Die Verdienste des Edvard Beneš

„Er hat sich um das Land verdient gemacht“ ist ein in Prag und Umgebung umlaufendes Gerücht. Er, das ist ein ehemaliger (1935 gewählter, 1938 zurückgetretener, 1939 selbsternannter) tschechoslowakischer Staatspräsident namens Beneš. Sein Name ist in fast aller Munde wegen der menschen- und bürgerrechtswidrigen Dekrete, die er als selbsternannter, nicht mehr gewählter Staatspräsident erließ, und die deshalb seinen Namen tragen. Einige von ihnen hatten die Liquidierung der sudetendeutschen Volksgruppe zur Folge, andere führten die übriggebliebenen tschechischen und slowakischen Volksgruppen in vierzigjährige sowjetische Sklaverei.

Die Ausrottung 1945/46 der Sudetendeutschen dürfte das fatalste seiner „Verdienste“ sein. Denn sie bedeutete den Verlust von 700.000 Lohn- und Gehaltsempfängern, die vor dem Zweiten Weltkrieg im Kohlenbergbau (zu 95 Prozent im Sudetenland), in der Leinenindustrie (88 Prozent), Wollindustrie (70 Prozent), Baumwollindustrie (55 Prozent), Glasindustrie (70 Prozent) und Porzellanindustrie (85 Prozent) arbeiteten. Fast ebensoviele Sudetendeutsche arbeiteten in der Landwirtschaft und rangen mit Fleiß und Hingabe, wie es nur die Liebe zu der eigenen Scholle möglich machte, dem manchmal mageren Gebirgs-Erdboden maximale Erträge ab.
Der wirtschaftliche Verlust für die Tschechoslowakei, den die Vertreibung dieser fleißigen Menschen zur Folge hatte, wurde zum Gewinn jener Länder, die sie nach der Vertreibung aufgenommen haben.

Der zweitgrößte Schaden, den Beneš seinem Lande zugefügt hat, dürften seine Verdienste für den Sieg des Kommunismus in der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg sein. Der kommunistische Putsch 1948 war die Kulmination sowjetfreundlicher tschechischer Politik seit 1918, als Staatsgründer Masaryk US-Präsident Wilson empfahl, die russische bolschewistische Regierung anzuerkennen. Sie ging einher mit einem Befehl an die 70.000 tschechischen Legionäre in Sibirien, wenigstens einen Teil der „erbeuteten“ russischen Waffen und des russischen Staatsschatzes einschließlich der Banknotenpresse der russsischen Staatsbank, der bolschewistischen Regierung zu übergeben. Die Folge war nicht nur ein weltweit diplomatischer und national-wirtschaftlicher Erfolg des Bolschewismus, sondern auch das sichere Ende der konterrevolutionären Weißen Armee und des russischen Reichsverwesers Koltschak.

Beneš stapfte in Masaryks Spuren, als er 1935 einen Freundschafts- und Beistandspakt mit dem Kreml abschloß. Damals konnte er dieses Bündnis noch im Rahmen der für die Tschechoslowakei ungünstigen politischen Konstellation in Europa rechtfertigen. Das war aber 1943 nicht mehr der Fall, als er das Bündnis mit Stalin erneuerte. Seine westlichen Verbündeten Roosevelt und Churchill rieten ihm davon ab. Beneš ignorierte ihren Rat und huldigte Stalin noch 1947, als er den Marshallplan für die Tschechoslowakei ablehnte.

Bereits im April 1945 hatte die Beneš-Regierung das Kaschauer Programm verkündet, in dem sie „von Anfang an eine praktische, auf die Sowjetunion ausgerichtete Militär-, Wirtschafts- und Kulturpolitik“ propagierte. Sie scheute nicht davor zurück, alle jene demokratischen Parteien zu verbieten, die dem Fortschritt des Kommunismus im Wege standen. Die Regierenden der Nationalen Front beschlossen einstimmig die Entrechtung, Enteignung und Vertreibung aller Deutschen und die Verstaatlichung ihres geraubten Eigentums, aber auch tschechischen und slowakischen Besitzes und die Kollektivierung der Landwirtschaft; sie zwangen Arbeiter in kommunistische Gewerkschaftsorganisationen; sie erließen Gesetze für Freiheitsentzug und Zwangsarbeit für alle, Arbeiter und Bauern eingeschlossen, die sich ihrem Terror widersetzten. Beneš und die Regierenden der Nationalen Front unterwarfen sich Stalin in der Hoffnung, er würde ihnen eine Zukunft am sowjetischen politischen Futtertrog garantieren.

Im Februar 1948 war es soweit: Die Kommunisten lösten das Parlament auf und erklärten sich zur alleinregierenden Partei. Beneš unternahm nichts, diesen Putsch zu verhindern. Anstatt aus Protest wegen des Verfassungsbruches der Kommunisten zurückzutreten, legalisierte er ihn, indem er die kommunistischen Minister vereidigte und ihre antidemokratischen Gesetze unterzeichnete. Erst als er alles in seiner Macht Mögliche getan hatte, das kommunistische Terrorregime zu etablieren, trat er zurück. Aus Dankbarkeit gewährten ihm die Kommunisten eine Pension in Höhe des Präsidentengehaltes, deren er sich bis zu seinem Tode im September 1948 erfreuen durfte.

Die tschechischen Kommunisten haben noch heute Grund, Beneš zu danken und zu ehren. Für den Rest der Prager Politiker und für 80 Prozent ihres Staatsvolkes ist es aber mehr Götzen- als Heldenverehrung. Denn der Geschichte Urteil wird einmal ganz anders lauten: Beneš hat seinem Land mehr Schaden zugefügt als Nutzen gebracht.

Rudolf Pueschel, Mountain View / Kalifornien (USA)
Sudetenpost 22 Seite 6 2003-11-20