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Ihr verreckt hier bei ehrlicher Arbeit!
Eine wichtige Dokumentation gegen das Verbrechen
Ein halbes Hundert Zeitzeugen lassen die drei Editoren in dieser
Anthologie des Vergessens zu Wort kommen. Ihr verreckt hier bei
ehrlicher Arbeit. Deutsche im Gulag 1936-1956 nennen Eva Donga-Sylvester,
Günter Czernetzky und Hildegard Toma die Herausgeber der 367 Seiten starken
Dokumentation ihre Textsammlung. Deutsche, Österreicher und Südosteuropadeutsche
berichten von Verhaftungen, Verhören, Gefängnis- und Straflagerdasein, von Zwangsarbeit,
Hunger, Fluchtversuchen und Tod in sowjetischem Gewahrsam.
Unter den Herausgebern befindet sich der aus Siebenbürgen stammende, als Dokumentarfilmer
bekannt gewordene Günter Czernetzky, und unter den im Buch gleich mehrfach zitierten
Betroffenen finden sich Deutsche aus Siebenbürgen und dem Banat. Nicht zuletzt auf sie
bezieht sich Punkt vier der Historischen Einleitung unter dem Zwischentitel
Die vorliegende Anthologie erfaßt folgende Personengruppen:
...
4. Volksdeutsche und deutsche Zivilisten und Diplomaten, die in den von der Sowjetunion
kontrollieten Gebieten (Polen, Ungarn, Tschechoslowakei, Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien
u.a.) wegen tatsächlicher oder angeblicher antisowjetischer Aktivitäten in
Gefangenschaft gerieten (Zeitraum 1944-1949). Der weiter unten stehende Satz:
Nach Öffnung der sowjetischen Archive Anfang der neunziger Jahre und der Implosion
des sozialistischen Systems läßt sich neben vielen anderen neuen Erkenntnissen auch die
eindeutige Absicht der sowjetisch-stalinistischen Machthaber belegen, nämlich die der
langfristigen 'Vernichtung politischer Gegner durch Arbeit', der 'Feinde der
Sowjetunion' dieser Satz faßt das ganze Ausmaß an erbamungsloser Härte
zusammen, der sich die Inhaftierten endlos lange Jahre wehrlos ausgesetzt sahen.
Der acht Seiten langen Historischen Einleitung folgen in acht Kapitel
gegliederte Sachabschnitte; sie stehen gleichsam für acht Beleuchtungswinkel des
Dokumentationsgegenstandes, dem u.a. die Solschenizyn-Anmerkung vorausgeschickt wird:
Wozu Vergangenes aufwühlen? 'An Vergangenem rühren ein Auge
verlieren!' Das Sprichwort stimmt, doch verschweigt es, wie es zu Ende geht: 'Vergangenes
vergessen beide Augen verlieren!'
Gleich zu Beginn kommt ein Siebenbürger zu Wort: Der in Bielstein lebende Arzt Dr. Hans
Balthes berichtet von seiner Gefangennahme im April 1945 in der Hohen Tatra der
Einundzwanzigjährige stand vor zehn Jahren sowjetischer Straflagerhaft.
Zwei Seiten weiter erzählt die Siebenbürgerin Albertine Hönig vom Verhör
im Keller eines Temeswarer Bürgerhauses von 1945 bis 1949 währte ihr Leidensweg
in der UdSSR.
Abermals wenige Seiten später skizziert der Siebenbürger Johann Urwich seine
Untersuchungshaft in Radebeul: 1947 von den Sowjets festgenommen, kehrte er erst 1955 dem
Arbeiterparadies den Rücken.
Friedrich Cloos, Viktor Stürmer und andere reihen sich an... Berichte aus der Hölle:
Symphonien des Wahnsinns nannte sie jemand.
Was aber würde geschehen (...), falls wir es zulassen, daß die Erinnerung
verfliegt? fragt, Solschenizyn leitmotivisch zur Seite gestellt, der
Nobelpreisträger Elie Wiesel; er gibt die Antwort: Dann würde das
Vergessen selber die Dimension der Tragödie annehmen.
Das nicht hoch genug zu veranschlagende Verdienst der drei Herausgeber liegt im Respekt
vor der Erkenntnis Wiesels und Solschenizyn: Jedes Verdrängen, Beiseiteschieben,
Minimalisieren oder Relativieren der Barbareien, zu denen das 20. Jahrhundert fähig
war, birgt die Gefahr ihrer Wiederheraufkunft. Es mag dem einen weniger, dem anderen gar
nicht passen: Wer sich, gleichviel aus welchem Grund, über sie hinweg- oder an ihnen
vorbeilügt, ausweichlerische Rechtfertigung sucht oder gar im Rückblick die Fakten
entstellt, bereitet den Boden für die früher oder später fällige Fortsetzung des
Wahnsinns. Europas ganze Geschichte ist der Beweis dafür.
Den wegen ihrer Knappheit leicht lesbaren Zeugenberichten lassen die Herausgeber einen
außerordentlich aufschlußreichen Historischen Anhang folgen; die
Kurzbiographien der Zeitzeugen sind überdies beredte Epochenbildnisse. Bibliographische
Hinweise und Erläuterungen von Abkürzungen und Fachausdrücken bieten zusätzlich
willkommene Lektürenhilfe. Das umfangreiche Foto-, Karten-, Skizzen- und Akten-Material
vom Häftlings-Personalpapier bis zum Barackenfoto in Suchobeswodnoje, vom Schnappschuß
auf der Lagertoilette bis zur chronologischen Übersicht zur Entwicklung der sowjetischen
Staatssicherheitsdienste etc. verleihen dem Band ein hohes Maß an Anschaulichkeit.
Alles in allem legen die Herausgeber ein respektables, sorgfältig ausgewogenes
Dokumentationswerk vor, das dank der Überlegung zustande kam: Es ist weitgehend
unbekannt geblieben, daß auch viele Deutsche in die berüchtigten Straflager der
Sowjetunion kamen, bzw. was sie dort erlebten. Daher schließt Ihr
verreckt hier bei ehrlicher Arbeit! auch eine Lücke: Das Buch tritt neben
die umfangreiche Literatur über Kriegsgefangenschaft, Zwangsdeportation und -arbeit,
Flucht, Vertreibung und Verschleppung. Daß der Siebenbürger Günter Czernetzky die Texte
seiner rumäniendeutschen Landsleute mit Bedacht, mit Klugheit und Sinn für den
historischen Zusammenhang auswählte, verdient hier besondere Erwähnung.
Hans Bergel
Eva Donga-Sylvester, Günter Czernetzky, Hildegard Toma: Ihr verreckt hier bei
ehrlicher Arbeit! Deutsche im GULag 1936-1956. Anthologie des Erinnerns, Leopold
Stocker Verlag, Graz, Stuttgart 2000, 376 Seiten, 50 Schwarz-Weiß-Abbildungen, zahlreiche
Faksimile im Text, 49,80 DM (364 öS); ISBN 3-7020-0896-9.
Amazon-Rezension, Klappentext und versandkostenfreie Bestellung:
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