Plünderung der Pfarrei und Kirche, Erschießungen und Mißhandlungen
Berichter: Pfarrer Johann Hofmann. Bericht vom 3. 1. 1947 (Dittersdorf)
Ich schicke voraus, daß ich stets ein Antihitlerianer und Antifaschist gewesen bin. War auch dafür über sechs Wochen von der Gestapo in Zwittau und Mähr. Schönberg im Herbst 1938 eingesperrt, stand daraufhin sechs Jahre hindurch unter polizeilicher Aufsicht, hatte Schulverbot und mußte 500 Mark politisches Sicherungsgeld über drei Jahre leisten. Trotzdem plünderte mich die russische Soldateska mehrmals aus, erbrach mir in der Pfarrkirche zu Dittersdorf den Tabernakel und die Tschechen plünderten ebenfalls meine Pfarrei und Kirche und sperrten mich und meine Haushälterin ein. Das trug sich folgendermaßen zu: Arme Kirchkinder und ein Schneider mit Namen Hirnich aus Dittersdorf waren ebenfalls beim Russeneinmarsch beraubt und ausgeplündert worden. Da brachten sie ihre wenigen erhaltenen Sachen - auch Lebensmittel - in den Pfarrhof und in die Kirche, um doch etwas zu retten. Das mußte der Kommunist und Oberwachtmeister der Gendarmerie in Breitenau, Pistella mit Namen, in die Nase bekommen haben. Er erschien eines Tages mit dem Ortskommissar Hampel und dem Gemeindesekretär N. N., der als ehemaliger deutscher Luftschutzbeamter in Freudenthal, hier in Dittersdorf Spitzeldienste für die Tschechen leistete, und verlangte gewaltsam Einlaß in die Kirche und das Pfarrhaus, und nahm eine peinliche genaue Hausdurchsuchung vor. Daraufhin wurde ich mit meiner Haushälterin verhaftet, in der Schule bis zur Dämmerung festgehalten, dann auf einem Wagen zur nächsten Gendarmeriestation in Breitenau gefahren, dort über Nacht behalten, um am nächsten Morgen mit Eskorte nach der Kreisstadt Freudenthal ins Gefängnis gebracht zu werden. Alle dagegen unternommenen Schritte bei der Bezirkskommission blieben erfolglos. Pfarrer Hofmann mußte acht Tage und die Haushälterin Elfriede Alfa 14 Tage brummen.
Kein Deutscher, wenn er auch vollständig Antinazi und tschechenfreundlich eingestellt war, durfte Radio abhören, durfte nicht auf der Bahn, nicht im Autobus, noch auf dem Fahrrad fahren, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, dasselbe weggenommen zu bekommen oder aus dem Zug hinausgeworfen zu werden. Ja nicht einmal in eine andere Gemeinde durfte der das "N" Tragende ohne Gendarmeriebewilligung gehen. Fleischkarte gab es überhaupt keine. Der Bauer mußte es sich gefallen lassen, eines Tages von einem Tschechen seinen Hof samt Inventar und persönlichem Eigentum beschlagnahmt zu sehen, und der Bauer mußte entweder hinaus oder konnte in einem Stübchen bleiben, mußte aber fest arbeiten ohne Lohn und bei schmaler Kost. Der Tscheche arbeitete in der Regel nicht, fuhr nur aus, schlachtete alles zusammen und war selten nüchtern.
Zur Zeit der Mairevolution wurden in meinem Kirchensprengel Dittersdorf die meisten Bauern, die, um nicht unter Hitler einrücken zu müssen, zur SA gegangen waren, zusammengetrieben, mit Gewehrkolben bearbeitet, zunächst in einen Keller gesperrt und, nachdem Verstärkung herangekommen war, nach der Kreisstadt Freudenthal gebracht in das berüchtigte Polizeigefängnis im Rathaus oder im Schloß, wo sie fast zu Tode geprügelt wurden mit Totschlägern und Gummiknüppeln, ihnen Geständnisse auf die grausamste Weise erpreßt wurden, um sie nach längerer Haft in die Kohlengruben oder andere Zwangsarbeitsplätze zu verschleppen. Viele starben schon vorher, viele wurden erschossen, nachdem sie sich mit den bloßen Händen ohne Schaufel ihr eigenes Grab gegraben hatten. So wurden in Freudenthal an einem Tag 20 solche Opfer auf dem Kasernenhofgelände erschossen.
Viele aber von denen, die in den Kohlengruben in Ostrau oder anderswo doch aushalten konnten, sahen ihre Familie nicht mehr. Sie wurden allein ausgesiedelt und warten nun vergebens auf das Wiedersehen mit dem Vater oder Gatten.
Der schlimmste Beamte aber in Freudenthal war bei der Bezirksbehörde Dr. Josef Rybár, der die deutschen Bitt- und Gesuchsteller einfach hinausgeworfen hat, ganz gleich ob dies ein Geistlicher, eine Nonne oder ein Laie gewesen war. Dieser Beamte hat als Bezirkskommissar die meisten Deutschen ins Lager, ins Gefängnis gebracht, den Bittstellern um Anerkennung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft das Ansuchen ganz einfach zurückgestellt, nicht erledigt und die Beilage nicht mehr zurückgestellt.

Aus: Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen. Überlebende kommen zu Wort.
Originalausgabe: Selbstverlag der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung Sudetendeutscher Interessen, 1951
Einleitung und Bearbeitung von Dr. Wilhelm Turnwald