Kirchliche Feste und Brauchtum in Gießhübel (Adlergebirge)

Aus dem Nachlaß von Josef Schintag (l897-l968)

Wie alle Adlergebirgler, so waren auch die Gießhübler sehr religiös. Außer den hohen kirchlichen Feiertagen Ostern, Pfingsten und Weihnachten wurden zu meiner Zeit auch die Feste der Landespatrone Johann von Nepomuk, Wenzeslaus, der Kirchenpatronin Maria Magdalena (die "Fohrt") und die Kaiserkirmes, als auch die Marientage gefeiert.

Zu meiner Schulzeit – und auch noch darüber hinaus – war es Brauch, daß am Gründonnerstag, dem Donnerstag in der Karwoche vor Ostern, vormittags die jungen Mädchen bis zu 14 Jahren zum "Gründoonerschtiche" gingen. Mit einem Tüchel, an den vier Zipfeln zusammengebunden als Säckchen, besuchten sie die Häuser und baten mit dem Gruß "Gelobt sei Jesus Christus, ich komme zum Gründoonerschtiche" um Zuckerwerk oder eine Geldspende. Selten fanden die Bittgänger verschlossene Türen. Die Leute waren ja auf diesen Brauch eingestellt und hatten sich Backwerk besorgt oder selbst hergestellt. Schokolade kannte man kaum. Wie schlugen doch die Herzen der Kleinen, wenn sie mit einem gefüllten Tüchel oder Säckel heimkamen und die Gaben sichteten und die Heller zählten!
Zu den Bräuchen gehörte es auch, daß man sich nach Möglichkeit von Gründonnerstag bis Ostersonntag jeweils in der Frühe vor Sonnenaufgang in fließendem Wasser waschen sollte. Dabei durfte mit niemandem gesprochen werden.

Am Karfreitag ging man zu dem "Heiligen Grab". Es zeigte lebensgroß den Leichnam Jesu Christi. Zwei Ministranten knieten abwechselnd davor. Von Kerzenschein und bunten Leuchten erhellt, wirkte es in der sonst dunklen Kirche auf uns wie ein Zauber. Wer Zeit hatte, ging auch zu den "drei Hl. Gräbern". Wir Obergießhübler besuchten die in den Kirchen aufgestellten Hl. Gräber in Bad Reinerz, dann ging es auf der Hummelstraße nach Lewin und in die Kapelle in Kuttel. Anschließend nahmen wir am langen Kreuzweg in der Gießhübler Kirche teil. Dieser dauerte früher bis 11 Uhr nachts.

Beim Frühgottesdienst am Karsamstag war für uns Jungen die Holzweihe am wichtigsten. Mit schön gespaltenen, astfreien Fichtenholzscheiten kamen wir auf den Friedhof, wo an der Kirchenmauer, je nach Windrichtung, die Holzscheite zu einem Stoß von einem hierzu bestimmten Manne kreuzweise aufgeschichtet wurden. Damit uns das Holzstück nicht zu sehr abrennt, hatten wir das Scheit erst einmal in das Wasser der auf dem Ringplatz stehenden "Biete" (Bütte) getaucht. Nach der Weihe trachtete jeder, das von ihm gezeichnete Scheit zu erhalten, und auf ging's – ohne Teilnahme am Gottesdienst – nach Hause. Da wurde mit der Anfertigung der Holzkreuze für die Felder begonnen. Am Nachmittag bereitete man sich auf die feierliche Auferstehungsfeier vor. Wie froh waren die Herzen der Gläubigen gestimmt, als der Priester verkündete: Auferstanden ist der Herr! Die Glocken, die während der vorösterlichen Zeit geschwiegen hatten, weil sie dem Volksglauben nach in Jerusalem weilten, erklangen wieder, der Kirchenchor, die Musiker setzten ein, und von der ganzen Gemeinde ertönte das Auferstehungslied.. Bei günstigem Wetter erfolgte eine Prozession rund um den Ringplatz. Die Feuerwehr und der Veteranenverein waren ausgerückt. Nach dem Gottesdienste marschierten die Vereine unter den Klängen von Marschmusik zu ihren Sammelplätzen, und hinterher die Schuljugend. So mancher, der über die Fastenzeit den Alkohol gemieden hatte, ging sogleich ins Gasthaus, um die Auferstehung in anderer Form zu feiern, und hatte einen schweren Kopf am Ostersonntagmorgen!

Der Ostersonntag begann mit einem religiösen Brauch. Am frühen Ostermorgen ging man zu den "drei Kreuzen". Während dieser Verrichtung durfte mit niemandem gesprochen werden. Meistens waren es ältere Frauen, die sich etwas vermummt auf den Weg machten, drei Kreuze aufsuchten und bei ihnen ihre Andacht abhielten. Ansonsten wurde der Ostersonntag meist im Kreise der Familie mit den zu Besuch weilenden Angehörigen verbracht, und abends ging man ins Theater.

Auf den Ostermontag freute sich vor allem die männliche Jugend. Schon Tage zuvor hatte man aus schönen Weidenruten eine "Schmeckoster" geflochten, um das Weibervolk durchpeitschen zu können. Früh am Morgen des Ostermontag wurde besonders von den ganz kleinen Einlaß begehrt. Auch wurde manches Sprüchlein zum Auftakt hergesagt, wie "Mume, Mume, loßt Euch peitscha, doß Euch ne die Flehe beißa..." oder "Schmeckoster em die Beene, blei ock immer schien derheeme...". Dann wurden die Kittel mit den Schmeckostern sanft oder heftiger durchgepeitscht. An die Jungen wurden meist gekochte und gefärbte oder gar bemalte Eier verabreicht. Geldstücke wurden auch gern angenommen. So mancher Junge brachte 50 bis 60 Eier mit nach Hause. Für die ganz Armen war es eine schöne Aufbesserung der Verpflegung und eine geldliche Hilfe für den kommenden Jahrmarkt.

Aber nicht nur die schulpflichtige Jugend beteiligte sich an diesem Brauch. Auch die erwachsene Jugend brach oft schon nach dem Theaterschluß gegen Mitternacht auf, um die Mädchen in ihren Betten zu erwischen. Oft konnte man sich mit den männlichen Geschwistern oder den Eltern rechtzeitig verabreden, um, ohne Krach zu machen, die Mädchen im Schlaf zu überraschen. Da gab es manches Hallo – und als Entschädigung ein Schnäpschen und gekochte Eier. Der Morgen war schon angebrochen, als das Unternehmen sein Ende fand. Dieser Brauch der älteren Jugend wurde später, als der Kulturverband gegründet war, für dessen Zwecke weiterhin durchgeführt.

Am Ostermontag nachmittag wurden die angefertigten "Holzkreuzlan" auf die Felder gebracht und womöglichst auf den Ecken der bereits grünenden Saat eingesteckt und auch ein geweihter Palmzweig (Weide) vom Palmsonntag hinzugefügt. Wer noch einen alten Vorderlader oder eine Pistole mit Zündkapseln hatte, gab in den Lauf etwas Pulver und stopfte ihn mit Papier voll. Das krachte ganz schön, und jeder freute sich, wenn es auf den Nachbarfeldern auch krachte. Wer ahnte damals, daß wir einmal mit modernen Schußwaffen aus einem ganz anderen Anlasse würden schießen müssen.

Später, als das Schießen verboten wurde, hatten Turnbrüder die Idee aufgegriffen, das Osterreiten durchzuführen – was auch geschah. Unter Anleitung von ehemaligen Dragonern wurde den Turnbrüdern das Reiten auf dem Pferde beigebracht. Damals gab es noch genug Pferde, und bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges wurde dieser Brauch beibehalten.

An einen weiteren Brauch aus meiner Schulzeit kann ich mich noch erinnern. An die Walpurgisfeuerchen, die wohl etwas mit der Hexenverbrennung zu tun hatten. In Obergießhübel wurde von dem Kleinbauern Johann Pabel, Haus Nr. 38, auf seinem auf dem Ziegenrücken gelegenen Felde am 30. April (Walburga) das Walpurgisfeuerchen entzündet. Als Kinder machten wir um dieselbe Zeit ein Feuerchen auf Vaters Felde. Johann Pabel, als der Pobel-Sacher (Zacharias) bekannt, war ein sehr religiöser Mann. Nach dem 1. Weltkrieg habe ich keine Walpurgisfeuerehen mehr beobachten können.

Nach dem St. Georgstag (am 23. April) durften wir Kinder barfuß gehen – soweit die Witterung das erlaubte.

Und dann kam der Monat Mai mit seinen meist schon milden Abenden und den Maiandachten. In unserer Kirche war der linke Seitenaltar der Gottesmutter gewidmet. Ein Lichterkranz umgab ihn. Im Mai wurde er besonders festlich geschmückt. An den Sonntagen umstellten ihn weißgekleidete Mädchen, die "Jongferlan", vom Chor erklangen unsere schönen Marienlieder, und zum Schluß erhielten alle den sakramentalen Segen des Priesters.

Ehe der 1. Mai als staatlich anerkannter Feiertag begangen wurde, zog die Gießhübler Musikkapelle vom frühen Morgen an von Haus zu Haus und brachte den Bürgern ein Ständchen dar. Begonnen wurde beim jeweiligen Bürgermeister, dann kamen die Häuser am Ringplatz und im Staadtla dran, anschließend wurde in Untergießhübel und nachher in Obergießhübel gespielt. Die Musikanten wurden auf ihrer Tour immer von einer großen Kinderschar begleitet. Nach dem 1. Musikstück überreichte der jeweils Geehrte der Kapelle eine Geldspende – und dann wurde noch ein Stück gespielt. Am späten Nachmittag war beim Gasthaus Czerny in Obergießhübel Schluß. Hier fand auch die Verteilung des Erlöses unter die Musikanten statt.

Christi Himmelfahrt war ein rein kirchliches Fest. Die Unsitte des Himmelfahrtstages als "Herren-" oder "Vatertag" mit Herumziehen und Trinkerei war bei uns nicht anzutreffen.

Zum Pfingstfest war es Sitte, die Fenster mit Birkenreisern zu schmücken. Nach dem 1. Weltkriege wurde – wahrscheinlich von Herrn Dir. Hofmann angeregt – das Turmblasen vom Kirchturm aus eingeführt. Am Pfingstsonntagmorgen erklangen die Choräle von 4 Musikern weithin über das Staadtla und trugen zur Feiertagsstimmung bei. Der Pfingstmontag wurde meistens zu einem Ausflug genutzt. Besonders nach dem 1. Weltkrieg, als die Kurgäste aus den benachbarten Bädern die "Schnappe" nicht besuchen konnten (oder nur unter erschwerten Umständen), galt dieser Pfingstausflug der Schnappenbaude. Leider war inzwischen der Begründer der Schnappenkapelle, der alte und blinde Herr Fiedler, gestorben und sein ältester Sohn gefallen, doch es fanden sich einige Musiker aus Deschnei und Gießhübel, die für Unterhaltung sorgten.

Besonders feierlich wurde das Fronleichnamsfest begangen. Ließ es die Witterung zu, wurde am Fronleichnamsdonnerstag oder am darauf folgenden Sonntag die feierliche Prozession um den Ringplatz veranstaltet. Die vier geschmückten Altäre standen vor den Häusern Nr. 9 (Eimann), Nr. 16 (Felzmann), Nr. 25 (Dumek) und Nr. 5 (Jung). Zu meiner Schulzeit nahmen sämtliche Schulkinder daran teil. An der Spitze gingen die Jungen mit der Junggesellenfahne, dann kamen die Mädchen mit der Jungfrauenfahne, soweit sie nicht als "weiße Jungferlan" den Priester begleiteten, und anschließend marschierten die Vereine mit ihren Fahnen. Dann folgte der Priester mit dem Allerheiligsten unter dem Baldachin mit den blumenstreuenden und weißgekleideten Jüngferchen, danach kam der Kirchenchor mit Musik und anschließend die Schar der übrigen Gläubigen.

Den Baldachin trugen zumeist die im Laufe eines Jahres verheirateten jungen Ehemänner. Zum Tragen der Junggesellen- oder der Jungfernfahne wurden Schüler aus der letzten Klasse bestimmt. Die Träger mußten sich nach einem vorher festgelegten Plan abwechseln, damit recht viele die Ehre hatten, die Fahne tragen zu dürfen. Vor dem 1. Weltkriege konnten die Träger schwarz-rot-goldene Schärpen anlegen, was uns sehr stolz machte. Vor dem Segen an jedem Altar gab der Hornist der Feuerwehr oder des Veteranenvereins ein Signal für das Abfeuern der am Nowakberge aufgestellten Böller. Der Widerhall der Böllerschüsse pflanzte sich eine Zeitlang fort.

Auf der Diagonale des Ringplatzes waren sämtliche Feuerspritzen aufgestellt, auf Hochglanz geputzt und mit Birkenbäumchen geschmückt. Auf einer der Spritzen stand in Uniform mit weißer Kappe und dem Kratzeisen auf der Schulter der Rauchfangkehrer. Auf dieser Diagonale versammelten sich auch die Mütter mit ihren Säuglingen und Kinderwagen. Nach der Prozession wurden die Altäre durch gieriges Abbrechen der Birkenreiser entkleidet. Jeder Prozessionsteilnehmer war bestrebt, ein oder mehrere Reiser mit nach Hause zu nehmen und hinter das Heiligenbild in der Stube zu stecken.

Nach dem Anschluß an das Deutsche Reich wurde der Umgang auf dem Ringplatz untersagt, und die Altäre wurden auf dem Weg zum Kirchenwalde aufgestellt. Der ehemalige Glanz des Fronleichnamsfestes hatte eingebüßt.

Das Fest der Kirchenpatronin Maria Magdalena oder die "Fohrt" (Fahrt) am Sonntag nach dem 20. 6. verlief in Gießhübel meist ruhig. Es gab keine Jahrmarktbuden oder Verkaufsstände, wie in anderen Gemeinden üblich. Es wurde viel Wert auf gutes Essen gelegt, es gab Mohn-, Streusel- und Povidelkuchen, und abends ging es zum Tanzen in eines der Gasthäuser. Der folgende Montag war lange Zeit noch ein üblicher Feiertag. Die Heuernte war vorüber, und selten wurde schon vor dem 15. Juli Korn geschnitten. Für die Schulkinder war Ferienzeit.

Als nächstes Ereignis kam die Sommersonnenwende. Zu meiner Schulzeit war der Ausdruck "Sonnwendfeier" nicht bekannt. Es wurde vom Johannisfeuer /Gehonnstichfeuer gesprochen. Zu ,,Gehonnstich' war es üblich, die Fenster von außen mit Ahornzweigen zu schmücken. Die Feuer wurden von der Jugend unter Aufsicht von Erwachsenen durchgeführt. In Gießhübel tat dies jeder Ortsteil für sich: Die Obergießhübler am Pansker, die Staadtler auf der Anhöhe zum Brända-Teuner zu und die Untergießhübler/die Niedergießhiewler auf dem Hofeberge. Vorzeitig wurde mit der Herbeischaffung von trockenem Reisig aus den naheliegenden Waldungen begonnen, eine Stange aufgestellt und darum das Reisig aufgeschichtet. Anstatt Fackeln zu benutzen, sammelten wir Jungen bei den Landwirten die abgenutzten Rutenbesen, um diese am brennenden Holzstoß anzuzünden und über dem Kopf im Kreise zu schwingen. OftmaIs wurden diese abgekehrten Besen mit Teer begossen, damit sie besser brannten. Vom Pansker aus hatte man eine weite Rundsicht, da konnte man die vielen Feuer, die auf den Bergen brannten, beobachten, besonders die im schlesischen Gebiet. Vom Ratschenberge über die Heuscheuer bis zum Rehhorngebirge und auf der Mense brannten sie wie große Fackeln. Erst nachdem der Turnverein die Sonnwendfeier leitete, wurde einheitlich und gemeinsam die Sommersonnenwende begangen.

Zur Kirmes am 3. Oktobersonntag waren die Felder meist abgeerntet. Lediglich Rüben und ein paar Kartoffeln waren noch auf den Feldern. Es gab auch Jahre, wo es um diese Zeit fest einschneite. Wenn ich nicht irre, war es der Winter 1944/45, der Mitte Oktober begann, die Kartoffelfelder nicht abgeerntet waren und noch Hafer draußen blieb. Die "Häusla-Leute" hatten meist ihre Häuschen mit Reisig verkleidet, um den strengen Winter in Geborgenheit überstehen zu können. Natürlich wurde an der Kirmes viel gegessen und getrunken. Oft hörte man: "Dos Kermsla is onse!". Selbstverständlich fand sich an der Kirmes jung und alt auf dem Tanzboden ein. Der Kirmesmontag war auch noch Feiertag.

Zu Allerheiligen und Allerseelen wurden die Gräber der verstorbenen Angehörigen geschmückt. Schon Tage vorher wurden Tannenzweige aus dem Wald geholt und Papierblumen gefertigt. Damit die Blumen Regen und Schnee standhalten konnten, wurden sie in Wachs getaucht. Meist einen Tag vor Allerheiligen wurden dann die Gräber mit dem Reisig abgedeckt und mit den Blumen verziert. An den beiden Gedenktagen wurden vor und nach den Gottesdiensten die Gräber aufgesucht und auch Kerzen aufgestellt und angezündet.

Die Tage wurden nun immer kürzer und die Adventszeit nahm ihren Anfang. Die "Rorate" (Messe) begann schon um 7 Uhr. In der Adventszeit wurden die Vorbereitungen für das Weihnachtsfest getroffen. Da wurden Bilderbogen für die Weihnachtskrippe gekauft und ausgeschnitten, Häuser zusammengeklebt und wer etwas Geschick hatte, versuchte es mit dem Schnitzen oder mit Laubsägearbeit.

Am Barbaratag (4. Dez.) gingen wir hinaus und schnitten ein paar Kirschbaumzweige ab. Sie wurden in lauwarmes Wasser gestellt – und meist blühten sie dann schon zu Weihnachten. Auch ein paar Nüsse fand man manchmal schon in seinen Schuhen oder Strümpfen. Dann kam der Nikolaustag heran. Er war nicht so reich wie heute. Ein paar Äpfel und Nüsse und eine Rute bescherte er uns.

In die Adventszeit fiel auch "die lange Nacht" (22./23. Dezember). In dieser Nacht durften die Männer nicht schlafen gehen, denn in dieser Nacht sollte die gespenstische "wilde Jagd" über das Land toben und vielleicht auch am eigenen Haus vorbeiziehen. Alle Werkzeuge (Äxte, Beile, Hacken, Spaten) sollten versteckt werden, um das Haus und seine Bewohner vor Schaden durch die wilden Jäger zu bewahren.

Wenige Tage vor dem Weihnachtsfest wurde die Kiste mit dem Bethlehem herbeigeholt und die vielen Figuren, Häuser und alles was dazu gehörte, mit einer Gänsefeder schön gereinigt und schadhaftes ausgebessert. Beim Aufstellen gab es manchmal verschiedene Meinungen, ob die oder jene Figur richtig auf ihrem Platze steht.

Der Morgen zum HI. Abend war da. Seinerzeit wurde auf alt Hergebrachtes sehr geachtet. Bis zum Abend wurde wenig gegessen. Es gab zum Frühstück eine Mehlsuppe oder Blümchenkaffee mit "Bähschnitten" mit etwas Butter und Kümmel. Die Brotscheiben zu den Bähschnitten wurden auf der Herdplatte schön knusprig geröstet. Zu Mittag aßen wir Kartoffeln mit Quark und Butter. Erst am Abend wurde reichlich gegessen. Meist waren es Speisen, die den Magen schwer belasteten. An einige kann ich mich noch erinnern: Es gab Semmelmilch (Milch mit eingebrockten alten Semmeln), – Hirsebrei mit Kraut (der Hirse wurden beim Kochen geschnittenes Kraut/Kohl beigemischt), – Pilzgraupe (der gekochten Graupe wurden aufgeweichte Trockenpilze beigemengt, sie wurde meist kalt verzehrt), – Erbsenbrei mit brauner Butter übergossen, – "Zolkerkließlan", oft auch mit Pilzen vermischt, – Suppe aus getrockneten Pflaumen, Kirschen und Apfelspalten. Das Vieh wurde schon vor dem Abendessen reichlich versorgt. Reste vom Weihnachtstisch wurden unter die Obstbäume verstreut und sollten so Fruchtbarkeit und Segen bringen.

Danach ging es in die andere Stube, in die wir Kinder in den letzten Tagen keinen Zutritt gehabt hatten. Der Christbaum, ein schönes Tännchen, war mit Kerzen, Äpfeln und Zuckerwerk geschmückt. Beim Eintritt in die Stube brannten schon die Kerzen. Die uns zugedachten Geschenke von einfacher Art lagen unter dem Bäumchen. Wir freuten uns über alles; jeder von uns bekam auch einen mit Rosinen gespickten Striezel. Die Striezel waren vom Onkel, der ja Bäcker im Staadtla war. Die paar Stunden gingen rasch dahin. Als ich mit in die Christnacht gehen konnte, wurde bereits um 22 Uhr die Wohnung verlassen, um rechtzeitig in der Kirche zu sein und einen Platz zu bekommen. War es finster, so mußten wir Laternen zur Hand nehmen, die uns die meist tief verschneiten und schneeverwehten Wege erleuchteten. Bei stürmischem Wetter war es ratsam, zu Hause zu bleiben. In der Kirche saß man dicht gedrängt und oft konnte man die Gerüche eines "Lüftchens" wahrnehmen. Erleichtert verließ man nach dem feierlichen Gottesdienst die Kirche. War der Mond am Himmel und eine klare Sternennacht, wurden auf dem Heimwege noch allerlei Späße getrieben.

Am 1. Weihnachtsfeiertage kamen keine Fastengerichte mehr auf den Tisch. Die Bekannten besuchten einander und erzählten sich über mancherlei. Am 2. Feiertag wurde das Tanzbein geschwungen. Wenige Tage noch, und das alte Jahr ging zu Ende.

Am Silvestertage ging man nachmittags in den "Jahresschluß" in die Kirche. Am meisten interessierte wohl der Bericht des Geistlichen: alle Geburten, Heiraten und Todesfälle gab er der Gemeinde bekannt. Der Silvesterabend wurde durch Darbietungen des Gesangs- und Musikvereins ausgestaltet. Nach der Begrüßung des Neuen Jahres wurde einander zugeprostet und die Glückwünsche fürs Neue Jahr ausgesprochen und mit einem festen Händedruck bekräftigt. Nach einem Stündchen fröhlichen Beisammenseins ging es wieder heimwärts.

Mit dem Dreikönigstag endeten die "Zwölf Nächte", die Tage mit den längsten Nächten im Jahr. Nun war die Tageszeit schon um einen "Hahnenschrei" länger und um Mariä Lichtmeß schon um einen "Hirschsprung". An diesen zwölf Tagen beobachtete man das Wetter sehr genau. Jeder Tag stand für einen Monat des kommenden Jahres und seine voraussichtliche Witterung. Auch sollten die Träume aus diesen Nächten in Erfüllung gehen.

Miariä Lichtmeß (am 2. Feber) wurde mit einem feierlichen Hochamt und der Kerzenweihe begangen. Man nahm Kerzen und einen Krug Wasser zum Weihen mit zur Kirche. Das Wasser sollte aus einem fließenden Gewässer geschöpft sein. Die Kerzen wurden bei Unwetter angezündet. Sie sollten Haus und Hof und Menschen vor Unheil bewahren. Auch bei Schwerkranken und Sterbenden zündete man diese geweihten Kerzen vor dem Heiligenbild an und bat um Gottes Beistand.

Am Tag danach, am 3. Februar folgte das kirchliche Fest des Hl. Blasius. Man bekam den Blasius-Segen, der vor Halsleiden schützen sollte.

In der nun folgenden Faschingszeit veranstalteten die einzelnen Vereine in kurzen Abständen ihre Bälle. Sie hatten schon vorher die Reihenfolge der Bälle und die Gaststätten dafür untereinander abgestimmt. Zu den Vereinsbällen kam manches Jahr auch ein Weberball hinzu. Es gab allerei zu tun mit den Vorarbeiten. Besonders mit der Ausschmückung des Saales gab man sich besondere Mühe. Oft wurde noch am Morgen getanzt, wenn die ersten Leute schon zur Kirche gingen. Die Musikkapelle, die meist von Musikern aus anderen Gemeinden verstärkt war, hatte was leisten müssen!

Von Zeit zu Zeit besuchte man auch die Bälle von Nachbargemeinden. Besonders bei schönem Winterwetter und guter Schlittenbahn ging es mit Spazier-, Kasten- oder Stangenschlitten auf in den Ball zum Nachbarn. Bei geladener Stimmung kippte so manch ein Schlitten auf der Heimfahrt um und die Mitfahrenden machten mit dem Schnee zur Aufmunterung Bekanntschaft. Auch wir freuten uns immer, wenn Gäste aus den Nachbargemeinden zu unseren Veranstaltungen kamen.

In der darauf beginnenden Fastenzeit fanden – wie in der Adventszeit – keine Tanzveranstaltungen mehr statt. Mit dem Aschermittwoch hörte das Vergnügen auf Die Gläubigen bekamen vom Priester das Aschenkreuz auf die Stirn gezeichnet und es folgte die stille Zeit der "Foste", in der man sich in Enthaltsamkeit übte. Der Freitag wurde als besonderer Fastentag streng eingehalten. Es war die Zeit der Kreuzwegandachten, die dann in der Karwoche ihren Höhepunkt erreichte.

Diesen Bericht stelle Herr Helmut Kluger zur Verfügung 2001-03-05