Böhmen-Mähren-Schlesien-Gästebuch 183 

Datum: 2002-02-23 16:12:40
Duus / Dörries (bernhard@doerries.net / http://home.c2i.net/sudeten) schrieb:

„Ihr könnt euch auswählen, wollt ihr gehängt oder erschossen werden?“
KZ Hodolein
Berichter: K. S.
Bericht vom 23. 1. 1951 (Olmütz)
Ich wohnte mit meiner Familie (5 Köpfe) in der Nähe von Olmütz im eigenen Hause. Anfang Mai 1945 brachte ich meine beiden Kinder im Alter von 10 und 14 Jahren ins Gebirge nach Pohorsch, um sie vor einer evtl. Schießerei bei der Besetzung zu schützen. Nur unsere 20-jähr. Tochter blieb bei uns zu Hause.
Später wollte ich mit meiner Frau die Kinder wieder nachhause bringen und wir machten uns am Samstag, den 5. 5. 1945 vormittags auf den Weg. Wir erfuhren, daß die Russen nur noch einige km entfernt ständen und ein Rudel Flieger umkreiste bereits die Gegend.
Die deutsche Wehrmacht befand sich auf der Flucht und in Auflösung. Wir packten unsere Sachen und wollten gegen 4 Uhr nachm. wieder zurückfahren. Aber es war bereits zu spät, russ. motorisierte Einheiten hatten uns den Rückweg abgeschnitten und in den Wäldern steckten die Partisanen. Noch am selben Abend kamen russische Patrouillen den Berg herauf ins Dorf und einige Mann kamen auch zu uns ins Haus, wo wir gleich durchsucht und verhört wurden.
Viele arbeitsunfähige Männer wurden verschleppt, einige auch mißhandelt oder erschossen und viele Frauen vergewaltigt. Wir durften bei schwerster Strafe unsere Wohnungen nicht verlassen. Ein Gastwirt wurde mit seiner Frau erschossen, weil er keinen Schnaps mehr geben konnte. Manche begingen Selbstmord. Die Familie Tannenberger (5 Personen) hängte sich auf. Die Frau und drei erwachsene Kinder wurden noch rechtzeitig abgeschnitten, der Mann war aber schon tot.
Die Frau mit den Kindern kamen dann schutzsuchend zu uns, weil ihre beiden 18-20-jährigen Töchter von den Russen verfolgt wurden. Unsere Nachbarin, Frau Jahn, eine 65jährige gelähmte Frau, die ständig im Bette lag, wurde von den Russen blau geschlagen und vergewaltigt.
Eines Nachts erbrachen einige schwer bewaffnete Russen die Türen und Fenster unserer kleinen Wohnung, bedrohten uns mit Waffen und raubten den Keller im Vorraum aus, wo die Hausfrau ihre Wertsachen versteckt hatte. Eine Frau aus Brünn, die auch bei uns schlief, wurde hinausgeschleppt und vergewaltigt und blieb nachher verschwunden. Die beiden Töchter des Tannenberger steckten unter den Betten und wurden nicht bemerkt. Ich konnte meine Angehörigen nur dadurch retten, indem wir uns als Tschechen ausgaben. Ein russischer Feldwebel hatte mir gesagt, Stalin hätte strengsten Befehl gegeben, wer einem Tschechen etwas zu Leide tut, kommt vor das Kriegsgericht, hingegen können sie mit den Deutschen tun, was sie wollen, die sind vogelfrei.
Unsere Hausfrau, Frau Kimmel, mußte aus ihrer Wohnung, in der es nachher furchtbar aussah, vor den 16-17-jähr. Rotgardisten fliehen, um nicht vergewaltigt zu werden. Ihr weiteres Schicksal blieb mir unbekannt. So erging es vielen. Meine Frau mußte in den folgenden Tagen fleißig die schmutzige Wäsche für die Russen waschen und geklaute Hühner kochen, um nicht in Ungnade zu fallen.
Das meiste bei uns, sowie im Dorfe, wurde auf Veranlassung unseres Nachbarn Josef Dostal ausgeplündert.
Dieser 45-jährige Tscheche genoß deutsche Schulbildung und hatte auch eine deutsche Frau und Kinder, die nur deutsch sprachen. Während der Hitlerzeit hatte er eine gut bezahlte Stelle bei dem deutschen Baumeister Schneider. Nach dem Umsturz entpuppte er sich plötzlich als verbissener Kommunist und Deutschenhasser.
Als Mitglied des „Národní Výbor“ wurde er Wohnungskommissar und besorgte als solcher die vielen Ausquartierungen und Beraubungen der Deutschen auf brutalste Art und Weise. Er hat durch sein schlechtes Treiben auch etliche Menschenleben auf dem Gewissen, darunter seinen eigenen Schwager namens Panak, der als Deutscher in Brünn im Lager war. Dessen Frau, die 10 minderjährige Kinder hatte, wurde ausgetrieben und starb angeblich in Bayern. Den 75-jährigen Vater des Lehrers Hartmann steckte dieser Dostal ins Armenhaus, wo er im folgenden Winter verhungerte und erfror. Seine 70-jährige Frau erhängte sich noch vor der Austreibung in ihrem Hause. Hartmann und J. Pallik und noch einige andere wurden in Ratibor im Lager erschlagen.
Auch meine Angehörigen trieb er ins Dorflager mit dem Befehl: Nur Löffel und Decke dürft ihr mitnehmen! Bei den vielen Schandtaten, Beraubungen usw. im Dorfe hatte er wohl meist die Finger im Spiele, denn als Ortskundiger spielte er den Angeber.
Der Idiot Herentin und der Einäugige Rudolf Raab wurden auf viehische Weise gemordet. Der frühere Feldwebel Kunz, ein 60-jähriger Mann, wurde auf einer Tischplatte zu Tode geprügelt; dies war übrigens eine beliebte Methode der Partisanen. Der Pensionist Zednik wurde erschossen. Viele Frauen und oft auch schulpflichtige Kinder wurden vergewaltigt. Ich ging auf den Ortsfriedhof, wo ich den alten Totengräber Steiger antraf, er erzählte mir, daß er gleich nach den ersten Tagen 12 Leichen begraben mußte. Etliche wurden gemordet und einige verübten Selbstmord, darunter der gew. Kapitän Tobias aus Nimlau.
Der Vorstand im Ortsvýbor war Oberlehrer Hecl; ein wichtiges Organ hieß Ocenásek, die anderen kannte ich nicht namentlich. Weitere Greuel aus der Umgebung, die ich erfuhr, waren:
Eine Verwandte von uns wurde durch die Russen oder Partisanen vergewaltigt und ihr vierjähriger Sohn erschossen, daraufhin sprang sie in den Brunnen und ertrank. Als dies ihre Mutter vernahm, ging sie mit der zweiten Tochter ins Wasser und der Vater zündete sein Haus an und hängte sich auf.
Solcher Tragödien gab es viele. Der Gastwirt Schwarz verübte Selbstmord, der alte Lokheizer wurde erschossen. Der Bauer Ed. Sach ebenfalls. Der Beinamputierte Glier und der Beamte Franz Sauer zu Tode mißhandelt. Der Kaufmann Sander und der Beamte Ed. Sach mißhandelt und hingerichtet. Ein früherer Schulkollege namens H. Kwapil wurde schwer mißhandelt und verhungerte im Lager.
Ich meldete mich auch beim Výbor, da es hieß, daß jeder Deutsche sich melden muß, falls er seinen Besitz nicht verlieren will. Doch dies war nur eine List, um jeden zu fangen. In den folgenden Tagen klebten sie schon Plakate auf die Häuser der Deutschen mit der Aufschrift „Národní majitek“. An allen Ecken wurden auch Hetzplakate geklebt und mit den schwersten Strafen gedroht, unterschrieben vom Národní Výbor, dem Bürgermeister der Stadt oder auch von Dr. Zenkl und Dr. Blaha u. a.
Mitte Mai 1945 hieß es, wir müßten uns beim russischen Kommando zwecks Registrierung melden. Der Sekretär der kommunistischen Partei, Slanský, ließ uns durch die Bahnpolizei dorthin bringen, aber es war das Hodoleiner Lager, wo wir landeten. Dort waren schon fast 2000 Menschen jeden Alters und Geschlechtes beisammen, die man aus den Wohnungen geholt oder auf der Eisenbahn und der Straße gefangen hatte, um sie im Lager auszuplündern und zu mißhandeln.
Gleich am Eingang auf der Wache wurden unsere Taschen geplündert bis aufs Streichholz. Dann sagte der Wachkorporal zynisch hohnlachend: „Ihr könnt euch auswählen, wollt ihr gehängt oder erschossen werden?“
Dann steckten sie uns in eine kleine Einzelzelle, wo bereits 10 Mann dichtgedrängt beisammen waren. Einige waren furchtbar mißhandelt worden und hatten schwarze, blutunterlaufene Striemen am ganzen Körper und im Gesicht. In der kleinen Zelle der Baracke konnten wir kaum nebeneinander stehen und es herrschte eine unerträgliche Hitze.
Draußen am Gang suchten die Partisanen brüllend einen gewissen Weiser aus Sternberg und als sie ihn nach einer Stunde endlich fanden, wurde er schrecklich mißhandelt. Ich sah den ca 60jähr. Mann einige Tage später am Hofe. Wo ihn aber die Partisanen erblickten, wurde er immer wieder geschlagen. Dann verschwand er eines Tages und nur sein grüner Plüschhut blieb zum Andenken in unserer Baracke hängen.
In den Räumen der Baracken kam durchschnittlich je m2 ein Mensch, sodaß die Leute meist wie die Heringe gepreßt nebeneinander schliefen oder manchmal auch sitzend oder stehend schlafen mußten. In der Nacht wurde alles abgeschlossen und es durfte niemand heraus und dann spielten sich oft unbeschreibliche Szenen ab.
Schlafen konnte man natürlich nur auf dem blanken Fußboden und die meisten hatten keine Decke, ja oft nicht einmal einen Überrock zur Verfügung.
Besonders in den weiter rückwärts gelegenen Baracken waren die schwersten Mißhandlungen während der Nacht üblich. Zum Prügeln verwendeten die Banditen schwere, mit Eisen und Blei beschlagene Lederpeitschen oder Stahlruten. Wenn die Mißhandelten bewußtlos und blutend zusammenbrachen, wurden sie kübelweise mit kalten Wasser übergossen. Am nächsten Morgen wurden sie wieder zur Arbeit getrieben. Die Toten wurden irgendwo hinter den Baracken verscharrt.
Öfters fuhr auch ein Totenauto vor. Manche verübten vor unerträglichen Schmerzen Selbstmord, so auch der Seifensieder Hvabcik aus unserem Dorfe.
Beim geringsten Anlaß oder Mißfallen wurden auch viele Leute in die finsteren, naßkalten Kellerbunker gesteckt bei Wasser und Brot, wo auch viele zu Tode mißhandelt wurden. Nach ein paar Tagen Aufenthalt sahen die Betroffenen heruntergekommen wie die Räuber aus. Einige Bekannte waren auch darunter, so der Bauer Ed. Biebel und der pens. Bahnplatzmeister Matzner.
Ich sah auch öfters, wie deutsche Jungen im Alter von 15-16 Jahren, aber auch Männer von der Polizei und den Partisanen zu den Bunkern geschleppt wurden, dort wurden sie schwer mißhandelt und niedergeknüppelt und in die Bunker geschleift. Viele kamen in den Bunkern ums Leben. An den tschechischen Nationalfeiertagen gab es gewöhnlich noch eine Extra-Prügelei.
Man hörte von Berufsmördern, die sich mit 50-60 Morden rühmten. „Särge wie die Berge“ prophezeiten diese Unmenschen und ich glaube, daß es auch so war.
Niemand war seines Lebens sicher. Der schlesische Ing. Keitke oder ähnlichen Namens aus Schweidnitz wurde ohne Urteil gehängt, weil er angeblich die Wache überfallen hatte! In Wirklichkeit hat er sich gegen die üblichen Mißhandlungen gewehrt und mußte dafür büßen. Apathisch mit zerschlagenem, schwarz angeschwollenen Kopfe schritt er zum Galgen. Die Leiche ließ man nachher tagelang im Hofe hängen und der tschechische Tuchhändler Hunka und noch ein Mann mußten vor der Leiche knien, später auch einige Deutsche. Die Deutschen mußten alle am Hofe rufen: „Wir danken unserem Führer!“
Am 29. 5. 1945 mußten alle „Internierten“ am Hofe antreten, es wurden Befehle verlesen und Handwerker herausgesucht. Zuletzt mußten die Aufgerufenen am Gang noch Purzelbäume schießen und dabei wurde weitergedroschen. Müller kam noch glimpflich davon und ich ging um die Baracke und kroch zum Fenster hinein.
Wir legten uns beide im Finstern auf den Fußboden zur Ruhe. Plötzlich kam es Müller vor, der bereits im Halbschlummer lag, er wäre von den Partisanen am Gange gerufen worden. Meine Einwendungen nützten nichts, er ging auf den Gang, um sich zu melden. Die Banditen empfingen ihn mit wüsten Schimpfworten und trieben ihn zurück und sagten, sie würden sich ihn später „ausborgen.“
Eine Stunde später kamen einige herein und holten ihn ab, ich wurde im Finstern nicht bemerkt. Sie schleppten ihn quer über den Gang auf das Wachzimmer, wo noch mehrere waren, rissen ihm mit Gebrüll die Kleider vom Leibe und peitschten ihn nackt zu Tode... Ich hörte schreckerstarrt das Schmerzgebrüll und die verzweifelten Hilferufe des Gefolterten und konnte ihm nicht helfen, mich hätte das gleiche Schicksal getroffen. Als das Blut zuviel spritzte, schleiften sie ihn wieder über den Gang in eine andere Kammer, um das Wachzimmer nicht zu beschmutzen. Dort vollendeten sie ihr teuflisches Werk.
Der Kommandant der Baracke hieß Zugführer Vítavský und Müller hatte ihm seine Barschaft von Kc 1000.- abgeliefert und nur 850 „gutgeschrieben“ erhalten, was doch ohnehin zwecklos war. Er hoffte aber, dadurch eine bessere Behandlung zu erreichen, anfangs schien es fast so. Ich möchte noch erwähnen, daß Müller kein Nazi war, sondern langjähriger Gewerkschaftler wie ich.
Ich schlief natürlich sehr wenig und früh nach dem Wecken war mein erster Weg, nach Müller zu forschen. Da der Eingang der Baracke 11 bewacht war, kroch ich wieder zum Fenster hinein. Da lag der korpulente arme Müller nackt am Fußboden auf seiner Pelerine, vor ihm stand ein Glas Wasser. Sein Rücken von oben bis unten war eine einzige blauschwarz gefärbte blutige Wunde, aufgerissen von den Peitschenhieben. Stellenweise trat das Fleisch hervor. Trotzdem war der starke Mann noch nicht tot und atmete noch.
Ich versuchte ihm Wasser einzuflößen, aber es war zwecklos, er lag scheinbar schon in den letzten Zügen. Ich kroch vorsichtig wieder hinaus und schloß mich dann einer Arbeitskolonne an. Als ich abends zurückkehrte, sagte mir Dr. Himmel, der sich in der Baracke befand, daß Müller gleich früh gestorben sei und man ihn irgendwo verscharrt hätte. Derartige bestialische Morde gab es hier unzählige.
Einige Tage arbeitete ich auf der Strecke bei Stefanau, dort wurde ich von einem tschechischen, mir unbekannten Eisenbahner angepöbelt, worauf ich von den Partisanen einige Kolbenhiebe bekam und er mir sagte: „Ich habe jeden Deutschen am liebsten 4 Meter unter der Erde!“

Dies ist der Bericht 243 im Sudetendeutschen Weißbuch, Seite 365. Die Wiedergabe ist gekürzt. ML 2002-02-24