Rudolf Grulich
800 JAHRE STIFT TEPL

Wir feiern heute die 800-Jahrfeier des Klosters Tepl, das wie manch anderes Stift in Böhmen untrennbar mit beiden Völkern dieses Landes, mit Tschechen und Deutschen verbunden ist.

Vor 800 Jahren bat ein Tscheche, der selige Hroznata das Stift Tepl gegründet, das damit wie Brevnov oder Sazava einen heiligen Klostergründer hat. In Brevnov, dessen Tausendjahrfeier wir heuer ebenfalls begehen, ist dies der heilige Adalbert, in Sazava der heilige Prokop.

Hroznata stammte aus einer altadeligen begüterten Familie und war Gaugraf des Bezirkes an der böhmischen Westgrenze. Nach dem frühen Tode seiner Frau und seines einzigen Kindes stiftete er das Kloster Tepl und rief zur Besiedelung die Söhne des hl. Norbert aus dem Kloster Strahov bei Prag, in das 1143 Prämostratenser aus Steinfeld in der Eifel gekommen waren. Ein tschechischer Adliger und deutsche Chorherren stehen also schon an der Wiege des Klosters, Symbol für die deutsch-tschechische Symbiose in diesem Land.

Hroznata wollte 1197 am Kreuzzug Kaiser Heinrich VI. ins Heilige Land teilnehmen, doch entband ihn der Papst nach dem Scheitern des Kreuzzuges von seinem Gelübde, worauf Hroznata in Chotieschau ein zweites Kloster für Prämonstratenser-Chorfrauen stiftete. Im Jahre 1198 trat er in Rom selbst in den Prämostratenserorden ein, kehrte dann 1202 nach Tepl zurück und sorgte hier für die Verwaltung der Kirchengüter. Von habgierigen Rittern aus dem Egerlande gefangengenommen und auf der Burg Kinsberg bei Eger eingekerkert, zog Hroznata es vor, lieber den Hungertod zu sterben, als durch ein Lösegeld dem Kloster Nachteile zu verursachen. Hroznata wurde schon früher als Seliger verehrt und seine Verehrung als Märtyrer von Rom am 16. September 1897 bestätigt. Sein Fest, an dem in diesem Jahr seine Reliquien übertragen wurden, ist am 14. Juli.

Unter dem ersten Abt Johann wurde 1232 die erste Kirche im Beisein des böhmischen Königs vom Bischof von Prag eingeweiht. Das aufblühende Kloster Tepl wurde 1380 durch die Pest völlig entvölkert, woraufhin man seit 1381 deutsche Kolonisten in der Umgebung ansiedelte. Seitdem hatte das Tepler Hochland bis 1946 deutsche Bevölkerung. In der Hussitenzeit blieb Tepl von Plünderungen verschont und erlebte unter Abt Sigismund Hausmann (1458-1506) eine Blüte. Um den inneren Verfall und der Disziplinlosigkeit vorzubeugen, schloß es sich dem reformierten Marienkloster in Magdeburg an. Eine schwierige Zeit für das Kloster kam in der Reformation, der aber eine Reihe großer Äbte wie Johannes Kurz (1535-1559), Johannes Meyskönig (1559-1585), Matthias Göbl (1585-1596) und Andreas Ebersbach (1596-1629) erfolgreich entgegenwirken konnten. Johannes Kurz soll in Briefen auch mit Luther polemisiert haben. Andreas Ebersbach bemühte sich bereits um eine Seligsprechung Hroznatas in Rom. In den Wirren des 30jährigen Krieges litt das Stift sehr.

Nach dem Prager Fenstersturz fanden Kanzler Slawata und Erzbischof Johannes Lohelius auf ihrer Flucht vorübergeliend Aufnahme in Tepl. Die Truppen des Winterkönigs plünderten das Kloster 17 Tage lang, 1641 und 1648 taten dies auch die Schweden. 1659 brannte das Stift völlig nieder. Der heutige Bau wurde unter Abt Raimund II. Wilfert (1688-1722) ausgeführt, der Bibliothekstrakt stammt erst aus der Zeit des Abtes Gilbert Helmer zu Beginn dieses Jahrhunderts. In der Zeit der Gegenreformation nach der Schlacht am Weißen Berg gewann Tepl Bedeutung für die Wiedereinführung der katholischen Lehre, da von Chorherren des Stiftes zahlreiche Pfarreien in Westböhmen besetzt wurden. Bis zur Aufhebung des Klosters 1950 hat Tepl 25 inkorporierte und sechs weitere früher von Weltpriestern pastorisierte Pfarreien betreut.

Im 18. Jahrhundert brachten die Kriege Österreichs mit Preußen neue Not und Schäden, doch gelang es Abt Hieronymus Ambros (1741-1767), die Landwirtschaft zu heben und das Kloster bis zu seinem Tode zu einer neuen Blüte zu führen. Das Stift wurde ein Mittelpunkt von Kunst und Wissenschaft, die Bibliothek wurde vergrößert und eine Sammlung von Mineralien und ein physikalisches Kabinett angelegt. In josefinischer Zeit hob Abt Christof Graf von Trautmannsdorf die Leibeigenschaft für die Bauern freiwillig auf, noch bevor es der Kaiser verordnet hatte. Er gründete auch zahlreiche Seelsorgestellen. Abt Chrysostomus Pfrogner (1801-1812), der vorher Rektor und Professor für Kirchengeschichte der Prager Universität gewesen war, machte das Stift zu einer Pflegestätte der Wissenschaft. 1804 übernahm das Stift das Gymnasium in Pilsen. Pfrogner baute auch das erste Badehaus bei den Quellen von Marienbad, dessen Aufstieg zum Weltbad unter Abt Karl Reitenberger (1812-1827) erfolgte. Goethe besuchte damals mehrfach Marienbad und von dort aus zweimal das Stift Tepl, worüber er in seinen Tagebüchern und Briefen ausführlich berichtete.

Er schätzte den Abt und hatte in Pater Stanislaus Zauper einen Gesprächspartner, der das Werk Goethes kannte wie kaum ein anderer.

Unter Abt Clementso begann eine rege Bautätigkeit. 1888 wurden die Infirmerie und Stallungen errichtet, die Mühle und das Brauliaus neu gebaut und ein Post- und Telegraphenamt im Stift installiert. Die Eröffnung der Eisenbahn Marienbad-Karlsbad schloß das Kloster an die Welt an. Abt Gilbert Helmer (1900-1944) baute an die Kirche den (neubarocken) Bibliothekstrakt an.

Nach dem Zerfall der Donaumonarchie geriet das Stift in den Strudel der Nationalitätenkämpfe. Die Leitung des Gymnasiums in Pilsen wurde ihm entzogen. Im Zuge der Bodenreform verlor das Kloster Grundbesitz und wurden die dem Kloster gehörenden Kuranstalten in Marienbad unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt. In dieser Zeit erwarb der Abt das ehemalige 1803 aufgehobene Kloster Speinshart in der Oberpfalz wieder für den Orden, um bei einer eventuellen, schon damals befürchteten Ausweisung eine Zufluchtsstitte zu haben. Ähnlich handelten die Salesianerinnen in Chotieschau, die Obermarchtal erwarben, da sie erlebt hatten, daß andere mehrheitlich deutsche Orden die neue Republik verlassen mußten, so die Benediktinerinnen des Klosters St. Gabriel in Prag, die deutschen Patres von Emmaus u. a.

Unter der Herrschaft des Nationalsozialismus (1938-1945) waren einige Stiftsmitglieder inhaftiert andere in der Ausübung ihrer Aufgaben behindert. Das Stift mußte in dieser Zeit auch die Marienbader Quellen und Kurhäuser veräußern.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Kloster am 3. September 1945 militärisch besetzt und alle Insassen ein halbes Jahr im Stift gefangengehalten. Der neue Abt Petrus Möhler und Prior Hieronymus Walter kamen ins Gefängnis nach Eger, von wo sie erst 1948 entlassen wurden. Die deutschen Konventualen wurden im April 1946 nach Bayern vertrieben, die in den Pfarreien tätigen Patres wurden mit ihren Pfarrangehörigen ausgesiedelt. In Deutschland fanden sie zunächst in Speinshart Zuflucht. Dann bestand das vertriebene deutsche Stift Tepl in Obermedlingen (Diözese Augsburg) weiter.

Das Stift in Tepl wurde 1945 zunächst der Administratur von Strahov unterstellt und als selbstständige tschechische Kommunität konstituiert. Als Administrator kam Pater Hermann Josef Tyl aus Mähren, der sich als Prior intensiv für die Freilassung seiner deutschen Mitbrüder einsetzte. Er hatte in Buchenwald im KZ gelitten und mußte später auch die Grausamkeit kommunistischer Gefängnisse erfahren. Da er heute schwer krank ist und nicht an unserer Feier teilnehmen kann, gilt ihm unser besonderer Dank und Gruß.

1950 wurde Tepl wie alle Klöster der Tschechoslowakei aufgehoben. Es diente als Kaserne, während die Bibliothek öffentliche Kreisbibliothek wurde. Erst 1990 geschah das Wunder: Das Kloster wurde den Prämonstratensern zurückgegeben, allerdings in einem Zustand der Verwüstung, der 15 Millionen Dollar für die Renovierung erfordert. Noch vor der Revolution wählten 1988 die überlebenden und geheim neu eingetretenen Stiftsmitglieder einen Abt: Herrnann Josef Tyl, der seit 1946 Prior des Stiftes war.

Im Oktober 1991 war es soweit, daß die Söhne des heiligen Norbert wieder in das Stift einziehen konnten, wobei es der anwesende Prior Pater Hugo Pitel war, der dies ermöglichte. Das Kloster war bereits vom Staatlichen Denkmalsamt an eine Hotelkette verkauft, doch es gelang Pater Hugo durch energisches Eintreten, das Kloster zu retten, so daß wir heute hier versammelt sein können.

Was sagen uns die 800 Jahre der Geschichte von Tepl?
1.
Deutsche und Tschechen gehören untrennbar zur Geschichte dieses Klosters. Die Zukunft der böhmischen Länder kann nur im Bewußtsein der jahrhundertelangen gemeinsamen Geschichte von Deutschen und Tschechen gestaltet werden, gerade hier in Tepl. Diese gilt es daher vorurteilsfrei zu erkennen, auch mit ihren dunklen Abschnitten. Oberflächliche Kollektivurteile über „die Deutschen“ bzw. „die Sudetendeutschen“ oder „die Tschechen“ verstellen den Weg in die Zukunft.

Deutsche und Tschechen haben in unserem Jahrhundert in nationalistischer Verblendung ihr Verhältnis durch Unterdrückung, Grausamkeiten, Vertreibung und Mord belastet. Kriminelles Unrecht erfordert Sühne nach rechtstaatlichen Grundsätzen. Das Geschehene muß auch zur steten Warnung dienen, damit sich Vergleichbares nie wiederholt. Aber es darf kein Hindernis für einen Neubeginn sein, zumal die meisten der heutigen Deutschen und Tschechen schon aus Altersgründen keiner persönlichen Schuld an jenen Taten verdächtig sind.

Vergessen wir nicht, daß auch 1993 Vertreibung in Europa wieder ein Mittel der Politik geworden ist, das die Westmächte den serbischen Vertreibern zugestehen. Was 1945 mit „humaner Ausssiedlung“ beschönigt wurde, feiert heute als „etlinische Säuberung“ fröhliche Urständ. Durch den Krieg in Kroatien sind auch die dortigen tschechischen und deutschen Minderheiten in Slawonien betroffen: Die tschechischen Dörfer bei Daruvar sind zerstört, die Bewohner vertrieben wie die Sudetendeutschen 1945/46. Gleiches gilt für die restdeutsche Bevölkerung bei Osijek/Esseg. Hier sind wir alle, Deutsche und Tschechen, aufgerufen, aufgrund der leidvollen Erfahrungen der Geschichte gegen den neuen Geist von Potsdam und gegen jede Vertreibung laut unsere Stimme zu erheben.

2.
Tepl war Jahrhunderte hindurch ein mitteleuropäisches Kulturzentrum und muß dies wieder werden.
Das Stift, heute nur ein Schatten seiner selbst, war ein Kulturzentrum nicht nur für das Egerland, sondern für ganz Westböhmen. Die Vertreibung der deutschen Prämostratenser und die Aufhebung des Klosters durch die Kommunisten haben dies zerstört. Es wird unsere gemeinsame Aufgabe sein, in einem religionsfernen Land wie Böhmen einer atheistisch erzogenen Generation wieder die Bedeutung der Kirche und der Klöster für die europäische Kultur aufzuzeigen.

[In tschechischer Sprache wandte sich der Referent mit folgenden Worten an die tschechischen Zuhörer:]

Liebe Landsleute, erlauben Sie mir noch einige Worte in der zweiten Sprache meiner Heimat und verzeihen Sie mein schlechtes Tschechisch. Krieg und Vertreibung, die ich als Kind erlebte, haben es verhindert, daß ich mit beiden Sprachen aufwachsen konnte.

Der Erfolg Ihrer „samtenen Revolution“ und die Öffnung der Grenzen erfordern, daß aus dem geografischen Nebeneinander von Deutschen und Tschechen wieder ein konstruktives Miteinander wird. Als Mitunterzeichner einer gemeinsamen Erklärung von sudetendeutschen und tschechischeu Christen möchte ich aus dieser Erklärung hier einige Gedanken vortragen:

Wir werden die Zukunft nur meistern, wenn wir uns der jahrhundertealten gemeinsamen Geschichte von Tschechen und Deutschen bewußt sind. Diese Geschichte gilt es anzunehmen, auch mit ihren dunklen Schattenseiten. Sonst würden uns oberflächliche Verallgemeinerungen und Vorurteile den Weg zu einem konstruktiven Miteinander verbauen.

Ich bitte Sie besonders zu bedenken, daß sich unsere Bundesrepublik Deutschland als ein freier demokratischer Staat erwiesen hat, der viele von Ihren Landsleuten Asyl geboten hat, als der Kommunismus nach 1948 und noch mehr nach 1968 sie ins Ausland trieb. Deutschland baut aktiv am Vereinigten Europa mit. Stimmen von Extremisten, die es bei uns gibt, sind Einzelfälle und Zeichen der freien Meinungsäußerung in unserem Land.

Ich bitte Sie auch, die vielen Sudetendeutschen, die ihre Heimat besuchen, nicht als Revanchisten anzusehen, sondern als das, was sie sind: Menschen, die zu ihren Wurzeln, ihren Quellen, ihrer Heimat zurückkehren wollen.

Beide, deutsche und tschechische Böhmen, Mährer und Schlesier, müssen wir jede Gelegenheit nutzen, um in der unmittelbaren Begegnung von Mensch zu Mensch eine Volksdiplomatie aufzubauen und dadurch neue Brücken zu schlagen.

Je mehr uns das gelingt, desto mehr können wir das überwinden, was uns in der Vergangenheit trennte. Ich hin überzeugt: Bei Tschechen und Deutschen sind die Menschen guten Willens in der Überzahl. Diese Menschen dürfen nicht schweigen, denn es gibt keine Alternative: Die tschechischdeutsche Nachbarschaft muß gelingen!

Und dabei wird der selige Hroznata uns helfen, den wir in einem deutschen Lied anrufen als Schützer Tepls: „Von Hroznata beschützet / ist dieser Gnadenort...“ heißt es da.

1917, zum 700. Todestag des Seligen, erklang erstmals das Lied, das wir auch heute wieder singen wollen:

Seit vielen hundert Jahren
Hat treu des Himmels Macht
Vor dräuenden Gefahren
Das Tepler Stift bewacht.

Der selige Hroznata möge es auch ferner beschützen. Ihm wollen wir die gemeinsame Zukunft anvertrauen und uns bemühen, sie aktiv mitzugestalten.

Gekürzte Fassung des Vortrages bei der Festakademie in Tepl 1993-09-25
nach ISBN 3-87336-015-2 Gerhard Hess Verlag Ulm 2000

einige Anmerkungen zum Stift Tepl:
Bis zur Vertreibung am 10. April 1946  war Stift Tepl ein geistlich-kulturelles Zentrum Westböhmens.
Der vertriebene Konvent fand zuerst in Speinshart, dann 1949 im Kloster Schönau (Bistum Limburg), eine neue Wirkungsstätte. Später wurde der Sitz nach Villingen (Diözese Rottenburg) verlegt, und im Dezember 1987 wurde die Errichtung des Prämonstratenser-Stifts Tepl in Obermedlingen, Diözese Augsburg, im dortigen Kloster kirchenrechtlich vollzogen.
Den Prämonstratenserorden hatte der heilige Norbert von Xanten (1080-1134) in Premontre (Frankreich) ins Leben gerufen. Getreu ihrem (dem Gründer Norbert) zugeschriebenen Wahlspruch "zu jedem guten Werk bereit" – ad omne opus bonum parati – entfalteten die Prämonstratenser ihre vielfältigen seelsorgerlichen und kulturellen Aktivitäten.
Anzumerken wäre noch, daß es iim Jahre 1950 nicht nur die kommunistische Barbarei war, die die Kirchen und Klöster im Sudetenland zerstörte, sondern bereits im Jahre 1946 der tschechische Chauvinismus. Man kann nicht alles auf den "gottlosen Kommunismus" abwälzen.
Der Prager Weihbischof Wenzel Franz Lobkowicz, selbst Tepler Prämonstratenser, brachte den derzeitigen Zustand des Klosters vor westdeutschen Besuchern auf die einfache Formel: „Entweder ihr helft uns, oder das Stift verfällt!"

Jüngst wurde bekannt, daß sich auch der Vatikan den politischen Gegebenheiten in der CR anpaßte und der Generalabt des Gesamtordens der
Prämonstratenser die Wahl eines Tepler Abtes für die tschechische Kanonie in Stift Tepl zuließ.
Im deutschen Prämonstratenserstift Tepl (Egerland) in Obermedlingen, gingen mit der Wahl im tschechischen Tepla die Lichter aus.
Adolf Zintl 2003-12-27