Dekrete wider internationales Recht
Neue Studie: Bundesregierung nicht an Abkommen mit Tschechien gebunden
von Rüdiger Goldmann
Im Jahre 2003 ist es mitten in Europa möglich, daß ein Politiker wie Vaclav Klaus deswegen zum tschechischen Präsidenten gewählt wird, weil er Dekrete für rechtens erklärt, die Massaker an unschuldigen Menschen sowie deren totale Beraubung und anschließende brutale Vertreibung zum Inhalt haben die Bene-Dekrete der Jahre 1945/46, die sein Vorgänger Eduard Bene gegen die Sudetendeutschen und Ungarn erlassen hatte.
Im Jahre 2003 ist es möglich, daß sein Gegenkandidat Jan Sokol unter anderem deswegen
nicht gewählt wird, weil er die Vertreibung der Sudetendeutschen verurteilt.
Zur gleichen Zeit ist es möglich, daß die serbische Politikerin J. Plavcic wegen der
politischen Verantwortung für Massaker und Vertreibung von Kroaten und Bosniern zu elf
Jahren Gefängnis verurteilt wird und daß in Den Haag weitere Vertreiber hohe Strafen zu
erwarten haben.
In der Tschechischen Republik hingegen benannte man Brücken und Plätze ausgerechnet
in sudetendeutschen Städten wie Aussig und Reichenberg nach dem Schreibtischmörder
Eduard Bene, und man scheut sich nicht, mit dessen blutiger Erblast in die
Europäische Union einzutreten.
Obwohl inzwischen nicht nur zahlreiche Dokumentationen über die Vertreibung und die
grausamen Menschenrechtsverletzungen der CSR zwischen 1945 und 1948 vorliegen, obwohl
inzwischen ein halbes Dutzend Gutachten renommierter Völkerrechtler zum Komplex der
Bene-Dekrete vorliegen, nimmt die Bundesregierung davon keine Kenntnis und
beschränkt sich auf stereotypes Bedauern und auf folgenlose Grundsatzerklärungen. In
einem ausführlichen Gutachten hat auch der Bonner Völkerrechtler Prof. Dr. Dr. Rudolf
Dolzer die Vertreibung der Sudetendeutschen und die Bene-Dekrete im Lichte des
Völkerrechts untersucht. Eine Beurteilung nach dem Völkerrecht ist deswegen angebracht,
weil diese Handlungen des tschechoslowakischen Staates gegen fremde Staatsbürger
nämlich Deutsche gerichtet waren. Der Wissenschaftler verweist auf zahlreiche
internationale Verträge und Beschlüsse, die diese Maßnahmen als
Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
kennzeichnen, so unter anderem die in den Nürnberger Prozessen formulierten Rechtsnormen.
Aber schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Beispiel, in der Haager Landkriegsordnung
von 1907, betrachtete man die Masseninternierung und Massenausweisung fremder
Staatsangehöriger als verbotene Handlungen. Eine ausdrückliche Erwähnung hielt man
damals für überflüssig, da man Vertreibungen als Ereignisse der Vergangenheit ansah
(!).
Dolzer betont, daß nach dem 1945 gültigen Völkerrecht Vertreibung als einseitiges
Handeln eines Staates ohne Zustimmung des anderen betroffenen Staates und ohne Zustimmung
der Vertriebenen grundsätzlich als unzulässig angesehen wird. Auch in dem
tschechoslowakischen Straffreiheitsgesetz sieht er ein völkerrechtliches Delikt, da der
Staat zum Schutz fremder Bürger verpflichtet ist.
Die Bene-Regierung betrieb jedoch eine Art Staatsterrorismus gegen Deutsche und
Ungarn.
Der Bonner Jurist unterstreicht, daß die Charta der Menschenrechte der Vereinten
Nationen schon in Kraft war, während die Vertreibung stattfand.
Es sei hier nur am Rande vermerkt, daß die Bene-Dekrete gegen fast alle dort und in
anderen Vereinbarungen festgehaltenen Menschenrechte verstoßen, unter anderem gegen die
Unverletzlichkeit der Wohnung, gegen das Recht auf Eigentum, gegen das Recht auf
Freizügigkeit und Freiheit.
Brisant sind die Schlußfolgerungen des Gutachters:
Nach seinem Urteil hat die tschechische Regierung durch ihre Erklärungen im
Jahre 2002 und den einstimmigen Beschluß des Parlaments vom 24. April 2002 den
Rahmen und die Grundlage der Deutsch-Tschechischen Erklärung des Jahres 1997
verlassen.
In der besagten Parlamentsentschließung behaupten die tschechischen Parteivertreter, daß
rechtliche und vermögensrechtliche Beziehungen, die aus ihnen (das heißt den
Bene-Dekreten, Zusatz der Verfasser) hervorgingen, unanzweifelbar, unantastbar und
unveränderlich sind. Damit, so Dolzer, sei die deutsche Regierung frei und zugleich
gefordert, die Frage der Vertreibungs- und Enteignungsdekrete anzusprechen und eine
angemessene Art der Wiedergutmachung auszuhandeln.
Man kann Prof. Dolzer überwiegend, aber nicht in allen Punkten zustimmen. Er weist
klar und eindeutig nach und belegt dies ausführlich mit deutschen und internationalen
Veröffentlichungen, daß die Bene-Dekrete, daß die Vertreibung und die dabei
zusätzlich verübten Verbrechen völkerrechtswidrig sind. Die Frage ist keinesfalls durch
Zeitablauf erledigt. Er sieht die Vertreibung in der Nähe des Völkermordes, da sich die
Absicht einer planmäßigen Vernichtung nicht nachweisen ließe. Dies sehen freilich
andere Völkerrechtler wie etwa die Professoren Ermacora und Blumenwitz anders.
Zweifellos war es die Absicht von Bene und seiner Mittäter, die Sudetendeutschen
als Volksgruppe zu zerstören, sie jeglicher Existenzmöglichkeiten und ihrer angestammten
Heimat zu berauben, wobei Krankheit und Tod der Vertriebenen bewußt in Kauf genommen
wurden.
Diese und andere Vertreibungen bleiben unerhörte Verbrechen, die in demokratischen
Rechtsstaaten keinen Platz haben dürfen, wenn nicht der Glaube an die Menschenrechte und
die Gerechtigkeit völlig verlorengehen soll.
Quelle: Das Ostpreußenblatt/Preußische Allgemeine Zeitung, 2003-04-05
www.ostpreussenblatt.de