HNA 11 Seite 30 2001-01-13

AM RANDE BEMERKT
Apostroph -Fieber

Karl Kraus hat das Ausrufezeichen einmal Zuchtrute genannt. Je sparsamer, desto wirkungsvoller. Den Apostroph würde er heute wohl als orthographischen Joystick der Deutschen bezeichnen. Was lesen wir da vom Frittenstand bis zum fernen Restaurant? Hier „Steak’s“, dort „Edith’s Würstchenbude.“
Warum auch nicht. Pluralbildung per Auslassungszeichen und angelsächsischer Genitiv bringen Schwung in verkrustete Sprachstrukturen. Überhaupt: Wenn Charly in Chicago sein Lokal „Charly’s Dinner“ nennen darf, dann kann das der Karle in Kassel schon lange und schreibt deshalb frisch und fröhlich „Karl’s Klause.“ Globalisierung macht eben auch vor der Sprache nicht Halt. Mögen sich doch konservative Geister bei jeder ausnahmsweise korrekten Schreibweise freuen über den Mut und die tiefe Einsicht des Autors in solch offenbar schwierige Materie.
Lange haben sie wahrscheinlich ohnehin keine Freude mehr daran. Bald wird selbst die reformerprobte Dudenredaktion unseren kleinen Apostroph höchstrichterlich und ganz neudeutsch faceliften. „So’n Blöd’sinn?“ Schauen Sie sich nur um. Aufschriften wie „Sonntag’s Brötchen“ sind schon jetzt nicht selten. Und „Matje’s“ oder „Seelach’s“ schmecken auch mit neuer Schreibweise gut. Oder etwa nicht? Na dann gute’n Ap’petit.
Ullrich Riedler