 mm x 71 mm großen Klinker wurde einzeln hochkant im Läuferverband an Ort und Stelle plaziert, und in jede zweite der 15 mm breiten Fugen kam das Stahlnetz hinein. Um die einheitliche Fugenbreite zu gewährleisten, wurden eigens angefertigte Abstandshalter in Form konisch zugeschnittener Holzstücke eingelegt. Jedes dieser zahllosen Hölzer mußte unten genau 25 mm und oben 32 mm breit sein, um den Radius des Gewölbes herauszuarbeiten.
Die Rekonstruktion des Eisenbahn-Viadukts in Jezernice dauerte von den ersten
vorbereitenden Maßnahmen bis zur kompletten Fertigstellung sieben Jahre.
Nachdem im Juni 2002 alle Arbeiten beendet waren, bietet das Bauwerk nicht nur
tagsüber, sondern auch in den Abend- und Nachtstunden ein bezauberndes Bild. Die große
Bedeutung als technisches Denkmal war für den Bürgermeister Grund genug, eine
Beleuchtung installieren zu lassen, die das Viadukt nachts anstrahlt.
Text und Bilder stellte mit freundlicher Genehmigung zur Wiedergabe zur Verfügung:
Wienerberger Ziegelindustrie GmbH
Oldenburger Allee 26
30659 Hannover
Tel. +49 (511) 610 70-541
Fax +49 (511) 61 44 03
http://www.wienerberger.de
ML 2004-02-05