TSCHECHIEN
Protestanten bitten Vertriebene um Vergebung
PRAG • Die mit über 200 000 Mitgliedern größte protestantische Gemeinschaft in Tschechien hat die nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Tschechoslowakei vertriebenen Sudetendeutschen um Vergebung gebeten.

In einer Erklärung, die von der tschechischen Tageszeitung „Denni Telegraf“ veröffentlicht wurde, verurteilt die Evangelische Kirche der böhmischen Brüder die gewaltsame Ausweisung von über drei Millionen Sudetendeutschen als einen „moralisch verfehlten Schritt“.

„Vollkommen verurteilenswert sind die Verbrechen, die viele Tschechen an den Deutschen vor und während der Aussiedlung begangen haben“, heißt es in dem Dokument. Das sogenannte Amnestie-Gesetz von 1946, mit dem an Deutschen verübte Gewalttaten für straffrei erklärt worden waren, sei schändlich.

Dennoch sieht auch die Evangelische Kirche der böhmischen Brüder auf deutscher Seite Fehler: Die korrekte und aufrichtige Entschuldigung von Staatspräsident Vaclav Havel 1989 für die Vertreibung der Sudetendeutschen sei als Gelegenheit zur Erhebung von Eigentums- und politischen Forderungen verstanden worden. Dies werde die beiderseitige Entfremdung vertiefen, warnen die Protestanten.

Die Christen plädieren für den Aufbau neuer Beziehungen ohne gegenseitige Beschuldigungen und Forderungen.
(dpa)

Wiedergegeben nach einem Zeitungsausschnitt HNA175 S. 4 1995-07-03
ML 2004-01-04