Berichter: Eduard Kaltofen
Ich, Eduard Kaltofen, wurde am 15. 3. 1921 in Bergesgrün, Kr. Brüx,
Sudetengau, geboren, meine Eltern hatten ebenfalls in diesem Ort ihre Geburtsstätte. Im
Jahre 1941 wurde ich zur Luftwaffe eingezogen, 1942 nach Rußland als Aufklärer
eingesetzt. Zur selben Zeit wurde mein Vater zur Gendarmerie eingezogen und nach
Jugoslawien kommandiert. Ich wurde zweimal verwundet, das letztemal in Kitzingen durch
amerikanische Tiefflieger. Da ich nicht mehr einsatzfähig war, bekam ich meinen Wehrpaß
mit den Worten: "Sehen Sie zu, daß Sie recht bald Ihre Heimat erreichen!" Ich
verließ am 28. April 1945 das Lazarett und schlug meinen Weg zu Fuß nach Salzburg-Linz
ein. Von Linz fuhr ich mit dem Güterzug nach Budweis und Prag in die Tschechei. Am 4. Mai
traf ich in Prag ein und am 5. Mai hatte ich ohne Hindernisse meine Heimat erreicht. Ich
verweilte ich 3 Tage bei meiner Familie und Mutter; wo mein Vater war, wußten wir nicht.
Am 8. Mai marschierten die Russen ein, die Besatzungszeit dauerte nur 2 Tage, dann
übernahmen die Tschechen die Macht. Die ersten Tage kamen Ukrainer in unser Haus und
plünderten. Was ihnen gefiel, wurde mitgenommen, Wäsche, Kleider, Uhren, Ketten, sogar
die wenigen Lebensmittel. Zum Großteil wurde Mehl und Zucker usw. auf den Straßen
verstreut und verwüstet. Mord und Totschlag und Vergewaltigungen standen an erster
Stelle. Darauf fingen die Tschechen an, diese hatten dasselbe System. Die erste
Militärtruppe der Tschechen nannte sich Partisanen, zum Teil in deutscher Afrika-Uniform.
Zum Großteil in Zivil mit MP., Karabiner und Pistole ausgerüstet, drangen 8-10
Partisanen in deutsche Wohnungen und Häuser ein, plünderten, vergewaltigten Frauen und
Mädchen. Nachts wurden Frauen, Kinder und Männer ohne Altersunterschied von dieser
tschechischen Elitetruppe, wie sie sich nannte, erschossen; Männer auf das Grausamste
gequält und dann erschlagen, Frauen und Kinder mußten dabei zusehen. Im Nachbarort Bruch
wurden alle Jungen und Männer auf einen Platz getrieben, von Partisanen wurden diese mit
Peitschen und Gummischläuchen mit eingezogenen Kupferkabeln geschlagen, bis die Wunden
bluteten, dann streute man ihnen Salz und Pfeffer hinein.
Am 10. 5. kam an mich die Reihe. Ich wurde von Zivilisten auf der Straße gefaßt und zu
dem sogenannten Národní Výbor geschafft. Ohne eine Beschuldigung wurde ich 8 Tage
eingesperrt. Wir waren zu acht in einer Zelle. Die erste Nacht wurden 3 Mann erschossen
und andere füllten in unserem engen Raum den Platz aus. Der Raum war derart klein, daß
uns der Sauerstoff zum Atmen ausging, denn Fenster war keines vorhanden. Wir lagen halb
ohnmächtig, dem Ersticken nahe, am Boden. Ein Austreten gab es nicht, wir mußten unsere
Notdurft in diesem Raum in einer Ecke verrichten. Erst am darauffolgenden Tag durften wir
einzeln austreten gehen. Die Zelle wurde nicht gereinigt. Zu trinken und essen gab es alle
4 Tage ein bißchen Wasser und 100 g Brot mit den Worten: "Ihr deutschen Hunde sollt
elend zugrunde gehen, eine Kugel und ein Strick ist zu schade für Euch." Nach 8
Tagen wurde ich freigelassen, aber 6 Tage später wurde ich wieder verhaftet. Ich sah
dieselbe Zelle wieder! Ich mußte mich entkleiden und an die Wand stellen, dann bekam ich
von 2 Mann mit Peitschen eine halbe Stunde lang Schläge, bis mir der Rücken blutete.
Nachher wurde ich mit einem Holzknüppel solange auf den Kopf geschlagen, bis ich
bewußtlos zusammenbrach. Als ich erwachte, lag ich mit noch 4 Kameraden, die in demselben
Zustand waren wie ich, am Boden in unserem Blute. Darnach kam der Posten herein,
erkundigte sich sehr freundlich nach unserem Ergehen und ob wir eine Bitte hätten. Wir
äußerten den Wunsch, uns zu waschen und zu verbinden, nach Essen getrauten wir gar nicht
zu fragen. Da fing er an zu lachen und sagte, er käme gleich wieder und würde uns
waschen und verbinden. Es dauerte keine 5 Minuten, da traten zwei Partisanen und zwei
Zivilisten ein und schlugen uns wieder bis zur Bewußtlosigkeit. Am 3. Tag wurden dann 20
Mann von der Kriminalpolizei ins Gefängnis nach Oberleutensdorf gebracht, dort wurde uns
nach den ersten Prügelstrafen mit Peitschen und Kupferkabeln gesagt, daß keiner von uns
Deutschen lebend herauskäme. Alle Deutschen müßten elend verrecken. An diesen Worten
zweifelten wir auch nicht, nur hatten wir einen Wunsch, den wir auch sagten, man möchte
uns aufhängen. Darauf gab es nur ein Gelächter.
In diesem Gefängnis verbrachte ich 4 Wochen. Jeden Tag und jede Nacht gab es alle zwei
Stunden Schläge, wir spürten schon unsere Knochen nicht mehr. Zusammengeschlagen, die
Gesichter blutunterlaufen, so gingen wir Tag für Tag Massengräber schaufeln. Selbst an
Straßenkreuzungen mußten wir zu Tode gequälte Menschen eingraben. Damit die
Massengräber kein zu großes Ausmaß annahmen, wurden in Wald und Feld deutsche Männer
und Frauen begraben. Die zweite Woche darauf wurde nachts ein 16jähriger Junge in unsere
Zelle geworfen und von Partisanen geschlagen, bis er aufsprang, da er es vor Schmerzen
nicht mehr aushielt. Damit war auch sein Schicksal besiegelt, denn er wurde vor unseren
Augen in der Zelle erschossen. In dieser Nacht hörten wir fünfmal, in jeweils einer
anderen Zelle, Schüsse fallen. Am nächsten Morgen mußten wir 5 Kameraden, zerschlagen
und zerschossen von MP., ins Massengrab werfen. Dies ging die ganzen 4 Wochen so, Tag und
Nacht. Wir warteten nur auf die Erlösung von diesen Qualen.
In der vierten Woche wurden wir Überlebenden, aber zur Unkenntlichkeit Verprügelten in
den Gefängnishof getrieben. Dann wurden wir in Fünferreihen aufgestellt. Es waren 200
Mann, darunter Arbeiter, Kaufleute, Ärzte usw. Führende Persönlichkeiten von Partei und
Wehrmacht waren nicht dabei, denn diese waren entweder schon vor dem Umsturz geflüchtet
oder kurz nachher von den Tschechen erschossen worden. Es waren unter den 200 Leuten nur
solche, die sich keiner Schuld bewußt waren, sondern nur büßen mußten, weil sie
Deutsche waren. Dann ging es im Laufschritt 9 km in die Kreisstadt ins Gefängnis nach
Brüx. Dort hatten wir es einigermaßen besser, es gab noch Prügel, aber nicht mehr in
diesem Ausmaße wie vorher. Wir mußten nun mit zur Arbeit ins Hydrierwerk nach
Maltheuern, denn es mangelte an Facharbeitern. Als Verpflegung gab es täglich ¼ Liter
Kaffee, 100 g Brot und mittags eine Wassersuppe. In diesem Gefängnis verbrachte ich 2
Wochen. Aber sehr bald sollten wir erfahren, daß es für Deutsche noch etwas Besseres
gäbe. Es wurde das Lager 28 errichtet, die Tschechen nannten es KZ-tábor 28. Wir wurden
aus dem Gefängnis in Brüx in dieses KZ überführt. Die Zahl der Häftlinge betrug 1400
Mann. In diesem Lager wurden wir wieder auf das Grausamste gemartert und geschlagen, ein
jeder Tscheche, der Lust hatte, seine Wut an einem wehrlosen Deutschen auszulassen, konnte
herein und prügeln, solange es ihm gefiel. Je mehr er uns quälte, umso größer war die
Freude der Wachmannschaft. Unaufhörlich liefen Posten mit Gummiknüppeln die Reihen auf
und ab, schlugen uns damit ins Gesicht, Fußtritte bekamen wir, daß man ins Wanken kam.
Eines Tages wurden wieder 100 Deutsche eingeliefert, diese wurden zuerst ausgeplündert
(Tabak, Eheringe, Geld, Uhren, Brot), alles wurde ihnen geraubt und die Posten fielen
über diese Sachen her wie eine wilde Horde. Bei diesen 100 Mann befand sich ein
Schwerkriegsbeschädigter mit Krücken, da er ein Bein im Krieg verloren hatte. Diesen
schlug man mit seinen beiden Krücken, bis er tot liegen blieb. Einige Tage später
mußten alle Häftlinge hinter den Baracken antreten. 30 Meter von unserem Platz entfernt
befand sich eine Sandgrube. Dort stand der Lagerführer, von den Tschechen als
"Velitel" angesprochen, rechts davon mußten 4 Deutsche ihre Särge
bereitstellen, dann wurden die ersten zwei durch Genickschuß getötet, dann auch die
anderen. Wir mußten zusehen. Durch Genickschüsse wurden hunderte deutsche Männer
ermordet, jede Nacht hörten wir in dieser Grube Schüsse fallen. Die Leichenbeförderung
vom Lager aus nahm kein Ende. Wir waren Arbeitssklaven und Freiwild für die Tschechen,
jeder konnte mit uns machen, was er wollte.
Durch einen deutschen Kameraden, der noch seine Freiheit besaß, wurde mir ein Zettel
zugeschoben, in welchem er mir mitteilte, daß mein Vater in den Händen der Tschechen
sei. Es vergingen weitere 8 Tage und ich wurde auf freien Fuß gesetzt, die tschech.
Kriminalpolizei gab mir eine Bescheinigung, daß ich weder bei einer Formation, noch bei
der Partei war, sondern nur bei der Wehrmacht. So durfte ich nach 9wöchiger
Gefangenschaft wieder zu meiner Familie. Ich erkundigte mich nach meinem Vater. Er war
bereits auf amerikanischer Seite hinter Karlsbad [gewesen], dort rüstete die Gendarmerie
ab. Durch Flüchtlinge aus unserem Ort erfuhr er, daß ich gefangen bei den Tschechen sei,
woraufhin er heimkam. Im Erzgebirgsort Einsiedl wurde er von Partisanen gefangen genommen.
Diese schlugen ihn mit Knüppeln und Gewehrkolben, dann wurde er auf zwei Stangen
gebunden, so eine Art Leiter und von Wenzl Bervid, der selbst eine deutsche Mutter hat, am
Motorrad festgebunden, aber so, daß Kopf und Schulter die Straße berührte, dann ging es
im 10-km-Tempo 2½ Stunden lang bis nach Bergesgrün. Dort wurde er nochmals in diesem
zusammengeschlagenen Zustand verprügelt, die Zähne eingeschlagen, das Gesicht so
verstümmelt, daß man ihn nicht erkannte. Nachher wurde er in das Gefängnis nach
Oberleutensdorf gebracht. Zerschlagen, verschmutzt und mit Wundfieber, ließ man diesen
Menschen dort in der Zelle liegen. Den darauffolgenden Tag mußte er noch Panzersperren
abbauen gehen. Da ihm aber die Kräfte fehlten und er das nicht schaffen konnte, schlug
ihn der Posten mit dem Gewehrkolben nieder. Daraufhin wurde das Rote Kreuz verständigt,
ihn abzuholen. Eine Rot-Kreuz-Schwester erkannte meinen Vater und ließ mir folgenden
Bericht zukommen: "Ihr Vater war auf das Furchtbarste zerschlagen und verstümmelt,
es war kein weißer Fleck an ihm zu sehen, die Zähne waren eingeschlagen, die Augen ganz
mit Blut unterlaufen, der Kopf zerschlagen durch den Hieb mit dem Gewehrkolben, sodaß das
Gehirn zu sehen war. Nach einer halben Stunde hatten wir ihn gewaschen und verbunden und
durch vieles Bemühen zum Bewußtsein gebracht. Leider war er nicht normal, um an ihn
einige Fragen stellen zu können, sodaß er gleich wieder in den bewußtlosen Zustand
verfiel. Erst beim zweiten Mal, als er erwachte, hatte er seine Gedanken ein wenig
beisammen, seine ersten Worte waren: 'Die haben mich blöd geschlagen', dann verlangte er
etwas zum essen, konnte aber nichts zu sich nehmen, da der Mund ganz zerschlagen war. Dann
frug er, ist mein Sohn noch im Gefängnis." Da ihm die Schwester die Aufregung
ersparen wollte, sagte sie, ich sei schon wieder bei meiner Frau. Auf diese Antwort bekam
sein Gesicht trotz der schmerzhaften Züge ein zufriedenes Lächeln und die Worte waren zu
hören: "Nun kann ich ruhig sterben!"
Am 8. Juni bekamen wir vom Národní Výbor die schriftliche Zustellung, daß mein Vater
am 7. Juni um 7 Uhr abends im Gefängnis gestorben sei und wir den Betrag von RM 159.-
für Sarg und Transport der Leiche zu zahlen hätten. Durch den dort noch wohnenden
deutschen Leichenbestatter erfuhren wir das Massengrab, in welchem mein Vater lag. Wir
legten einige Blumen darauf, diese wurden aber am nächsten Tag von den Tschechen
heruntergeworfen. Ständig waren Posten am Friedhof, welche deutsche Männer beim Arbeiten
bewachten. Diese schossen aus lauter Langeweile auf Grabsteine und Gräber. Leute, die in
der Nähe der Massengräber waren, wurden weggetrieben und geschlagen.
Aus: Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen. Überlebende kommen zu Wort.
Originalausgabe: Selbstverlag der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung Sudetendeutscher
Interessen, 1951
Einleitung und Bearbeitung von Dr. Wilhelm Turnwald