Gräber in der Heimat

Geschrieben von Hornischer, Klaus am 15. Mai 2001 01:23:48 für das Forum der SL

Als Antwort auf: Rückkehr geschrieben von Kilian Fröhlich am 27. April 2001 14:02:21:

Als Ruheständler habe ich manchmal den Wunsch, Teile des Jahres nicht nur als willkommener Tourist mit böhmisch-mährischer Geburtsurkunde dort unangefochten zu verbringen, wo mich Kindheitserinnerungen begleiten.
Nach 56 Jahren bin ich dort kein Einheimischer mehr, obwohl ich um den Erhalt der Gräber und Grüfte auch in der Zeit der sozialistischen Freiheit mit mehr oder weniger verläßlichem Erfolg kämpfte und Vertragsbrüche folgenlos hinnehmen mußte.
Skepsis kommt auf, wenn ich die aktuelle Radiosendung aus Prag vom 14. Mai 2001 höre bzw. lese. Der Vorsitzende der tschechischen Bischofskonferenz, Jan Graubner, Olmützer Erzbischof, fordert zur Geduld im tschechisch-deutschen Versöhnungsprozeß auf, da die tschechische Gesellschaft noch nicht darauf vorbereitet sei, sich für die Vertreibung zu entschuldigen. So in Würzburg gesagt, wenn die APA richtig berichtet hat.
Das erstaunt mich, der ich als Elfjähriger mit meiner Mutter, nachdem man meinen Vater umgebracht hatte, Anfang Juli 1945 auf die Reise ohne Wiederkehr mit Armbinde, leichtem Gepäck und im offenen Güterwagen gen Seidenberg-Tschernhausen in Bewegung gesetzt wurde. Da war der unsägliche Krieg bereits beendet, aber der heldenhafte Freiheitskampf in den Okkupationsgebieten der CR erst auf Touren gekommen. Mich erstaunt die Leichtigkeit, mit der die vertriebenen Sudetendeutschen bereits wenige Jahre nach der "befreienden" (v.Weizsäcker) Katastrophe mit der Stuttgarter Deklaration Versöhnung angeboten haben, wenn ich die tschechischen Stimmen höre, die 56 Jahre nach der Vertreibung für unabsehbare Zeit die Demut der Opfer in ihr Schicksal einfordern. Das läuft parallel zur Weigerung, die bewußten Dekrete des Präsidenten Edvard Benes als von Anfang an ungültig, aufzuheben. Vermutlich wird das auch zum Zeitpunkt des Beitritts zur EU noch der Fall sein, womit die Aufforderung des Europäischen Parlaments unterlaufen wird. Und die EU wird dies billigen.
Das mindert den verständlichen Erstwunsch zur zeitweiligen Rückkehr und reduziert ihn auf ein Probierverhalten im EU-Rahmen mit allen Haken und Ösen, die bezüglich der Heimatvertriebenen von allen Seiten noch eingebaut werden. Es ist ein Trugschluß, daß die öffentlichen Hände in Deutschland ein überwältigendes Interesse am "ostdeutschen" oder gar "sudetendeutschen" Kulturerbe haben. Ein Blick auf die Dotationen aus öffentlichen Haushalten ernüchtert. Und vom verneuerten Kultusminister der Berliner Regierung sind Hochzeitspläne, aber keine Visionen bzgl.des Berliner Hauses der Vertriebenen vernehmbar.
Das sudetendeutsch-tschechische Verhältnis ist in der Belletristik angekommen.
In der deutschen Realpolitik zahlen die nachgeborenen Steuerbürger für die Sünden der Großväter auf unabsehbare Zeit, und dies, ohne je einen realen oder ideellen Gegenwert als Kompensation für die Missetaten der Zahlungsempfänger zu erhalten. Dies konsensuale Verharmlosen der 1945er Verbrechen an den Deutschböhmen seitens der Bundesregierungen jeglicher Couleur verbittert noch die, die auf dem Absprung in die Ewigkeit sind. Aber sie hinterlassen Nachkommen, für die unausgesprochen als Erbe diese unbefriedigende Situation weiterhin gilt und irgendwann virulent werden kann.
Für mich ist der Erhalt der wenigen Grabstätten, die erhalten blieben, eine Selbstverständlichkeit, für die ich per "Erlagsschein" über einen tschechischen Bekannten zahle.
Resümierend kann ich nur alle vertriebenen Sudetendeutschen auffordern, sich um die noch vorhandenen Gräber der Vorfahren zu kümmern. Da gibt es mehr Defizite als Pflegebeispiele.
Das mag auch Hinweis für Herrn Matejka sein, dessen Beiträge ich las.
MfG Klaus Hornischer