Mißhandlungen, Vergewaltigung, Mord
Berichterin: A. R. (Budweis)
Am 21. Mai 1945 mußte sich die gesamte deutsche Bevölkerung von Budweis am
Arbeitsamte melden. Als ich mit meinen Eltern in die Nähe des Arbeitsamtes kam, wurden
wir von einem Haufen Tschechen erfaßt und grundlos geprügelt, bespuckt und mißhandelt.
Mit Fußtritten trieb man uns bis zur Pforte des Arbeitsamtes, wo wir erneut von
Wachtposten ergriffen und mit Gewehrkolben solange geschlagen wurden, bis wir
liegenblieben. Während man uns so mißhandelte, kamen auch andere deutsche Familien,
darunter Frauen mit kleinen Kindern im Wagen. Diesen rissen die Tschechen die Kinder aus
dem Wagen und warfen sie in den vorbeifließenden Bach. Die Frauen stürzte man ihnen
nach. Jedesmal wenn eine Mutter mit ihrem Kinde das andere Ufer gewann, wurde sie erneut
erfaßt, geschlagen und hineingeworfen. Dieser Vorgang wurde unter dem Gejohle und
Freudengeschrei der Tschechen (darunter größtenteils Frauen) so oft wiederholt, bis sie
durch das Erscheinen neuer Deutscher abgelenkt wurden. Frl. Wallisch, Beamtin des
Arbeitsamtes Budweis, wurde erst halbtot geprügelt und nachher zwang man sie unter
Kolbenhieben, die Blutlachen auf der Erde und den Stiegen des Arbeitsamtes abzulecken. Der
Hof des Arbeitsamtes glich einer Richtstätte. Überall Blutlachen, auf der Erde lagen
halbtot geprügelte Männer und Frauen ganz entstellt. Die übrigen mußten in einer Front
stehen und ringsherum standen Posten mit auf sie gerichteten Flinten, welche jeden, der
sich anlehnen wollte, prügelten. Pater Jos. Seidl aus dem Kloster Budweis wurde ebenfalls
furchtbar geschlagen und geprügelt, bloß weil er Deutscher war.
Die Leute wurden nun in Arbeitskolonnen eingeteilt und schwer bewacht abgeführt, vom
Pöbel vor dem Arbeitsamt erneut geschlagen. Ich kam mit einem Arbeitszug in das Lazarett
und mußte dieses nach unseren Soldaten aufräumen. Auf Schritt und Tritt liefen die
Posten mit und jagten uns. Wir mußten schwerste Arbeiten verrichten und wurden nur
"deutsche Hunde, Schweine, Huren" geschimpft. In den Infektionsabteilungen
mußten wir die staubigen Strohsäcke trennen und neu stopfen. Ich hatte das Pech,
während der Arbeit auf einen rostigen Nagel zu treten. Mein Fuß blutete und schmerzte
stark. Erst als der Fuß stark anschwoll, erlaubte man mir, daß ich mir einen alten,
schmutzigen Verband, wie sie auf dem Mist lagen, darum wickelte. Ich mußte trotz der
wahnsinnigen Schmerzen arbeiten. Man brachte mich auf die Wache, wo mir ein Posten mit dem
Taschenmesser die Ferse aufschnitt. Das wiederholten sie am anderen Tage nochmals. Erst
als ich nicht mehr gehen konnte erlaubte mir der Stabsarzt 2 Tage Ruhe.
Einmal wurde ich mit mehreren Frauen in das Armenhaus zum Räumen abkommandiert, da dieses
als russ. Lazarett eingerichtet werden sollte. Es waren bereits Russen darin und ich als
einziges junges Mädchen wurde stark belästigt. Ein älterer Russe gab meinem Posten
Zigaretten, worauf ich den Befehl erhielt, ihm auf sein Zimmer zu folgen. Der Russe war
stark angetrunken. Ich lehnte es ab, zu trinken. Sodann warf er mich auf sein Bett und
wollte mich vergewaltigen. Es gelang mir, ihn wegzustoßen und aus dem Fenster zu
springen.
Als das Lazarett vom tschechischen Militär übernommen wurde, waren dort in einem Zimmer
noch einige schwerverwundete deutsche Soldaten. Der tschechische Arzt hatte das Zimmer
mehrmals betreten, ohne jedoch den Kranken zu helfen. Er äußerte sich einmal zu seinem
Begleitoffizier: "Werden diese deutsche Schweine nicht bald verrecken, ich brauche
den Platz." Darauf erhielt er den Rat, doch nachzuhelfen. Ein Soldat, welcher mit
Bauchschuß dort lag, bekam am Nachmittag eine Injektion und am anderen Tag wurde er
bereits im Hof eingescharrt. Von der Schwester, die mir das erzählte, erfuhr ich auch,
daß man mehrere SS-Männer im Alter von 18-21 Jahren ins Lazarett schleppte, im Hofe
totprügelte und eingraben ließ.
Ein Aufseher namens Emil Hacker, desátník, welcher meist angetrunken war und uns mit der
Peitsche antrieb, hieß mich mal im Armenhaus Geschirrwaschen. Während er mit
unterschlagenen Armen da saß, erteilte er mir alle möglichen Befehle. Plötzlich
verschwand er und kehrte mit einem dicken Seil zurück, welches er durch die Luft sausen
ließ. Ich bekam den Befehl, ihm auf den Boden zu folgen. Den anderen drohte er Strafe an,
falls sie sich unterstehen sollten, uns zu folgen. Statt auf den Boden führte er mich auf
ein Krankenzimmer im III. Stock, welches er verschloß. Während er sich die Uniform
auszog, drohte er mir mit seiner Rache, falls ich schreien wollte. Er machte mir den
Vorschlag, jeden Tag zu ihm aufs Zimmer zu kommen, dafür müßte ich nicht mehr die
schwere Arbeit verrichten. Auch wollte er mir Brotmarken geben. Als ich ihm sagte, daß
ich ihn hasse und mich lieber prügeln ließe, wurde er grob und vergewaltigte mich. Ich
mußte nun unter seinem Kommando schwer arbeiten, wurde ständig von ihm belästigt. Ich
kam auf die schlechteste Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten, wo ich schwer
arbeiten mußte.
Der Kanonikus Pater Jos. Neubauer war zuerst eingesperrt und wurde täglich mit einem
Arbeitstrupp im Lazarett gebracht. Dort mußte er unter Beschimpfungen und Mißhandlungen
schwerste Arbeit verrichten. Einmal schwindelte ich ihm beim Vorbeigehen ein Brot zu. Dies
wurde von einem Aufseher beobachtet und ich wurde bestraft.
Meine Großmutter, eine 73-jährige Greisin, wurde in ihrer Wohnung von tschechischen
Wachposten ergriffen und zu ihrem Nachbarn, dem Herrn Schadt, geschleppt. Dieser, schon
blutig geprügelt, bekam nun den Befehl, meine Großmutter zu schlagen. Als er sich
weigerte, wurde er vor den Augen meiner Oma verprügelt und die Stiegen hinuntergestoßen.
In ihrer Verzweiflung lief sie zurück in ihre Wohnung und schnitt sich mit dem
Küchenmesser die Pulsader durch. Halbverblutet fanden sie Russen, welche ihr einen
Verband anlegten und sie ins Krankenhaus bringen ließen. Im Krankenhaus, als sie auf der
Bahre lag, wurde die 73-jährige Greisin bespuckt und eine alte Hure geschimpft. Man
sperrte sie in den Keller ohne Fenster. Keine Hilfe, kein neuer Verband. Meine Großmutter
litt unsägliche Schmerzen. Meine Tante, die bei ihr war, bat den Arzt um Hilfe, der sagte
bloß: "Es ist ja nur eine Deutsche", lachte und ging. Mit viel Bitten gelang es
meiner Tante wenigstens den Priester zu holen, welcher ihr die letzte Ölung verabreichte.
Ohne Hilfe starb meine Großmutter am nächsten Tag einen qualvollen Tod infolge Brand.
Im Gefängnis waren mehrere deutsche Mädchen eingesperrt. Jeden Tag kamen Russen und
borgten sich die Frauen aus, welche sie am nächsten Morgen wieder zurückbrachten.
Während meiner Leidenszeit im Lazarett waren auch tschechische Militärgeistliche da, die
ebenfalls uns Deutsche bewachten mit der Waffe in der Hand und anderen Tags die Kommunion
reichten.
Aus: Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen. Überlebende kommen zu Wort.
Originalausgabe: Selbstverlag der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung Sudetendeutscher
Interessen, 1951
Einleitung und Bearbeitung von Dr. Wilhelm Turnwald